Druckversion
Wednesday, 29.03.2023, 11:07 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/helmut-kohl-heribert-schwan-zitate-persoenlichkeitsrecht-rekord-schmerzensgeld-eine-million-euro/
Fenster schließen
Artikel drucken
22769

LG Köln sieht besonders schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung: Rekord-Sch­mer­zens­geld für Helmut Kohl

27.04.2017

Heribert Schwan

(c) dpa

2014 veröffentlichte Heribert Schwan "Die Kohl-Protokolle", vertrauliche Zitate des Altkanzlers inklusive. Der strengte daraufhin eine Vielzahl von Klagen an – und konnte vor dem LG Köln nun einen historischen Sieg verbuchen. 

Anzeige

Altkanzler Helmut Kohl hat vor Gericht eine Rekord-Entschädigung von einer Million Euro erstritten. Das Buch "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" habe das Persönlichkeitsrecht des 87-Jährigen schwer verletzt, entschied das Landgericht (LG) Köln am Donnerstag. Es bestätigte das Verbot von 116 Textpassagen des Bestsellers. Darin ging es um vertrauliche Äußerungen Kohls über andere bekannte Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Anwälte der Autoren Heribert Schwan und Tilman Jens sowie des Verlags hatten schon vorher angekündigt, Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen, falls Kohls Klage stattgegeben werden sollte.

In dem Zivilverfahren hatte Kohl die Autoren Schwan und Jens sowie den Heyne-Verlag aus der Verlagsgruppe Random House auf Zahlung von fünf Millionen Euro verklagt. Die bisher höchsten Summen, die nach deutschem Recht für Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch unzulässige Veröffentlichungen zugesprochen wurden, bewegten sich um die 400.000 Euro, so im Fall des Wettermoderators Jörg Kachelmann und der Prinzessin Madeleine von Schweden. Die Summe von einer Million Euro ist daher ein Rekord.

Verstoß gegen Verschwiegenheitspflicht

Die beanstandeten Aussagen stammen aus Gesprächen, die Kohl 2001 und 2002 mit Schwan geführt hatte, damit der Journalist als Ghostwriter die Memoiren des Altkanzlers verfassen konnte. Schwan nahm die Gespräche auf Kassette auf. Bevor der vierte und letzte Band erscheinen konnte, zerstritten sich die beiden. Schwan veröffentlichte daraufhin eigenmächtig ein Buch mit pikanten Äußerungen Kohls aus ihren Gesprächen. Sie betrafen unter anderem die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel und die früheren Bundespräsidenten Christian Wulff und Richard von Weizsäcker. Das Buch wurde 2014 ein Bestseller. Kohl klagte jedoch dagegen und erreichte, dass es in der vorliegenden Form nicht mehr ausgeliefert werden durfte.

Nach Überzeugung des Gerichts durfte nur Kohl selbst entscheiden, welche seiner Aussagen veröffentlicht werden sollten und welche nicht. Schwan habe mit dem Buch seine Verschwiegenheitspflicht und seine Pflicht zur Geheimhaltung verletzt. Schwan selbst hatte immer erklärt, wenn Kohl etwas wirklich Vertrauliches gesagt habe, habe er ihn jedes Mal aufgefordert, den Kassettenrekorder auszustellen.

Entscheidungen auch auf zwei Nebenkriegsschauplätzen

Die Schadensersatz-Entscheidung ist das Herzstück einer Reihe von Klagen, die alle mit der unerlaubten Veröffentlichung der Kohl-Zitate in Zusammenhang stehen. So hatte der frühere Bundeskanzler in einem separaten Verfahren bereits 2015 die Herausgabe der Tonbänder erstritten, auf denen seine Gespräche mit Ghostwriter Schwan aufgezeichnet waren. Darauf aufbauend erließ das Landgericht Köln am Donnerstag ein Teilurteil, welches Schwan verpflichtet, Auskunft über Art, Umfang und Verbleib etwaiger Kopien dieser Tonbänder zu geben (Urt. v. 27.04.2017, Az. 14 O 286/14). Auf Grundlage dieser Auskunft wird Kohl sodann nach Auffassung der Kammer auch Herausgabe der Kopien fordern können.

In einem weiteren Verfahren hatte Kohl die Schwärzung von 115 Zitaten in dem Buch "Die Kohl-Protokolle" per einstweiliger Verfügung durchgesetzt. Diese einstweilige Verfügung bestätigte das LG Köln am Donnerstag im Hauptsacheverfahren und erstreckte die Entscheidung noch auf ein weiteres, 116. Zitat (Urt. v. 27.04.2017, Az. 14 O 261/16).

cvl/LTO-Redaktion

Mit Materialien von dpa.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

LG Köln sieht besonders schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung: Rekord-Schmerzensgeld für Helmut Kohl . In: Legal Tribune Online, 27.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22769/ (abgerufen am: 29.03.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
Das könnte Sie auch interessieren:
  • BVerwG zu Mobbing-Vorwürfen - Wann ist ein Dienst­herr für­sor­g­lich genug?
  • Die Vorteilsanrechnung im Dieselskandal nach dem EuGH-Urteil - Scha­dens­er­satz auch für Dau­er­läufer?
  • Von Feuerwehrauto aus nächster Nähe angehupt - Kein Sch­mer­zens­geld für Hör­schaden
  • Nach Ende der Corona-Pandemie - Kla­ge­welle gegen Air­lines über­lastet Gerichte
  • Presseberichterstattung der Bild-Zeitung - OLG unter­sagt Äuße­rungen über Kar­dinal Woelki
  • Rechtsgebiete
    • Urheber- und Medienrecht
  • Themen
    • Altkanzler
    • Persönlichkeitsrecht
    • Schadensersatz
    • Schmerzensgeld
  • Gerichte
    • Landgericht Köln
TopJOBS
Te­le­fo­ni­sche Rechts­be­ra­tung in frei­er Mit­ar­beit (Ho­me­of­fice) für...

RA-Assist Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

An­wäl­te als Se­nior As­so­cia­tes (IT- / IP- / Da­ten­schutz­recht) (m/w/d)

MORGENSTERN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , Ko­b­lenz

Wis­sen­schaft­li­che*r Mit­ar­bei­ter*in/Re­fe­ren­dar*in/Dok­to­rand*in (m/w/d) ...

Becker Büttner Held , Stutt­gart

Rechts­an­wäl­te (m/w/d) im Be­reich Pa­tent Li­ti­ga­ti­on

Allen & Overy LLP , Mün­chen

Rechts­an­walt (m/w/d) im Be­reich Me­di­en- & IP-Recht

DLA Piper UK LLP , Ham­burg

Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder Frei­be­ruf­ler

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Wis­sen­schaft­li­che*r Mit­ar­bei­ter*in/Re­fe­ren­dar*in/Dok­to­rand*in (m/w/d) ...

Becker Büttner Held , Mün­chen

Geis­ti­ges Ei­gen­tum und In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie, Schwer­punkt Pa­tent­recht ...

Freshfields Bruckhaus Deringer , Ber­lin

An­wäl­te als Se­nior As­so­cia­tes (IT- / IP- / Da­ten­schutz­recht) (m/w/d)

MORGENSTERN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , Spey­er

Wis­sen­schaft­li­che*r Mit­ar­bei­ter*in / Re­fe­ren­dar*in/Dok­to­rand*in (m/w/d) ...

Becker Büttner Held , Ber­lin

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
«ChatGPT & Co. - Chatten statt Lernen? Wie ChatGPT die Hochschullehre revolutioniert»

29.03.2023

LinkedIn 2023 – Smarte & effiziente Strategien für Anwält:innen

30.03.2023

Update Transparenzregister: Aktuelle Entwicklungen auf nationaler und EU-Ebene

29.03.2023

EU-Datenregulierung 2023: Auf was müssen sich Unternehmen einstellen?

29.03.2023

Litigation-PR-MeetUp München 2023

30.03.2023, München

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH