Druckversion
Donnerstag, 8.06.2023, 01:12 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/pre-employment-due-diligence-woran-karrieren-scheitern-oder-das-internet-kann-nicht-vergessen/
Fenster schließen
Artikel drucken
547

Pre-Employment Due Diligence: Woran Karrieren scheitern oder: Das Internet kann nicht vergessen

Dr. Jan Tibor Lelley, LL.M.

25.05.2010

Auge auf Bildschirm

© Eisenhans - Fotolia.com

Waren Personalentscheider früher auf die ihnen vom Bewerber zugesandten Unterlagen und Informationen beschränkt, steht ihnen heute das gesamte Web 2.0 zur Verfügung, um potentielle Mitarbeiter zu überprüfen – und eventuell schon vorab abzulehnen. Aber waren da nicht noch das Persönlichkeitsrecht und der Datenschutz? Wie viel Check ist rechtlich zulässig? Und wo sind die Grenzen?

Anzeige

Die Online-Reputation beeinflusst Bewerber-Chancen maßgeblich. Nach einer im Februar 2010 veröffentlichten Microsoft-Studie suchen 59 % aller Personalentscheider Informationen zu Bewerbern im Internet. Rund 16 % haben schon Bewerber aufgrund von Online-Informationen abgelehnt. Die Hauptgründe: unpassende Kommentare in Internet-Foren über Arbeitgeber, unpassende Fotos oder Videos, unpassender Lebensstil, falsche Angaben in der Bewerbung.

Diesem Befund entspricht, dass geschätzt 30 % aller Bewerber im Vorstellungsgespräch die Unwahrheit sagen. Und ca. 80 % haben Spuren im Internet hinterlassen. Viele Personalentscheider greifen daher auf einen Background Check für Bewerber zurück, auch Pre-Employment Due Diligence genannt. Und diese findet vor allem online statt.

Arbeitsrechtlich versteht man unter einem Background Check ein Tool, das Informationen über Charakter, Fähigkeiten, Zuverlässigkeit und Integrität einer Bewerberin bzw. eines Bewerbers online beschafft. Ursprünglich hat sich der Background Check Online, also im Internet, aus dem Background Check Offline entwickelt. Der Background Check Offline greift vor allem in der realen Welt auf Arbeitszeugnisse, polizeiliches Führungszeugnis, Auskunft aus Gewerbezentralregistern, Schufa-Auskunft, Gesundheitszeugnisse oder einfach auf Fragen im Bewerbungsgespräch zurück. Der Background Check Online geht aber viel weiter und bedient sich zum Beispiel an Social-Networking-Seiten (Stayfriends.de, XING.de, StudiVZ.net usw.) im Internet.

Was der Bewerber nicht freiwillig preisgibt, ist für Personaler besonders interessant

Es liegt in der Natur der Sache, dass der Background Check vor allem auf das so genannte B-Profil zielt. Das sind die Informationen, die der Bewerber gerade nicht freiwillig zur Verfügung stellt. Das sogenannte A-Profil (Anschreiben, Bewerbungsunterlagen oder Lebenslauf) interessiert weniger, denn es liegt der Personalabteilung ja schon vor.

Der rechtliche Rahmen von Background Checks ist aber durchaus umstritten. Zunächst steht der verfassungsrechtlich garantierten freien Einstellungsentscheidung eines Unternehmens (Art. 12 Grundgesetz (GG)) das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Bewerbers (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) gegenüber. Letzteres verbietet eine umfassende Ausforschung der Persönlichkeit und umfasst nach neuester Rechtsprechung auch die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (BVerfG, Urt. v. 28.02.2008, Az. 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07). Und jeder Bewerber kann ein diskriminierungsfreies Einstellungsverfahren nach §§ 1, 6 Abs. 1 S. 2, 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verlangen.

Im Weiteren spielt das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) eine besondere Rolle. Unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten ist ein Background Check regelmäßig eine Datenerhebung oder sogar Datenverarbeitung. Und datenschutzrechtlich steht jede Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten unter einem Erlaubnisvorbehalt. Das bedeutet, die Erhebung, wie sie durch den Background Check geschieht, ist nur zulässig, wenn sie durch das Datenschutzrecht oder durch eine andere Rechtsvorschrift erlaubt ist oder eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt.

In der Praxis zeigt sich, dass eine datenschutzrechtlich wirksame Einwilligung beim Background Check fast nie vorkommt, was sich schon aus der Art der recherchierten Informationen (so genanntes B-Profil) ergibt.
Regelmäßig wird für die datenschutzrechtliche Zulässigkeit von Background Checks ins Feld geführt, durch das laufende Bewerbungsverfahren sei der Rechtfertigungstatbestand des § 32 BDSG gegeben, nach dem personenbezogene Daten eines Bewerbers oder Arbeitnehmers für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden dürfen.

Was ist erlaubt?

Doch da das Web 2.0 fast unbegrenzte Recherche- und Informationsmöglichkeiten bereit hält, besteht das Informationsrecht des Unternehmens nicht unbeschränkt. Als Faustregel gilt: Je mehr eine Information an die Anforderungen der zu besetzenden Stelle bzw. die beruflichen Qualifikationen eines Bewerbers anknüpft, desto eher ist der Informationsanspruch gegeben. Umgekehrt ist die Informationsbeschaffung umso unzulässiger, je weiter in das Persönlichkeitsrecht bzw. den privaten Hintergrund eines Bewerbers eingedrungen wird.

So hat der Bewerberdatenschutz seine Unschuld verloren. Im Gegenteil: Bewerberdatenschutz im Web 2.0 ist ein heißes Eisen. Manche fürchten schon, so werde der Persönlichkeits- und Datenschutz zur Einstellungsbremse. Auf jeden Fall gilt für Personalentscheider und Kandidaten: Haben Sie ein Auge auf die Online-Identität im Bewerbungsverfahren.

Der Autor Dr. Jan Tibor Lelley, LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner in einer internationalen Sozietät von Rechtsanwälten und Steuerberatern am Standort Essen. Er ist Autor zahlreicher Beiträge zu arbeitsrechtlichen Themen in der Fach- und Wirtschaftspresse.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Jan Tibor Lelley, Pre-Employment Due Diligence: Woran Karrieren scheitern oder: Das Internet kann nicht vergessen . In: Legal Tribune Online, 25.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/547/ (abgerufen am: 08.06.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Arbeitsrecht
    • IT-Recht
    • Urheber- und Medienrecht
    • Datenschutz
    • Internet
23.05.2023
Recht auf Vergessenwerden

BGH zur Auslistung von Google-Suchergebnis:

Wer ver­gessen werden will, muss Fehler nach­weisen

Das Netz vergisst gemeinhin nichts. Für Betroffene kann das mitunter unangenehm werden. Doch sie haben die Möglichkeit, gegen unliebsame Veröffentlichungen vorzugehen. Wie das geht, hat nun der BGH entschieden.

Artikel lesen
22.05.2023
Datenschutz

Rekordstrafe wegen Verstoß gegen Datenschutzgrundverordnung:

1,2 Mil­li­arden Euro Strafe für Face­book-Kon­zern Meta

Kein anderer Internetriese hat in der fünfjährigen Geschichte der europäischen Datenschutzgrundverordnung so viele Bußgelder kassiert wie Meta. Nun trifft es den Facebook-Kozern erneut mit einer Rekordstrafe.

Artikel lesen
07.06.2023
Klimaproteste

LTO liegt Beschluss vor:

Durfte die Polizei "letz­te­ge­ne­ra­tion.de" kapern?

Warum wurde die Webseite der "Letzten Generation" im Zuge der Razzia komplett abgeschaltet – und war das verhältnismäßig? Darf die Polizei eine Webseite für ihre eigene Warnung nutzen? Ein Gerichtsbeschluss wirft neue Fragen auf.

Artikel lesen
07.06.2023
Volksabstimmung

Vorerst kein neues Radgesetz für Bayern:

Ver­fas­sungs­ge­richtshof hält Volks­be­gehren für unzu­lässig

Ein neues Radgesetz sollte in Bayern für besser ausgebaute Radwege sorgen. Knapp 30.000 Menschen unterzeichneten ein entsprechendes Volksbegehren. Nun stellt sich jedoch der BayVerfGH in die Quere: das Volksbegehren sei unzulässig.

Artikel lesen
07.06.2023
Diskriminierung

Diskriminierungsvorwurf in München:

Jura­fa­kultät der LMU dis­tan­ziert sich von Semina­ran­kün­di­gung

An der LMU sorgt eine Seminarankündigung zum Arbeitsrecht für Aufsehen. Die zu diskutierenden Rechtsfragen darin seien diskriminierend und herablassend formuliert worden. Nun distanziert sich das Professorium von den Passagen seines Kollegen.

Artikel lesen
06.06.2023
Justiz

Die Justiz braucht nicht mehr Personal, sondern Effizienz:

Was Staats­an­wälte und Richter ein­fach besser machen müssen

Statt mehr Personal zu fordern, sollten Richter und Staatsanwälte zuerst auf sich selbst schauen: Mit effizienteren Arbeitsabläufen ließen sich viele Verfahren schneller und besser erledigen, meint Strafverteidiger Sebastian T. Vogel.

Artikel lesen
TopJOBS
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) für den Be­reich Em­p­loy­ment in Frank­furt

Simmons & Simmons , Frank­furt am Main

Rechts­an­walt/Rechts­an­wäl­tin (m/w/d)

Loschelder Rechtsanwälte , Köln

Voll­ju­rist (m/w/d)

Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB) , Mün­chen

Ju­rist*in (m/w/d) für die in­ter­ne Rechts­be­ra­tung im Rechts­ge­biet...

Stadt Köln , Köln

Rechts­an­walt (m/w/d) Ar­beits­recht

FPS Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB , Frank­furt am Main

Rechts­an­walt (w/m/d) IT-Recht / Da­ten­schutz­recht / Ver­brau­cher­schutz­recht ...

Osborne Clarke Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB , Ber­lin

Re­fe­ren­dar/in (m/w/d)

Loschelder Rechtsanwälte , Köln

Wis­sen­schaft­li­che/r Mit­ar­bei­ter/in (m/w/d)

Loschelder Rechtsanwälte , Köln

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Erfolgreich Prozessieren vor dem FG und dem BFH

15.06.2023

Online Info Session MSc in Strategy/Management & MBA

15.06.2023

Rechtsabteilungen & Unternehmensjuristen Konferenz 2023

19.06.2023, Frankfurt am Main

Marburger Workshop zum Medizin- und Pharmarecht

16.06.2023

Zertifizierter Berater für Kryptowerte und Steuern (WIRE)

15.06.2023, Frankfurt am Main

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH