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BVerfG zu Rechtsweg bei Asylanträgen von Syrern: OVG muss Beru­fung zulassen

von Tanja Podolski

12.12.2016

Muslimische Frau (Symbolbild)

© Jasmin Merdan - Fotolia.com

Wendet sich ein Syrer gegen den ihm eingeräumten subsidiären Schutz, müssen die Instanzgerichte Rechtsmittel zulassen. Sonst ist das ein Verstoß gegen den effektiven Rechtsschutz, so das BVerfG.

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Ein Ausländer begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter, erhält allerdings nur subsidiären Schutz. Klagt der Betroffene dagegen vor dem Verwaltungsgericht (VG), muss das Oberverwaltungsgericht (OVG) die Berufung gegen die Entscheidung zulassen. Andernfalls sei das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschied (Beschl. v. 14.11.2016, Az. 2 BvR 31/14).

Geklagt hatte eine syrische Frau, deren Asylantrag bereits im Jahr 2013 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ablehnt wurde. Das BAMF gestand ihr lediglich subsidiären Schutz zu, das ist die inzwischen gängige Praxis. Mit der Begründung, in Syrien müsse sie im Rahmen einer Rückkehrerbefragung mit Folter rechnen, wendete sie sich gegen den Bescheid. Das VG Düsseldorf wies die Klage ab (Urt. v. 08.10.2013, Az. 17 K 3965/13.A). Die Veröffentlichung zweier regimekritischer Artikel auf Internetseiten der syrischen Opposition sei zu unwesentlich und begründe keine Verfolgungswahrscheinlichkeit. Im Übrigen seien derartige Aktivitäten bei einer großen Anzahl bisher unpolitischer syrischer Staatsangehöriger zu beobachten und dienten zum Teil ausschließlich zur Schaffung eines Nachfluchtgrundes. Die Einräumung subsidiären Schutzes sei daher nicht zu beanstanden.

Die Syrerin beantragte Zulassung der Berufung gegen die Entscheidung des VG aufgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Da das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein Westfalen (OVG NRW) den Antrag ablehnte (Beschl. v. 09.12.2013, Az. 14 A 2663/13.A), erhob sie Verfassungsbeschwerde.

Uneinheitliche Beurteilung der Rechtsfrage

Dieser gab das BVerfG nun statt. Die Nichtzulassung des Rechtsmittels verletze die Frau in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Dieses gewährleiste zwar keinen Anspruch auf die Einrichtung eines bestimmten Rechtszuges. Sofern der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen habe, dürfe der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden.

Das gelte auch, wenn die Verfahrensbeteiligten die Zulassung eines Rechtsmittels erstreiten können. Die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe dürfe dann nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leer laufe.

Zudem sei in diesem Fall eine Rechtsfrage mit bundesweiter Bedeutung zu klären. Die Frage ob bei Syrern eine Asylberechtigung oder lediglich subsidiärer Schutz vorliege, werde von den OVG uneinheitlich beurteilt und es fehle an einer Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht.

Einstufung nicht zu rechtfertigen

Zuletzt hatte das OVG Schleswig im November entschieden, dass Syrer, die vor der Ausreise keine individuelle Verfolgung erlitten hätten, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht allein wegen ihres Auslandsaufenthaltes und der Asylantragstellung beanspruchen könnten.

So urteilte auch das OVG NRW zuletzt im Jahr 2013, seitdem hat es keine Entscheidung in der Sache mehr getroffen und Anträge auf Zulassung der Berufung als unzulässig abgelehnt. Stets mit der Begründung, diese Frage sei in NRW geklärt und der Sache komme keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Die Worte des BVerfG zu dieser Praxis waren deutlich: "Diese Einstufung als - zudem geklärte - Tatsachenfrage erschwert den Zugang zur Berufungsinstanz in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise."

nas/tap/LTO-Redaktion

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Tanja Podolski, BVerfG zu Rechtsweg bei Asylanträgen von Syrern: OVG muss Berufung zulassen . In: Legal Tribune Online, 12.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21429/ (abgerufen am: 08.12.2023 )

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