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Faschingsumzüge und Verkehrsrecht: Gesetzliche Grenzen der Narrenfreiheit

Adolf Rebler, Dr. jur.

04.03.2011

In der "fünften Jahreszeit" ist alles möglich und alles ist erlaubt - so denken viele. Entsprechend oft ist von teils schweren Unfällen bei Umzügen zu lesen. Damit gerade die organisierte Narretei nicht zum Alptraum wird und am Aschermittwoch nicht der Staatsanwalt vor der Tür steht,  gibt es einige rechtliche Regeln, die von Veranstaltern und Teilnehmern zu beachten sind.

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"Veranstaltungen, für die die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, bedürfen der Erlaubnis."  - so steht es in § 29 Abs. 2 Satz 1 StVO. Weiter erläutert Satz 2: "Das ist der Fall, wenn die Benutzung der Straße für den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmer oder der Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge eingeschränkt wird; Kraftfahrzeuge in geschlossenem Verband nehmen die Straße stets mehr als verkehrsüblich in Anspruch."

Karnevalsumzüge finden in der Regel auf öffentlichen Straßen statt. Der Gaudiwurm besteht aus vielen Wagen, die hintereinander fahren, mit einem klaren Anfang und einem ebensolchen Ende. Es handelt sich also um einen geschlossenen Verband. Da man nicht möchte, dass das närrische Treiben vom Alltag, das heißt vom üblichen Verkehr gestört wird, muss dieser ausgeschlossen werden.

Wichtig dabei ist, dass der Umzug die Straße mehr als verkehrsüblich in Anspruch nimmt. Die entsprechende Erlaubnis nach § 29 StVO erteilt die Straßenverkehrsbehörde, für innerstädtische Ortsstraßen meist die Stadt oder die Gemeinde. Im Erlaubnisverfahren wird geprüft, ob die in Anspruch zu nehmende Straße überhaupt gesperrt werden kann oder ob der Umzug auf einer anderen Straße oder zu einer anderen (verkehrsärmeren) Zeit stattfinden muss. Außerdem werden Auflagen und Bedingungen festgesetzt, etwa dass für die Veranstaltung eine Haftpflichtversicherung vorliegen muss, möglicherweise Ordner abgestellt werden müssen und die Straße nach dem Ende der Veranstaltung zu reinigen ist. Die Erlaubnis wird einem bestimmten Veranstalter erteilt.

Brauchtumsveranstaltungen werden gesetzlich gefördert

Auch der Gesetzgeber hat ein Herz für die Narren. Um die Durchführung von massenhaft vorkommenden Veranstaltungen zu erleichtern, hat er im Jahre 1989 die "Zweite Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften" erlassen. Diese sieht Sonderregelungen und Erleichterungen vor, wenn Fahrzeuge auf örtlichen Brauchtumsveranstaltungen eingesetzt werden.

Unter den Begriff der "örtlichen Brauchtumsveranstaltung" fallen nach der amtlichen Begründung auch Karnevalsumzüge. Die Verordnung betrifft Zugmaschinen mit einer durch die Bauart  bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 60 km/h (also in der Regel Traktoren) und alle Arten von Anhängern - also die Fahrzeugarten, die den großen Teil des Fuhrparks von Karnevalisten ausmachen.

Die Verordnung sieht Ausnahmen vor von den Anforderungen an die Fahrzeuge (Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung), den Verhaltensvorschriften im Straßenverkehr (Straßenverkehrs-Ordnung – StVO), dem Zulassungsrecht (Fahrzeug-Zulassungs-Verordnung – FZV) und dem Fahrerlaubnisrecht (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV). Diese Ausnahmeregelungen gelten unmittelbar; damit brauchen die Teilnehmer keine Einzelgenehmigung mehr.

Für An- und Aufbauten kann TÜV-Abnahme nötig sein

Nach der zweiten Ausnahmeverordnung dürfen auch nicht zugelassene Zugmaschinen und Anhänger mitfahren. Sie brauchen aber eine Betriebserlaubnis, das heißt es muss feststehen, dass die Fahrzeuge vorschriftsmäßig und verkehrssicher sind. Die Zugmaschinen brauchen auch ein eigenes Kennzeichen.

Wenn die Fahrzeuge mit zusätzlichen An- und Aufbauten versehen werden, erlischt die Betriebserlaubnis auch nicht, solange die Fahrzeuge "für diese Veranstaltung" noch verkehrssicher sind. Das bedeutet, dass die Fahrzeuge nur so weit vorschriftsmäßig sein müssen, als es ihr Einsatz beim Faschingszug oder auf der Hin- und Rückfahrt erfordert. Das gilt auch, wenn die Fahrzeuge durch die zusätzlichen Auf- und Anbauten länger, höher, breiter oder schwerer als normal werden. Dann bedarf es allerdings noch einer TÜV-Abnahme. Sind die Fahrzeuge auch nur am hellen Tag unterwegs,  kann die Fahrzeugbeleuchtung auf der abgesperrten Strecke selbst verdeckt sein.

Des Weiteren brauchen Fahrer von Zugmaschinen mitAnhängern nur den Führerschein der Klasse T. Kann die Zugmaschine nicht schneller als 32 km/h fahren, ist sogar nur ein Führerschein der Klasse L notwendig. Der Fahrer muss aber mindestens 18 Jahre alt sein.

KfZ-Haftpflichtversicherung für Umzugswagen ist Pflicht

Die Ausnahmeverordnung erlaubt auch, dass Personen auf dem Anhänger mitfahren. Das gilt aber nur für den Umzug selbst. Während der Hin- und Rückfahrt darf niemand auf dem Anhänger sitzen oder stehen. Außerdem muss die Ladefläche des Anhängers eben, tritt- und rutschfest sein. Es müssen Haltevorrichtungen und Geländer vorhanden sein. Laut einem Merkblatt das Bundesverkehrsministeriums, das die Anforderungen der Ausnahmeverordnung konkretisiert, muss die Brüstung eine Mindesthöhe von 1m haben. Wenn allerdings nur Kinder mitfahren oder die "Narren" nur sitzen, reicht eine Mindesthöhe von 80 cm aus. Bänke und Tische müssen in jedem Fall fest angeschraubt sein.

Grundvoraussetzung für ein Eingreifen der Ausnahmeverordnung ist aber, dass für  die Fahrzeuge eine Kfz-Haftpflichtversicherung besteht. Daneben darf bei der Hin- und Rückfahrt höchstens 25 km/ h schnell gefahren werden; die Fahrzeuge brauchen entsprechende Geschwindigkeitsschilder. Während des Umzuges selbst ist Schrittgeschwindigkeit vorgeschrieben. Dabei hat die Rechtsprechung noch eine wichtige Ergänzung vorgenommen: Laut dem Oberlandesgericht Köln müssen die Radkappen der Festwagen mit Blechen verkleidet werden, damit wirklich niemand unter die Räder kommt (Urt. v. 15.02.1979, Az. 14 U 123/76).

Zu guter Letzt: Auch selbst zusammengebastelte Fahrzeuge dürfen grundsätzlich teilnehmen. Da sie aber keine Betriebserlaubnis haben, müssen sie vorher zum TÜV. Erst wenn dieser gutachterlich die Verkehrssicherheit festgestellt hat, darf es losgehen. Die Kosten von rund 100 Euro für das Gutachten sollte einem der Spaß in jedem Fall wert sein.

Der Autor Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum Straßenverkehrsrecht.

 

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Adolf Rebler, Faschingsumzüge und Verkehrsrecht: Gesetzliche Grenzen der Narrenfreiheit . In: Legal Tribune Online, 04.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2683/ (abgerufen am: 29.03.2023 )

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