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Professor schreibt Gutachten zu Rap-Klassiker: Jay-Zs "99 Pro­b­lems" unter der Lupe

von Constantin Baron van Lijnden

06.03.2014

Ausschnitt aus dem Video "99 Problems"

Foto: Screenshot, putpat.tv

Vor zehn Jahren nahm Jay-Z seinen Rap-Klassiker "99 Problems" auf. Darin schildert er, wie ein Polizist ihn anhält und durchsuchen will. Die 24 geschickt gestrickten Zeilen bringen nicht nur Köpfe von der East- bis zur Westcoast zum Nicken, sondern regen Manchen auch zum Nachdenken an. Den amerikanischen Anwalt und früheren Professor Caleb Mason etwa, der dazu gleich ein ganzes Gutachten verfasst hat.

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Schade eigentlich, dass Caleb Mason nicht mehr als Professor arbeitet. An der Southwestern Law School, an der er noch 2011 tätig war, dürfte man ihn vermissen. Denn mit seinem Essay "Jay-Z's 99 Problems, Verse 2: A Close Reading With Fourth Amendment Guidance For Cops and Perps" hat er vor einigen Jahren die Antwort auf eine Frage gefunden, die sich viele seiner einstigen Berufskollegen nicht einmal stellen: Die Frage nämlich, wie man rechtliche Konzepte anschaulich und unterhaltsam vermitteln kann, ohne auf den ewiggleichen "A" zu rekurrieren, der sich vom "B" allerhand gefallen lassen muss.

Statt solch erdachter Schikanen nimmt Mason sich die zumindest vorgeblich autobiographischen Zeilen des amerikanischen Rappers Jay-Z zur Brust. In "99 Problems" schildert dieser verschiedene Stationen seines Alltags, die ihm zu schaffen machen. Von juristischer Brisanz ist vor allem die zweite Strophe, in der Jay-Z davon erzählt, wie er sich von einem Polizisten zwar anhalten lässt, jedoch weigert, diesem sein Handschuhfach oder seinen Kofferraum zu öffnen.

Flucht vor der Durchsuchung (fast) nie empfehlenswert

Mason sieht darin einen Denkanstoß zu allen möglichen Justizthemen: Anhalteanordnungen, Fahrzeugdurchsuchungen, Drogenschmuggel, Anfangsverdacht, rass(ist)isch motivierte Ermittlungsmaßnahmen und natürlich den vierten Zusatz zur amerikanischen Verfassung, der unrechtmäßige Durchsuchungen und Beschlagnahmen verbietet. Tatsächlich ist die Strophe so ergiebig, dass der Ex-Professor sie Zeile für Zeile unter die Lupe genommen und auf insgesamt 19 Seiten analysiert hat.

Dabei führt er zum Beispiel aus, dass es egal sei, ob die Polizei vornehmlich Fahrer mit einer bestimmten Hautfarbe anhält. So lang sie einen über die Hautfarbe hinausweisenden, berechtigten Grund hat - im Song ist dies das überhöhte Tempo des Protagonisten - kommt es nicht darauf an, ob sie diesen Grund nur gegenüber afroamerikanischen Verdächtigen geltend macht.

Dementsprechend treffe Jay-Z auch die richtige Entscheidung, wenn er beschließt, es nicht auf eine Verfolgungsjagd ankommen zu lassen ("I got two choices y'all, pull over the car or / Bounce on the double, put the pedal to the floor"), sondern zunächst anzuhalten und sich notfalls gerichtlichen Beistand zu suchen ("Now I ain't trying to see no highway chase with jake / Plus I got a few dollar, I can fight the case"). Anders stehe es womöglich in denjenigen Bundesstaaten, in denen die Polizei sich aus Sicherheitsgründen nicht auf Verfolgungsjagden einlasse. Dort werde man anhand des Nummernschildes zwar dennoch aufgespürt, aber in der gewonnenen Zeit sei es wohl möglich, etwaige Beweismittel aus dem Auto zu entfernen.

"Bitch" als Spürhündin: Neuer Blick auf einen alten Refrain

Weniger realistisch sei allerdings die Weigerung, aus dem Auto auszusteigen, selbst wenn sämtliche Ausweispapiere des Fahrers in Ordnung sein sollten ("I ain't stepping out of shit all my papers legit"). Wer zu Recht angehalten worden sei, der müsse nach einer Entscheidung des Supreme Courts auf Aufforderung auch sein Fahrzeug verlassen. Klug sei es hingegen, die Frage des Polizisten, ob er das Fahrzeug durchsuchen dürfe, zu verneinen. Wer in so einer Situation seine Zustimmung gebe, der könne nachträglich nicht protestieren, auch wenn er gar nicht wusste, dass er sich hätte weigern dürfen - eine Pflicht zur Belehrung gibt es insoweit nicht. Im Ergebnis könne eine Durchsuchung der Fahrgastzelle allerdings trotz der Weigerung zulässig sein - wenn auch auf Grundlage eher schwacher Argumente wie "kriminalistischer Erfahrung".

Der Kofferraum bleibt ohne weitere Verdachtsmomente allerdings vor polizeilichem Zugriff geschützt. Erlaubt sei es hingegen, einen Drogenspürhund von außen am Fahrzeug schnuppern zu lassen, was der Polizist auch prompt ankündigt ("We'll see how smart you are when the K-9s come"). Schlägt der Hund an, so ist in der Folge auch eine Durchsuchung des Kofferraums gestattet. Allerdings muss der Verdächtigte nicht endlos lang auf das Erscheinen eines Spürhundes warten. In der realen Szene, die dem Song laut seinem Schöpfer zugrunde liegen soll, lässt der Polizist ihn schließlich gehen, weil der Hund nicht schnell genug auftaucht. Die abschließende Zeile ("I've got 99 problems, but a bitch ain't one") sei denn auch gar nicht auf Frauen, sondern auf Spürhunde bezogen - denn "bitch" bedeutet im Englischen unter anderem auch: "Hündin".

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Constantin Baron van Lijnden, Professor schreibt Gutachten zu Rap-Klassiker: . In: Legal Tribune Online, 06.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11226 (abgerufen am: 08.11.2025 )

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