Von den 18 neuen BGH-Richter sind 10 für zwei neue Senate. Die Freude hält sich beim BGH aber in Grenzen. Für Bettina Limperg wären ganz andere Maßnahmen nötig, damit der BGH seine Aufgabe erfüllen kann.
Im November 2018 beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestags, interessanterweise ohne jegliches Gespräch mit dem Bundesgerichtshof (BGH), dass jeweils ein neuer Zivilsenat und ein neuer Strafsenat eingerichtet werden sollen, der Zivilsenat in Karlsruhe und der Strafsenat in Leipzig. Der Ausschuss bewilligte die Stellen für die jeweils mindestens fünf neuen Richterstellen für jeden Senat.
Doch so richtig glücklich ist der BGH mit dieser Entscheidung der Politik nicht, wie BGH-Präsidentin Bettina Limperg am Mittwochabend beim Jahrespressegespräch des Gerichts klarstellte. "Dies löst unsere Probleme nicht, die wir zurzeit haben, den Bürgern und Unternehmen effektiven Rechtsschutz zu gewähren" sagte sie. Neue Richterstellen führten nicht unbedingt zu mehr Rechtssicherheit. Es bräuchte es ganz andere Maßnahmen, damit der BGH seine Aufgaben erfüllen könne, so die Gerichtschefin.
Zu viele Nichtzulassungsbeschwerden, Flucht vor Grundsatzurteilen
Limperg bezeichnete es als Aufgabe eines Bundesgerichts, drei Ziele zu erreichen: Grundsatzfragen zu klären, Einheitlichkeit in der Rechtsprechung zu schaffen und die Fortbildung des Rechts. Aktuell sieht die BGH-Präsidentin die Erfüllung dieser Aufgabe durch die weiter große Flut der Nichtzulassungsbeschwerden als gefährdet an. Denn 488 zugelassenen Revisionen standen 3.800 Nichtzulassungsbeschwerden gegenüber. Diese große Zahl verhindere oftmals, dass Revisionen, die für den Bürger wichtige Fragen klären, in den Senaten rasch behandelt werden können. Denn von den Nichtzulassungsbeschwerden waren laut Limperg weiterhin nur rund 5 Prozent erfolgreich, die weit überwiegende Zahl blieb erfolglos.
Wichtiger als die Schaffung neuer Stellen wäre es gewesen, dass die Politik sich darüber Gedanken mache, Wertgrenzen zu erhöhen in anderer Weise den Zugang zum BGH zu beschränken, meinte Limperg. "Dies sehe ich aber immer noch nicht". Limperg sieht auch die Gefahr, dass mehr Richter und mehr Senate zu Problemen bei der Einheitlichkeit der Rechtsprechung führen könnten, was unter dem Aspekt der Rechtssicherheit nicht wünschenswert sei.
Limperg regte zudem an, über eine neue Regelung für die Rücknahmen von Klagen und Revisionen kurz vor der angesetzten mündlichen Verhandlung nachzudenken, konkret diese Möglichkeit einzuschränken. Die Gerichtschefin spielte damit auf zwei Verfahren rund um die Diesel-Manipulationen von Volkswagen an, bei denen sich Volkswagen kurz vor der mündlichen Verhandlung außergerichtlich geeinigt hatte. Damit war es dem BGH nicht mehr möglich, ein Grundsatzurteil zu fällen, mit dem auch Rechtsklarheit für sehr viele weitere anhängige Verfahren bei den Zivilgerichten hätte geschaffen werden können. Die Bundesrichter hatten dann zu dem ungewöhnlichen Mittel gegriffen, den Hinweisbeschluss an die Parteien mit Überlegungen des Senats zur Rechtslage zu veröffentlichen.
Keine Räume, eine neue Geschäftsverteilung, andere Zuständigkeiten
Der Zuwachs an Richterstellen stellt den BGH vor große räumliche und sachliche Herausforderungen. In Leipzig seien überhaupt keine Räumlichkeiten für einen weiteren BGH-Senat im bisherigen Gebäude vorhand1en, ein Angebot des Landes Sachsen für eine sichere Unterbringung gebe es bisher nicht. In Karlsruhe stellten sich ähnliche Probleme. Im August sollten eigentlich Sanierungsarbeiten am Westflügel, dem sogenannten Schellingbau, beginnen, Richter und Mitarbeiter sollten vorübergehend in die General-Kammhuber-Kaserne umziehen, in der schon das Personal des Bundesverfassungsgerichts bei dessen Umbauarbeiten untergebracht war. "Wir müssen jetzt neu nachdenken, um die 15 bis 20 neuen Zimmer zu schaffen, die für einen Zivilsenat mit allen Beteiligten erforderlich sind", so Limperg.
Auf inhaltlicher Ebene muss das Präsidium nach der Richterwahl am Donnerstag mit den beiden neuen Senaten eine neue Geschäftsverteilung beraten und dabei auch die Zuständigkeiten der Senate zum Teil neu regeln. Richtern wie auch Rechtsanwälte erwarten die Ergebnisse mit Spannung, weil geänderte Zuständigkeiten auch Änderungen in der Rechtsprechung bedeuten könnten.
Zufrieden zeigten sich sowohl die Bundesrichter als auch die in Karlsruhe ansässigen Journalisten mit den neuen Möglichkeiten, Urteilsverkündungen des BGH live zu übertragen bzw. aufzuzeichnen. Es schaffe mehr Transparenz und Authentizität, wenn Richter zu sehen und zu hören seien. Zwar werde nicht jede Verkündung live übertragen, aber Bild und Ton würden in der Berichterstattung verwendet und ermöglichten der Öffentlichkeit einen wichtigen Eindruck von der Arbeit des BGH.
Auf der Vorschlagsliste für die 18 Richterstellen beim BGH stehen 43 Kandidaten. Es ist zu erwarten, dass die Namen der gewählten Richter noch am Donnerstag veröffentlicht werden.
Bundesgerichtshof vor der Richterwahl: . In: Legal Tribune Online, 14.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34375 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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