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EuGH zu Personalausweisen: EU-Bürger müssen Fin­ger­ab­drücke nehmen lassen

21.03.2024

Fingerabdrucknahme bei Beantragung eines Personalausweises

Die Verpflichtung zur Abgabe von Fingerabdrücken helfe dabei, die Herstellung gefälschter Ausweise und Identitätsdiebstahl zu verhindern, so der EuGH. Foto: picture alliance / Maximilian Koch | Maximilian Koch.

EU-Bürger sind verpflichtet, zwei Fingerabdrücke für ihren Personalausweis abzugeben. Das ist rechtmäßig, hat der EuGH am Donnerstag entschieden. Die EU muss die entsprechende Verordnung aber trotzdem nachbessern.

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Ein deutscher Staatsbürger hatte bei der Stadt Wiesbaden einen neuen Personalausweis beantragt. Seit mehr als zwei Jahren ist dabei in Deutschland jeder verpflichtet, seine Fingerabdrücke abzugeben (§ 5 Abs. 5 und Abs. 9, § 9 Abs. 3 Personalausweisgesetz). Deutschland entspricht damit einer Verordnung der EU. Mit der Abgabe seiner Fingerabdrücke war der Mann aber nicht einverstanden. Ihm einen Personalausweis ohne Aufnahme seiner Fingerabdrücke auszustellen, verweigerte die Stadt Wiesbaden jedoch. Dagegen wehrte sich der Deutsche vor dem Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden.

Das VG war sich selbst nicht ganz sicher und legte den Fall nach Art. 267 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vor. Der sollte insbesondere klären, ob die Verpflichtung zur Aufnahme und Speicherung von Fingerabdrücken in Personalausweisen gemäß Art. 3 Abs. 5 der Verordnung zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise (Verordnung 2019/1157 vom 20. Juni 2019) gegen das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten verstößt.

Das verneinte der EuGH am Donnerstag (Urt. v. 21.03.2024, Az. C-61/22). Die Verpflichtung zur Aufnahme von zwei Fingerabdrücken in Personalausweisen sei mit den Grundrechten auf Achtung des Privatlebens (Art. 7 EU-Grundrechtecharta (GRCh)) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GRCh) vereinbar.

Bekämpfung gefälschter Ausweise und Identitätsdiebstahls

Die Verpflichtung zur Abgabe der Fingerabdrücke stelle zwar eine Einschränkung der durch die GRCh garantierten Grundrechte dar. Diese Einschränkung sei jedoch durch die dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen gerechtfertigt, so der EuGH. Die zusätzlich genommenen Fingerabdrücke sollten die Herstellung gefälschter Personalausweise und den Identitätsdiebstahl bekämpfen sowie die Interoperabilität der staatlichen Überprüfungssysteme etwa bei Reisen im EU-Inland gewährleisten, so der EuGH.

Davon profitierten die EU-Bürger sogar, findet der EuGH. Weil die Fingerabdrücke die Herstellung gefälschter Personalausweise und den Identitätsdiebstahl verhinderten, leiste die Verpflichtung zur Abgabe der Fingerabdrücke sogar einen Beitrag zum Schutz des Privatlebens der betroffenen Personen als auch im weiteren Sinne zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus, befand das Gericht. Außerdem könnten Unionsbürger sich dadurch auf zuverlässige Weise identifizieren, sodass die Verpflichtung zudem die Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt in der Europäischen Union erleichtere.

Das luxemburgische Gericht war zudem überzeugt, die Aufnahme allein eines Gesichtsbilds sei ein weniger wirksames Identifizierungsmittel als die zusätzlich zu diesem Bild erfolgende Aufnahme von zwei Fingerabdrücken. Alterung, Lebensweise, Erkrankung oder ein chirurgischer Eingriff könnten nämlich die anatomischen Merkmale des Gesichts verändern.

Hausaufgaben für die EU

Der EuGH erklärte die Verordnung, die die Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken vorsieht, allerdings trotzdem für ungültig. Der Grund: Die in Rede stehende Verordnung (EU) 2019/1157 wurde auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt und infolgedessen nach dem falschen, d. h. nach dem ordentlichen statt nach einem besonderen Gesetzgebungsverfahren erlassen. Das Europäische Parlament und der Rat hatten die Verordnung nämlich auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 2 AEUV erlassen. Die richtige Rechtsgrundlage sei jedoch die spezifischere Bestimmung des Art. 77 Abs. 3 AEUV. Diese Bestimmung sieht ein besonderes Gesetzgebungsverfahren und insbesondere die Einstimmigkeit im Rat vor.

Die Ungültigerklärung der Verordnung mit sofortiger Wirkung könnte nach Auffassung des EuGH aber "schwerwiegende negative Folgen für eine erhebliche Zahl von Unionsbürgern und für ihre Sicherheit haben". Daher hält der Gerichtshof die Wirkungen der Verordnung bis zum Inkrafttreten einer neuen, auf die richtige Rechtsgrundlage gestützten Verordnung innerhalb einer angemessenen Frist, längstens bis zum 31. Dezember 2026, aufrecht.

Jetzt ist wieder das VG Wiesbaden an der Reihe und muss über den konkreten Fall entscheiden und dabei die Vorgaben des EuGH vom Donnerstag berücksichtigen.

cho/LTO-Redaktion

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EuGH zu Personalausweisen: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54168 (abgerufen am: 25.05.2025 )

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