Druckversion
Sunday, 24.01.2021, 17:45 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/olg-frankfurt-urteil-16u17513-personalberater-headhunter-diskriminierung-verschwiegenheit/
Fenster schließen
Artikel drucken
11974

Frauenfeindlichen Arbeitgeber verpfiffen: Headhunter haftet für Verschwiegenheitspflichtverletzung

von Christian Oberwetter

14.05.2014

Mann flüstert Frau etwas ins Ohr

© Robert Kneschke - Fotolia.com

Diskretion ist oberstes Gebot, wenn Personaldienstleister für ihre Auftraggeber geeignetes Personal suchen. Was aber, wenn "geeignet" keine Frau sein soll? Darf der Headhunter das der Bewerberin sagen? Nein, entschied das OLG Frankfurt. Dass er im Interesse der Allgemeinheit eine Diskriminierung aufgedeckt habe, interessierte das Gericht nicht. Christian Oberwetter sieht das etwas anders.

Anzeige

Es begann wie eine ganz normale Personalvermittlung: Ein Maschinenbauunternehmen beauftragte einen Personalberater mit der Suche nach einer geeigneten Person für die Stelle eines technischen Verkäufers. Aufmerksam geworden war das Unternehmen auf den Berater durch einen Flyer, auf dem er mit seiner strikten Diskretion geworben hatte.

Der Berater fand eine geeignete Bewerberin und übersandte dem Unternehmen deren Unterlagen, doch die Maschinenbauer winkten ab: Sie wollten keine Frau. Nach Beendigung des Beratungsvertrages und nachdem er sein Honorar erhalten hatte, teilte der Dienstleister der abgelehnten Bewerberin die Gründe für die Ablehnung mit. Er bezeichnete das Verhalten des Unternehmens als skandalös und diskriminierend und riet der geschmähten Kandidatin, sich wegen einer Entschädigung von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen.

Mit Erfolg: Vor dem Arbeitsgericht einigte sich die technische Verkäuferin mit dem Unternehmen auf eine Entschädigung von 8.500 Euro. Hier hätte die Geschichte beendet sein können. Die Maschinenbauer aber verklagten nun ihren ehemaligen Berater auf Schadensersatz: Er habe seine Verschwiegenheitspflicht verletzt.

OLG Frankfurt: Schadensersatz bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht

Das Oberlandesgericht Frankfurt gab dem Unternehmen teilweise Recht. Der Berater muss ein Drittel des entstandenen Schadens tragen, weil er entgegen seiner vertraglichen Pflicht zur Verschwiegenheit der Bewerberin die Gründe der Ablehnung mitgeteilt habe (OLG Frankfurt, Urt. v. 08.05.2014, Az. 16 U 175/13).

Aus der Natur des Vertrages ergebe sich die Pflicht, über solche Umstände Stillschweigen zu bewahren, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt würden. Das gelte umso mehr, als er auf seinem Flyer mit strikter Diskretion geworben hatte.

Der Personaldienstleister war nach Ansicht der Frankfurter Richter auch nicht etwa deshalb zur Weitergabe berechtigt, weil das Unternehmen sich diskriminierend verhalten habe. Zwar sei es im Arbeitsrecht in bestimmten Fällen zulässig, Strafanzeige gegen den Arbeitgeber zu erstatten. Aber der Berater habe eben keine Anzeige erstattet, sondern der Bewerberin einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz mitgeteilt. Gehe es um zivilrechtliche Sachverhalte, könne er sich auch nicht darauf berufen, im Interesse der Allgemeinheit gehandelt zu haben.

Das OLG sah aber ein erhebliches Mitverschulden bei den Maschinenbauern. Durch die diskriminierende Ablehnung der Bewerberin habe das Unternehmen eine wesentliche Ursache für die Entstehung des Schadens gesetzt.

Internes intern klären

Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist in ihrer salomonischen Aufteilung nachvollziehbar und inhaltlich angemessen. Allerdings darf man bezweifeln, ob der Headhunter tatsächlich seine Verschwiegenheitspflicht verletzt hat.

Nach gängiger arbeitsrechtlicher Definition liegt eine Verletzung dann vor, wenn Tatsachen nach außen dringen, an deren Geheimhaltung das Unternehmen ein berechtigtes Interesse hat. Ob ein Unternehmen ein berechtigtes Interesse daran besitzt, dass Diskriminierungen nicht nach außen dringen, ist fraglich. Rechtlich geschützt ist ein solches Interesse jedenfalls nicht.

Aus einem Personalberatungsvertrag ergibt sich jedoch auch die Nebenpflicht des Beraters, auf mögliche Gesetzesverstöße hinzuweisen, die sich aus dem Verhalten seines Klienten ergeben. Der Berater hat offensichtlich den AGG-Verstoß intern nicht angesprochen. Das Unternehmen konnte auf dieser Grundlage berechtigt davon ausgehen, dass der Berater der Bewerberin die Gründe der Ablehnung nicht mitteilen würde.  

Vor einer Schadensersatzforderung hätte sich der Berater bewahren können, wenn er dieser vertraglichen Nebenpflicht nachgekommen wäre. Oder wenn er beherzigt hätte, dass Diskretion die Kunst ist, Geheimnisse so auszuplaudern, dass das Siegel der Verschwiegenheit nicht verletzt wird.

Der Autor Christian Oberwetter, Rechtsanwalt und Maître en droit, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht in Berlin und Hamburg.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Christian Oberwetter, Frauenfeindlichen Arbeitgeber verpfiffen: Headhunter haftet für Verschwiegenheitspflichtverletzung . In: Legal Tribune Online, 14.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11974/ (abgerufen am: 24.01.2021 )

Infos zum Zitiervorschlag
Kommentare
  • 14.05.2014 16:48, Daniel Roggenkemper

    Interessant wären auch die Ausführungen des Senates zum "Schutzzweckzusammenhang".

    Daniel Roggenkemper
  • 19.05.2014 19:02, besserwisser13

    Die gab es nicht. Allerdings erscheint die Annahme bzw. Wirksamkeit einer vertraglichen (Neben-)Pflicht zur Verschwiegenheit eines Vertragspartners hinsichtlich von AGG Verstößen vor dem Hintergrund der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte doch mehr als zweifelhaft.

    besserwisser13
Das könnte Sie auch interessieren:
  • BAG zum Entgelttransparenzgesetz - Gehalt unterm Ver­g­leichs­me­dian spricht für Dis­kri­mi­nie­rung
  • Bundeskabinett - Gesetz für faire Ver­brau­cher­ver­träge auf dem Weg
  • BGH zum Anwaltsvertrag als Fernabsatzvertrag - Keine Wider­rufs­be­leh­rung, kein Anwalts­honorar
  • LG Frankfurt a.M. zur persönlichen Anrede beim Fahrkartenkauf - Nicht-binäre Person muss sich nicht auf "Herr" oder "Frau"fest­legen
  • EuGH zur Diskriminierung von Vätern - Mut­ter­schafts­ur­laub nur für Mütter
  • Rechtsgebiete
    • Zivil- und Zivilverfahrensrecht
  • Themen
    • Bewerbung
    • Diskriminierung
    • Headhunter
    • Vertragsrecht
  • Gerichte
    • Oberlandesgericht Frankfurt am Main
TopJOBS
Rechts­an­wäl­te (w/m/d) für Arzt­haf­tung und Haf­tungs­recht

HALM & Collegen , Köln

An­wäl­te (m/w/d) im Zi­vil-/Zi­vil­pro­zess­recht

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB , Hamm (West­fa­len)

RECHTS­AN­WÄL­TIN/ RECHTS­AN­WALT (M/W/D)

Dr. Foerster, Schäfer & Wiesner , Lan­gen­berg

An­wäl­te (m/w/d) im KFZ- und All­ge­mei­nem Haftpf­licht­recht

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB , Hamm (West­fa­len)

Rechts­an­walt (w/m/d) für den Be­reich Li­fe Sci­en­ces

Weitnauer Partnerschaft mbB Rechtsanwälte Steuerberater , Mün­chen

Rechts­an­wäl­tin­nen/Rechts­an­wäl­te (m/w/d) für den Be­reich Zi­vil­recht/...

REDEKER SELLNER DAHS , Ber­lin

Head of Le­gal (m/w/d)

LOVOO GmbH , Dres­den

Rechts­an­walt (m/w/d) mit dem Schwer­punkt All­ge­mei­nes En­er­gie- und...

Becker Büttner Held , Er­furt

Voll­ju­rist Pro­zess­füh­rung / Li­ti­ga­ti­on (m/w/d) / Re­fe­renz 1983/1975

PERCONEX GmbH , Mün­chen und 1 wei­te­re

Re­fe­ren­dar­sta­ti­on Ber­lin Ver­trags- und Haf­tungs­recht

Gleiss Lutz , Ber­lin

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
PANDA Law 2021 presented by PXR

17.04.2021

Kostenfreies Online-Symposion: Legal Tech im Urheber- und Medienrecht

05.02.2021

Webinar-Reihe: Steuern und Beratung in Krise und Insolvenz (Teil 1/3)

05.02.2021

Verhandlung von Internationalen Kaufverträgen

11.02.2021

Zahlungsabsicherung von internationalen Liefergeschäften

18.02.2021

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH