Das LG Frankfurt hat einen Unterlassungsantrag des Rammstein-Sängers gegen die SZ zurückgewiesen. Eine Begründung steht noch aus. Vermutlich sieht das Gericht für den Verdacht sexueller Übergriffe durch Lindemann genügend Beweistatsachen.
Im Mai 2023 behauptete die Irin Shelby Lynn auf Instagram, man habe sie auf einem Rammstein-Konzert zu Till Lindemann geführt, damit sie mit ihm Sex habe, was sie verweigerte. Sie spekulierte zudem darüber, im Anschluss an ihr “Nein” unter Drogen gesetzt worden zu sein, nicht aber darüber, von wem. Nach ihren Posts begannen vor allem der Rechercheverbund von Süddeutscher Zeitung (SZ), Westdeutschem (WDR) und Norddeutschem Rundfunk (NDR) damit, den möglichen Lindemann-Skandal näher aufzudecken.
Am 2. Juni veröffentlichte die SZ einen großen Bericht über die Recherche unter dem Titel "Am Ende der Show". Eine gekürzte Version der Recherche veröffentlichte der NDR auf tagesschau.de unter der Überschrift "Neue Vorwürfe gegen Till Lindemann". In den Berichten wird nicht nur das Casting-System beschrieben, wonach dem Rammstein-Sänger Frauen für Sex zugeführt wurden, sondern es ging auch um Vorwürfe von sexuellen Übergriffen.
Nachdem Till Lindemann zunächst gegen Spiegel-Berichterstattung zum Verdacht des Einsatzes von K.O.-Tropfen erfolgreich vorgegangen war, erließ das Landgericht Hamburg auch gegen den NDR wegen des Tagesschau-Berichts eine einstweilige Verfügung. Es verbot dem Sender, durch die Berichterstattung den Verdacht zu erwecken, Till Lindemann habe an zwei Frauen sexuelle Handlungen vorgenommen, denen diese nicht zugestimmt haben. Für eine solche Verdachtserweckung fehle es an einem Mindestbestand an Beweistatsachen.
LG Frankfurt verneint im Gegensatz zu LG Hamburg Unterlassungsanspruch
Gegen den längeren SZ-Bericht machte Lindemann, vertreten durch Schertz Bergmann Rechtsanwälte, den Unterlassungsantrag vor dem Landgericht Frankfurt anhängig. Auch hier wandte sich der Rammstein-Sänger gegen den Verdacht, er habe sexuelle Handlungen an Frauen vorgenommen, denen diese nicht zugestimmt haben. Außerdem beantragte er, Schilderungen von Frauen über Sexerlebnisse mit ihm zu verbieten. Seine Anwälte begründeten die Anträge damit, dass es an einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehle. Die Verdachtsberichterstattung sei zudem unausgewogen.
Vor dem LG Frankfurt hatte Lindemann mit dieser Argumentation – anders als vor dem LG Hamburg – keinen Erfolg. Nach mündlicher Verhandlung am Donnerstag wies es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück (Urt. v. 6. September 2023, Az. 2-03 O 306/23).
SZ-Anwalt: Gericht erkennt überragendes Informationsinteresse
Der Argumentation der SZ, der Bericht erwecke schon keinen Verdacht von sexuellen Übergriffen mit strafrechtlicher Relevanz, stimmten die Frankfurter Richter laut dem Anwalt der SZ, Dr. Martin Schippan (Lausen Rechtsanwälte), in der mündlichen Verhandlung zwar nicht zu. Allerdings hätten sie zu erkennen gegeben, dass die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung gewahrt seien. Insbesondere sei das Gericht davon ausgegangen, dass die eidesstattlichen Versicherungen der Frauen einen Mindestbestand an Beweistatsachen für die Verdachtsberichterstattung bildeten, so Schippan gegenüber LTO.
Schippan begrüßte die Entscheidung des Landgerichts. Im Bericht gehe es maßgeblich um die Darstellung des Casting-Systems, mit welchem Herrn Lindemann Frauen für sexuelle Handlungen zugeführt würden. Dies sei unbestritten. Die in der SZ zitierten Frauen berichten von einer grundsätzlichen Freiwilligkeit, sodann aber von Unwohlsein, Kontrollverlusten und eine der beiden Frauen auch von zeitweiliger Bewusstlosigkeit. An derartiger Berichterstattung bestünde ein überragendes öffentliches Informationsinteresse, meint Schippan.
Lindemann-Anwalt: Entscheidung unerklärlich
Simon Bergmann, Anwalt von Till Lindemann, kann sich die Entscheidung nicht erklären. Da die Frauen selbst nur einvernehmlichen Sexualverkehr geschildert hätten, könnten deren Aussagen unmöglich als Belegtatsache für Sexualkontakte ohne Zustimmung herhalten, so Bergmann gegenüber LTO. Für ihn ist die Berichterstattung auch alles andere als ausgewogen. So habe die SZ im Bericht unterschlagen, dass sich eine der berichtenden Frauen nicht daran erinnere, ob Lindemann überhaupt mit ihr geschlafen habe, was der Bericht aber impliziere. Für eine weitere Stellungnahme möchte Bergmann die Urteilsbegründung abwarten. Bereits jetzt machte Bergmann aber klar: "Wir werden auf jeden Fall Berufung zum OLG Frankfurt einlegen."
Auf Anfrage von LTO war beim LG Frankfurt keine Begründung für den Beschluss durch das Gericht in Erfahrung zu bringen. Die Pressestelle sah sich wegen des Beratungsgeheimnisses außerstande, bei der Vorsitzenden Richterin der Pressekammer Dr. Ina Frost auch nur eine kurze Begründung einzuholen. Den naheliegenden Weg die Öffentlichkeit dadurch zu unterrichten, dass bei der Verkündung des Urteils eine kurze Begründung verlesen wird, die dann der Öffentlichkeit auch mitgeteilt werden kann, ging das Gericht nicht.
Mit schriftlichen Urteilsgründen dürfte in den nächsten Wochen gerechnet werden können.
Verdachtsberichterstattung über sexuelle Übergriffe: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52656 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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