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Interne Untersuchung reicht nicht: OLG Celle besch­ließt Son­der­prü­fung bei VW

09.11.2017

© alphaspirit - stock.adobe.com

Ein unabhängiger Sonderprüfer soll für Aufklärung des Abgasskandals bei Volkswagen sorgen. Das entschied das OLG Celle; es hat einem Antrag von Aktionärsvertretern stattgegeben.

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Volkswagen (VW) kommt im Abgasskandal nicht zur Ruhe. Nachdem sich am Montag 15.000 Dieselkunden einer Schadensersatzklage anschlossen, steht das Unternehmen nun vor einer unabhängigen Sonderprüfung. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle gab einem entsprechenden Antrag von Aktionärsvertretern am Mittwoch statt (Beschl. v. 08.11.2017, Az. 9 W 86/17).

Die Aktionärsvertreter erhoffen sich durch den unabhängigen Sonderprüfer Antworten auf die Fragen, ob Vorstand und Aufsichtsrat bei Volkswagen in Verbindung mit den Software-Manipulationen rechtliche Pflichten verletzt und der Gesellschaft einen Schaden zugefügt haben. Streitig ist zwischen Antragstellern und der Antragsgegnerin VW vor allem, wann Organe der Antragsgegnerin, insbesondere ihre ehemaligen Vorstandsmitglieder, Kenntnis von der Verwendung einer Motorsoftware hatten oder hätten haben müssen, die den Ausstoß von Stickoxiden im Prüfstand verringert.

VW hatte Jones Day mit der internen Untersuchung beauftragt

Drei Fonds amerikanischen Rechts hatten schon in der Hauptversammlung von Volkswagen im Juni 2016 erfolglos die Einsetzung eines Sonderprüfers gemäß § 142 AktG beantragt. Der Autobauer selbst ließ die Vorgänge intern von der US-Kanzlei Jones Day untersuchen.

Die Aktionärsvertreter verfolgten ihren Antrag unterdessen gerichtlich weiter. Das Landgericht (LG) Hannover wies ihn im Juli 2017 jedoch mit der Begründung zurück, dass für die Einsetzung eines Sonderprüfers kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, weil Volkswagen bereits eine Kanzlei mit der Prüfung der Vorgänge beauftragt habe. Die Verwendung von deren Prüfungsergebnissen durch die Staatsanwaltschaft lasse Erkenntnisse erwarten, so dass keine Notwendigkeit für eine Sonderprüfung darüber hinaus bestehe.

Die Staatsanwaltschaft München II hatte im März 2017 bei Jones Day erstellte Unterlagen, die den Abgas-Skandal betreffen, sichergestellt. Am 25. Juli - und damit zeitlich nach der Entscheidung des LG Hannover - hatte das Bundesverfassungsgericht (Az. 2 BvR 1287/17) jedoch angeordnet, dass diese Unterlagen bis zu einer Entscheidung über anhängige Verfassungsbeschwerden von Jones Day gegen die Durchsuchungsanordnung und Sicherstellung, längstens für die Dauer von sechs Monaten, beim Amtsgericht München versiegelt zu hinterlegen sind.

"Nicht ersichtlich", dass Aktionäre Einsicht in Untersuchungsergebnise erhalten

Der 9. Zivilsenat des OLG Celle ist - wie die erste Instanz - der Auffassung, die Aktionärsvertreter hätten einen hinreichenden Verdacht für grobe Pflichtverletzungen der VW-Leitungsebene aufgezeigt. Anders als das LG meint das OLG aber, dass die Erkenntnisse der von VW zur Untersuchung eingesetzten Rechtsanwaltskanzlei eine Sonderprüfung nicht erübrigten. Denn es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, "dass diese Erkenntnisse frei von Einfluss der Antragsgegnerin entstanden und formuliert sein würden, noch dass und wie sie den Aktionären der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellt würden", teilt das OLG mit.

Aktionärsschützer werten die Entscheidung als "Sternstunde für den Anleger- und Minderheitenschutz in Deutschland", so Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Es handele sich um die erste rechtskräftige gerichtliche Entscheidung gegen Volkswagen zur Untersuchung einer möglichen verspäteten Information des Kapitalmarktes, fügte DSW-Vizepräsident Klaus Nieding hinzu.

Volkswagen habe die Entscheidung des OLG Celle zur Kenntnis genommen, hieß es in einer Reaktion aus Wolfsburg. "Wir halten diese für unzutreffend", sagte ein VW-Sprecher und kündigte an, dass das Unternehmen nun die schriftlichen Beschlussgründe und die weiteren Schritte sorgfältig prüfen werde. Die Rechtsbeschwerde sei in diesem Fall ausgeschlossen, hieß es vom Gericht. Gegen den Beschluss gibt es laut Aktiengesetz keine Rechtsmittel.

ah/LTO-Redaktion

mit Material von dpa

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Interne Untersuchung reicht nicht: OLG Celle beschließt Sonderprüfung bei VW . In: Legal Tribune Online, 09.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25451/ (abgerufen am: 23.09.2023 )

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