Aus dem Homeoffice verhandeln, virtuell verkünden und probeweise ein Videostream für die Öffentlichkeit – neue Regeln sollen Videoverhandlungen zum Gerichtsalltag machen.
Zivilrichter sollen künftig auch von zu Hause aus eine mündliche Verhandlung leiten können - SPD, Grüne und FDP wollen Videoverhanldung damit stärker im Gerichtsalltag etablieren. Bisher sah der vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf noch vor, dass der Vorsitzende Richter die Videoverhandlung auch dann vom Gericht aus leiten muss, wenn alle anderen Verfahrensbeteiligten per Bild- und Tonübertragung an der mündlichen Verhandlung teilnehmen. Nun bietet er in seiner neuen Fassung auch für den Vorsitzenden die Option, die Videoverhandlung "von einem anderen Ort als der Gerichtsstelle aus" zu leiten, also etwa vom Homeoffice aus. Auch eine Urteilsverkündung ist per Video möglich. So kann einerseits direkt im Anschluss an eine Videoverhandlung verkündet werden.
Handelt es sich um eine öffentliche Verhandlung, so ist gemäß Entwurf "die Öffentlichkeit herzustellen, indem die Videoverhandlung in Bild und Ton an einen öffentlich zugänglichen Raum im zuständigen Gericht übertragen wird". Damit wird der Grundsatz der öffentlichen Gerichtsverhandlung gewahrt. Zusätzlich können die Länder aber an einzelnen Gerichten einen weiteren Schritt erproben: In diesen Fällen kann dann auch ein Videostream eingerichtet werden, um die Öffentlichkeit an der Verhandlung teilhaben zu lassen – eine Übertragung in den Gerichtssaal ist dann nicht mehr notwendig. Diese Pilotprojekte sollen in den kommenden jahren evaluiert werden.
Videoverhandlung in der Regel schon auf Wunsch einer Partei
Und noch eine Änderung gegenüber der ursprünglichen Fassung gibt es: Der Vorsitzende Richter soll bei einer anstehenden Verhandlung auch dann eine Teilnahme per Video anordnen, wenn dies nur von einem der Verfahrensbeteiligten gewünscht wird. Die Sollvorschrift wird damit ausgeweitet, bisher war dies nur vorgesehen, wenn alle Prozessbevollmächtigten den Wunsch geteilt hatten. Zudem soll ein Antrag auf Teilnahme per Video nicht einfach mit einem Formschreiben abgelehnt werden können, sondern nur mit einer konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Begründung.
Die finale Beratung und Abstimmung zu dem Gesetzesvorhaben wird in dieser Woche erwartet. Der Grünen-Rechtspolitiker Till Steffen hält die im parlamentarischen Verfahren beschlossenen Änderungen für wichtig. Er meint, dadurch könne eine Partei nicht mehr aus taktischen Gründen die gegnerische Seite in eine Präsenzverhandlung zwingen, die für diese vielleicht eine lange, womöglich kostspielige Anreise zur Folge hätte."
"Neu ist auch, dass auch die Urteilsverkündung per Video erfolgen kann", sagte Steffen. Dies sei in der Anhörung im Rechtsausschuss von Sachverständigen angeregt worden. Die Möglichkeit für Richterinnen und Richter, vom Homeoffice aus per Video zu verhandeln, steigere zudem die Attraktivität der Justiz als Arbeitgeber. Das Gericht werde so in der Terminierung noch flexibler, was die Verfahren beschleunigen dürfte.
Allerdings muss dann auch die Technik funktionieren. Daran hapert es vielfalch. Kürzlich berichtete LTO etwa über einen Fall vor dem Arbeitsgericht Köln, bei dem ein Richter ein Urteil fällte, obwohl nach Aussage von Kläger- und Beklagtenvertreter die mündliche Verhandlung online nicht stattgefunden hatte. Das Arbeitsgericht vermutet einen technischen Fehler der Videokonferenzsoftware, der dazu geführt habe, "dass zwar das Gericht sich selbst und sämtliche anderen Teilnehmer sehen konnte, die zugeschalteten Parteivertreter und der Kläger indes das Gericht nicht wahrnehmen aber untereinander kommunizieren konnten", so der Sprecher.
dpa/aka/LTO-Redaktion
Komfortables Zivil-Richterleben: . In: Legal Tribune Online, 14.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53159 (abgerufen am: 05.12.2024 )
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