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Urteil am 15. Mai: Streit um Böh­m­er­manns "Sch­mäh­ge­dicht" vor Ent­schei­dung

27.02.2018

Böhmermann in der Sendung vom 31.03.2016

(c) Screenshot YouTube

Bleibt das "Schmähgedicht" von Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Erdogan in weiten Teilen verboten? Darüber verhandelte am Dienstag das Hanseatische OLG. Wann das Urteil fallen soll, steht nun jedenfalls fest.

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Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) will am 15. Mai entscheiden, ob das "Schmähgedicht" des TV-Moderators Jan Böhmermann in großen Teilen weiter verboten bleibt. Der Senat halte die Entscheidung des Landgerichts, welches das Gedicht teilweise untersagt hatte, für sorgfältig begründet und nachvollziehbar, sagte der Vorsitzende Richter des OLG-Zivilsenats, Andreas Buske, am Dienstag in Hamburg in der Berufungsverhandlung (Az. 7 U 34/17).

Sowohl der TV-Moderator als auch der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogang wehren sich gegen das Urteil des Landgerichts. Böhmermann hatte die fraglichen Verse am 31. März 2016 in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" (ZDFneo) vorgetragen und darin das türkische Staatsoberhaupt unter anderem mit Kinderpornografie und Sex mit Tieren in Verbindung gebracht. Das Landgericht hatte der Klage Erdogans mit seinem Urteil vom 10. Februar 2017 teilweise stattgegeben und verboten, bestimmte "ehrverletzende" Passagen des Textes zu wiederholen. Dagegen legte Böhmermann Berufung ein und will notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen.

Der OLG-Senat machte nun in der Verhandlung deutlich, dass es sich bei dem umstrittenen Beitrag um Satire handele. Satirefreiheit sei aber nicht grenzenlos, sagte Richter Buske. Wenn sie in die Menschenwürde eingreife, stoße sie an ihre Grenzen. Der Senat werde ebenfalls zu bewerten haben, ob das Gedicht mit seiner Einbettung in der Sendung als Gesamtwerk zu sehen sei oder die Maßstäbe der Satire nur für einzelne Verse anzuwenden seien. Der Vorsitzende sagte auch, dass die Zeilen nicht ernsthaft auf Erdogan zielen könnten.

Schmähung oder Satire?

Hieran entzündete sich scharfe Kritik von Böhmermann-Anwalt Christian Schertz. Wenn Erdogan nicht gemeint sei, dann könne es keine Schmähkritik sein, weil es hierbei nur um die Diffamierung des anderen gehe, resümierte Schertz nach der Verhandlung. Konsequent müsste dann die Erdogan-Klage abgewiesen werden. Der Verteidiger hatte vor Gericht moniert, dass die Einbettung des Gedichts in den Gesamtkontext bislang nicht hinreichend berücksichtig worden sei.

Deutliche Worte fand auch Erdogan-Anwalt Mustafa Kaplan nach der Verhandlung: "Rassismus und Menschenverachtung ist widerwärtig und verabscheuungswürdig, und man kann so etwas nicht mit Kunstfreiheit oder Meinungsfreiheit rechtfertigen." 

Erdogan hatte gegen das überwiegend zu seinen Gunsten ausgefallene Urteil Anschlussberufung eingelegt, mit der er das Gedicht gänzlich verbieten lassen will. Dem räumte der Vorsitzende aber nach den Vorberatungen zur Verhandlung keine großen Erfolgschancen ein, wie Gerichtssprecher Dr. Kai Wantzen auf LTO-Anfrage mitteilte.

Böhmermann: "Besorgnis erregende Zurückhaltung der Bundesregierung"

In einer persönlichen Erklärung an das Gericht zu seiner "Motivation für sein satirisches Proseminar zum Thema 'Schmähkritik und Meinungsfreiheit'" schreibt Böhmermann, dass der Adressat seines Beitrags nicht der Kläger, sondern die deutsche Bundesregierung gewesen sei. "Meine künstlerische und inhaltliche Motivation war das Exponieren der Besorgnis erregenden Zurückhaltung der Bundesregierung gegenüber dem türkischen Staatspräsidenten in Fragen nicht verhandelbarer Grundrechte."

Außerdem habe er sein Publikum aufklären wollen, "welch weitreichende Befugnisse und welche Macht Kunst, Comedy, Satire, kritischer Witz und das freie Wort in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung haben - in Abgrenzung zu den hinlänglich bekannten Vorstellungen des türkischen Staatspräsidenten."

dpa/mam/LTO-Redaktion

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Urteil am 15. Mai: Streit um Böhmermanns "Schmähgedicht" vor Entscheidung . In: Legal Tribune Online, 27.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27245/ (abgerufen am: 24.09.2023 )

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