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Anwalt klagt gegen Patent auf Jahrtausende altes Mehl: "Eine Rie­se­n­un­ge­rech­tig­keit"

Interview von Dr. Anja Hall

09.08.2019

Bäcker knetet Mehl

© JenkoAtaman - stock.adobe.com

Ein Konzern hat sich ein Mehl, das in Afrika seit Jahrtausenden genutzt wird, in Europa als Patent schützen lassen. Eine Ungerechtigkeit, findet Patentrechtler Anton Horn. Deshalb hat er im eigenen Namen Nichtigkeitsklage erhoben.

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Die Gräserart Teff ist bei uns so gut wie unbekannt, aber vor allem in Äthiopien und Eritrea wird sie seit mehr als 5.000 Jahren angebaut. Ihr Mehl gilt dort als Grundnahrungsmittel. Das Besondere: Teff-Mehl ist glutenfrei und reich an Proteinen, Vitaminen sowie Mineralien – damit ist es auch interessant für Menschen mit Glutenunverträglichkeit in Europa.

Allerdings hat ein niederländischer Konzern sich das Teff-Mehl in Europa patentieren lassen (EP 1 646 287). Es kann also nicht ohne Weiteres aus Äthiopien nach Europa exportiert oder hierzulande hergestellt werden. In Äthiopien wird das als große Ungerechtigkeit empfunden - und auch Patentrechtler sehen das Patent sehr skeptisch.

Dr. Anton Horn, der das Patentteam bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf leitet, hat in eigenem Namen Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Teff-Patents erhoben – mit Erfolg: Auf seine Klage beim deutschen Bundespatentgericht* hin hat der Inhaber auf den Patentschutz in Deutschland verzichtet. Es gibt jetzt in Deutschland kein Teff-Patent mehr.

LTO: Herr Dr. Horn, warum haben Sie Nichtigkeitsklage gegen das Teff-Patent erhoben?

Dr. Anton Horn: Ein Studienfreund von mir stammt aus Äthiopien, und er erzählte mir vor rund eineinhalb Jahren von diesem Patent. Ich halte das für eine Riesenungerechtigkeit! Das ist so, als würde man heute in den USA "Bier, gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot" unter Patentschutz stellen. Damit würde es deutschen Brauereien unmöglich gemacht, ihre Biere dort zu verkaufen.

Wer hat Sie mandatiert?

Nichtigkeitskläger bin ich als Privatperson. Ich habe keinen Auftraggeber. Ich empfand es als wirklich ungerecht, dass es dieses Patent gab. Das Thema wurde auch im EU-Parlament und im Bundestag behandelt. Aber solch ein Patent lässt sich ja nicht politisch aus dem Weg schaffen, sondern nur über eine Nichtigkeitsklage.

Der Fall erschien mir relativ eindeutig. Er war auch gut als Ausbildungsprojekt für die jungen Kollegen im Team geeignet. Irgendwann war die Klage fertig, und dann dachten wir: OK, dann reichen wir sie jetzt ein. Auf unser außergerichtliches Schreiben hatte der Patentinhaber zuvor nicht reagiert.

Warum war der Fall einfach?

Wenn man sich das Patent genauer anschaut, sieht man recht schnell, dass es zu Unrecht erteilt wurde. In den USA und Japan wurde die Anmeldung auch entsprechend zurückgewiesen.

(c) Heuking Kühn Lüer WojtekDie Frage bei Patenten lautet immer: Was wird geschützt? Patente auf Pflanzen sind verboten. Aber man kann Lebensmittel, die aus diesen Pflanzen hergestellt werden, patentieren lassen. Bedingung ist, dass es sich um etwas Neues handelt. Der Patentinhaber des Teff-Mehls hat in seinen Patentanspruch eine chemische Eigenschaft des Mehls geschrieben, die er angeblich herausgefunden hat. Der Prüfer eim Europäischen Patentamt hat diese Eigenschaft anscheinend nicht schon an anderer Stelle beschrieben gefunden, daher hat er das Patent erteilt. Allerdings hatte das Mehl diese Eigenschaft ja schon immer. Damit war es nicht neu.

In den Niederlanden wurde das Teff-Patent inzwischen auch für nichtig erklärt. Warum muss man länderweise gegen ein Patent vorgehen, das doch ein europäisches ist?

Das Europäische Patent wird zwar zentral erteilt, aber der Inhaber muss es national fortführen. Wir Patentrechtler sagen, dass es in nationale Einzelrechte zerfällt. Deswegen muss auch in den einzelnen Ländern dagegen vorgegangen werden.

Innerhalb von neun Monaten nach Erteilung eines Europäischen Patents besteht die Möglichkeit, dagegen Einspruch einzulegen. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat das zwar auch getan, war damit aber nicht erfolgreich. Sie wollte erreichen, dass auch deutsche Bauern Teff anbauen dürfen. Das ging bislang nicht, ist aber nun möglich. Denn der Patentinhaber hat in Reaktion auf unsere Nichtigkeitsklage auf den deutschen Teil des Teff-Patents verzichtet.

Besteht das Teff-Patent also noch in anderen europäischen Ländern fort?

Ja, noch ist das so, und zwar in Belgien, Italien, Österreich und dem Vereinigten Königreich. Das ist auch Thema unserer "Patent School", die im August in Düsseldorf stattfindet. Junge Patentrechtler, unter anderem aus Belgien, Italien und dem Vereinigten Königreich, werden mit uns zusammen erarbeiten, was zu tun ist, um auch in diesen Ländern die Patente löschen zu lassen. Und auch Sortenschutzrechte auf Saatgut nehmen wir ins Visier. Bevor wir gerichtliche Maßnahmen ergreifen, werden wir aber dem Rechteinhaber außergerichtlich die Gelegenheit geben, auf die Rechte zu verzichten.

Sind Patente auf Lebensmittel nicht grundsätzlich ungerecht, weil sie Verbraucher benachteiligen?

Im Technikbereich halten viele Menschen Patente für "normaler", weil sie wissen, dass viel geforscht und entwickelt wird. Aber auch im Lebensmittelsektor gibt es zu Recht viele Patente, weil die Branche hochtechnisiert ist. Ein großer Patentrechtsstreit vor einigen Jahren drehte sich beispielsweise um verpacktes Brot. Aktuell sind Fleischersatzstoffe ein Thema, aber auch Zubereitungsarten und Verpackungen.

Patente sind durchaus legitim, auch bei der Verarbeitung von Lebensmitteln. Da kann viel Forschung dahinterstehen, die durchaus schutzwürdig ist.

Herr Dr. Horn, vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Anton Horn ist Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf. Er leitet das Patentteam der Kanzlei.

*korrigiert am 12.08.2019, 10:58 Uhr (LTO-Redaktion)

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Anwalt klagt gegen Patent auf Jahrtausende altes Mehl: "Eine Riesenungerechtigkeit" . In: Legal Tribune Online, 09.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36969/ (abgerufen am: 09.12.2023 )

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