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EuGH zur Weisungsabhänigkeit von Staatsanwaltschaft: Staats­an­walt­schaft darf EEA erlassen

08.12.2020

Gebäude des EuGH in Luxemburg.

Florian Bauer - stock.adobe.com

Nachdem der EuGH mit seiner Rechtsprechung zum Europäischen Haftbefehl die Befugnisse der deutschen Staatsanwaltschaft geschwächt hat, stärkt er ihr nun in Bezug auf Europäische Ermittlungsanordnungen den Rücken.

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Die deutsche Staatsanwaltschaft darf Europäische Ermittlungsanordnungen erlassen. Anders als beim Erlass von Europäischen Haftbefehlen sei es hier unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Einzelweisungen der Exekutive unterworfen werden kann. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden (Urt. v. 8.12.2020, Rs. C-584/19).

Dem Urteil liegt ein Vorabentscheidungsersuchen eines österreichischen Gerichts zugrunde. Dieses Gericht hat sich mit einer Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA) auseinanderzusetzen, die von der Staatsanwaltschaft Hamburg im Mai 2019 erlassen wurde. Sie hat die Übermittlung von Unterlagen zu einem österreichischen Konto zum Inhalt, die die Hamburger Staatsanwälte im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens benötigen. Die österreichische Strafprozessordnung sieht jedoch vor, dass die österreichische Staatsanwaltschaft eine solche Ermittlungsanordnung nicht ohne vorherige gerichtliche Bewilligung anordnen darf. 

Das dazu angerufene Gericht hat sich in der Folge gefragt, ob die Ermittlungsanordnung überhaupt vollstreckt werden darf, wenn die Hamburgerische Staatsanwaltschaft von den Weisungen des dortigen Justizsenators abhängig ist. Schließlich hat der EuGH diese Frage in Bezug auf den Europäischen Haftbefehl (EHB) bereits verneint. Konkret mussten die Luxemburger Richter nun beantworten, ob die Staatsanwaltschaft als zuständige Justizbehörde für den Erlass einer EEA angesehen werden kann, wenn sie Einzelweisungen der Exekutive unterliegt.  

Unterschiede im Verfahren und in Garantien

Diese Frage hat der EuGH bejaht. Er stellt dazu laut Pressemitteilung zunächst fest, dass eine EEA nach der Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung nur vollstreckt werden kann, wenn die erlassende Behörde eine "Anordnungsbehörde" nach dieser Richtlinie ist. Wenn diese Behörde im konkreten Fall kein Richter, Gericht oder ein Ermittlungsrichter ist, dann müsse in einem nächsten Schritt eine Validierung der Anordnung durch eine "Justizbehörde" stattfinden, bevor sie vollstreckt wird. 

In der Folge macht der EuGH deutlich, dass die Staatsanwaltschaft sowohl "Justizbehörde" als auch "Anordnungsbehörde" im Sinne der Richtlinie sein kann. Das gelte auch, wenn die Staatsanwaltschaft Weisungen der Exekutive unterworfen werden kann. Diesen Unterschied zu der Ausstellung eines EHB erklärt der EuGH mit dem anderen Verfahren und anderen Garantien, die beim Erlass oder der Validierung einer EEA gelten würden. Sowohl in den Stadien des Erlasses, der Validierung als auch der Vollstreckung enthalte die Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung eine Reihe von Garantien, "die den Schutz der Grundrechte der betroffenen Person sicherstellen können". 

EEA ist weniger eingriffsintensiv

Außerdem unterscheide sich das Ziel der EEA von dem des EHB, so die Luxemburger Richter weiter. Der EEA ziele auf die Erlangung von Beweisen zur Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen ab, während der EHB zur Festnahme und Übergabe einer Person für ein Strafverfahren oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe notwendig ist. Das sei deutlich eingriffsintensiver und beeinträchtige die Rechte der betroffenen Person auf Freiheit, die EEA jedoch nicht.  

In Bezug auf die EuGH-Rechtsprechung zum EHB ist in Deutschland Bewegung aufgekommen. Erst vergangene Woche wurde bekannt, dass Justizministerin Christine Lambrecht das Weisungsrecht der Exekutive in Bezug auf den europäischen Haftbefehl einschränken will. Erst kurz davor haben das auch die Staatsanwaltschaften selbst gefordert und Thüringen hat bereits eine Initiative im Bundesrat gestartet. 

pdi/LTO-Redaktion

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EuGH zur Weisungsabhänigkeit von Staatsanwaltschaft: Staatsanwaltschaft darf EEA erlassen . In: Legal Tribune Online, 08.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43664/ (abgerufen am: 11.04.2021 )

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