Auch nach einer Trennung von Eheleuten bleibt das Aufenthaltsrecht des Drittstaatenangehörigen bestehen. Entscheidend sei nur das formale Band der Ehe, urteilte das BVerwG, und schloss sich der weiten Auslegung des EuGH an.
Mitglieder der Europäischen Union haben das Recht auf Freizügigkeit und auch darauf, dass Ihre Familie bei ihnen lebt. Die Ehepartner aus Drittstaaten erhalten dann mindestens ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Doch was passiert mit dem Aufenthaltsrecht des Ausländers, wenn sich die Partner trennen? Dann ändert sich an dessen Recht zum Aufenthalt gar nichts, urteilte am Donnerstag das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 28.03.2019, Az. 1 C 9.18).
Ein Nigerianer hatte im Jahr 2008 in Griechenland eine Bulgarin geheiratet – Bulgarien ist seit dem Jahr 2007 Mitglied der Europäischen Union. Gemeinsam zogen die beiden im Jahr 2012 nach Deutschland , um hier zu arbeiten. Zwei Jahre später kam die Trennung, die Frau ging zurück nach Bulgarien und kam 2015 zurück, blieb aber von ihrem Ehemann getrennt. Im Jahr 2016 folgte die Scheidung. Schon nach dem Wegzug der Frau erkannte die Ausländerbehörde, der Nigerianer habe sein Freizügigkeitsrecht aus der entsprechenden Richtlinie iVm der Unionsbürgerrichtlinie (2004/38/EG) verloren.
In den Vorinstanzen blieb der Kläger erfolglos: Das Aufenthaltsrecht des Klägers als Ehegatte einer Unionsbürgerin sei mit deren Wegzug erloschen und mit ihrer Wiedereinreise mangels Wiederaufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht neu entstanden (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13. September 2017, Az. 3 B 5.16 u. VG Berlin, Urt. v. 04. Februar 2016, Az. 24 K 45.15).
"Die Grenze ist der Rechtsmissbrauch"
Der 1. Revisionssenat des BVerwG beurteilte den Fall nun anders. Das abgeleitete Aufenthaltsrecht sei zwar tatsächlich mit dem Wegzug der Ehefrau erloschen, aber mit ihrer Rückkehr auch wieder aufgelebt – das gebe die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) so vor. Der Umstand getrennt zu leben ändere daran nichts. Die Eheleute müssten nicht ständig zusammen wohnen, es reiche aus, dass sie sich im selben Mitgliedstaat aufhalten. Dies gelte bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs oder des Betrugs (einschließlich des Eingehens einer Scheinehe), teilte das BVerwG mit.
Das europarechtliche Aufenthaltsrecht gehe damit weiter als das deutsche, stellt das BVerwG klar: Nach deutschem Recht würde das Nachzugsrecht lediglich zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft erteilt. Dementsprechend verlange das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht keine schutzwürdige Beziehung, die über das formale Band der Ehe hinausgehe.
"Der EuGH betrachtet das Bestehen der Ehe als formales Kriterium für das abgeleitete Aufenthaltsrecht", sagt Constantin Hruschka, Senior Research Fellow am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, und weiter: "Das ist juristisch gut überprüfbar und unionsrechtlich so vorgegeben."
Dieses rein formale Band reicht nach der bisherigen deutschen Praxis nach einer Trennung unter Umständen nicht aus, wenn die Ehegatten nicht zusammen leben und bei den Drittstaatenangehörigen kein eigenes Aufenthaltsrecht unabhängig vom Ehepartner entstanden ist. Ob ein derartiges eigenständiges Recht bei dem Drittstaatenangehörigen entstanden ist, ist auch nach bisheriger Praxis bereits zu prüfen.
*vormals "Scheidung"; korrigiert am 29.03.2019, 9.48 Uhr
tap/LTO-Redaktion
Starke Rechte aus der EU: . In: Legal Tribune Online, 28.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34637 (abgerufen am: 07.10.2024 )
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