0180 – mit dieser Ziffernfolge beginnen die Service-Nummern vieler Unternehmen. Dass die Anrufe der Kunden damit mehr als gewöhnlich kosten, verstößt gegen den Verbraucherschutz, so der EuGH. Andreas Brommer erläutert das aktuelle Urteil.
Einen telefonischen Kundenservice bieten manche Unternehmen nur über eine kostenpflichtige Service-Hotline an, typischerweise unter einer 0180-Nummer erreichbar. Für Verbraucher ist diese Praxis vor allem dann ärgerlich, wenn es bei der Vertragsabwicklung zu Problemen kommt, so etwa zu Lieferverzögerungen oder einer fehlerhaften Rechnung. Warum, so fragen sich viele Verbraucher, sollen sie auch noch besonders hohe Telefongebühren zahlen, wenn es doch ohnehin schon hakt?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) zeigt in seinem am Donnerstag verkündeten Urteil Verständnis für die Verbraucher und läutete zwar nicht für alle, aber doch für zahlreiche kostenpflichtige Service-Hotlines das Ende ein (Urt. v. 02.03.2017, Rs. C-568/15).
Auslöser des Rechtsstreits war eine beim Landgericht (LG) Stuttgart eingereichte Klage der Wettbewerbszentrale gegen ein großes Versandhandelsunternehmen. Dieses Unternehmen hatte für seine Kunden eine Service-Hotline eingerichtet, die unter einer 0180-Rufnummer zu erreichen war. Ein Anruf bei dieser kostete 14 Cent pro Minute bei einem Anruf aus dem Festnetz und sogar 42 Cent pro Minute bei einem Anruf aus einem Mobilfunknetz.
Die Wettbewerbszentrale sah darin einen Verstoß gegen § 312a Abs. 5 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach darf für einen Anruf bei einer Service-Hotline keine höhere Gebühr anfallen als "das Entgelt für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes". Grundlage der Regelung ist Art. 21 der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher (RL 2011/83/EU). Ihr Art. 21 ordnet an, dass ein Verbraucher nicht mehr als den Grundtarif zahlen muss, wenn er mit einem Unternehmer im Zusammenhang mit einem bereits geschlossenen Vertrag telefonisch Kontakt aufnimmt.
Unternehmen: Kein Gewinn trotz Zusatzgebühr
Zweifellos war ein Anruf bei der Service-Hotline des Versandhandelsunternehmens teurer als ein Anruf bei einer gewöhnlichen Festnetz- oder Mobiltelefonnummer. Doch aus Sicht des beklagten Unternehmens kam es darauf nicht an, da es § 312a Abs. 5 S. 1 BGB nur verbiete, mit der Einrichtung eines Telefonservices Gewinne zu erwirtschaften. Das aber sei hier nicht der Fall, da das Unternehmen seinerseits dem beauftragten Telefonbetreiber ein Entgelt für die Einrichtung der Service-Hotline zahlen müsse. Die Telefongebühren überstiegen daher nicht die Kosten für die Bereitstellung der Telefonleitung.
Viele Regelungen des nationalen Rechts gehen auf unionsrechtliche Vorgaben zurück und sind daher im Lichte des Unionsrechts auszulegen – so auch § 312a Abs. 5 S. 1 BGB. Dem LG Stuttgart kamen Zweifel, ob diese Vorschrift mit dem Begriff des "Grundtarifs" aus Art. 21 der Richtlinie in Einklang zu bringen ist. Entspricht es noch eben diesem Grundtarif, wenn ein Unternehmen mit einer Telefonleitung zwar keinen Gewinn erzielt, die Telefongebühren aber höher sind als bei einem gewöhnlichen Anruf ins Fest- oder Mobilfunknetz?
Das LG Stuttgart setzte das Verfahren daher aus und wandte sich im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH. In seinen Schlussanträgen vom 10.11.2016 hatte bereits der Generalanwalt Maciej Szpunar die Bedenken des LG Stuttgart geteilt. Dieser Auffassung hat sich der EuGH nun angeschlossen.
2/2: Wie hoch ist der Grundtarif?
Der EuGH stellte fest, dass der in Art. 21 der Richtlinie verwendete Begriff "Grundtarif" in der Richtlinie selbst nicht definiert ist. Ihr Sinn und Zweck aber sei es, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen. Diesem Ziel widerspreche es, wenn ein Unternehmen für seine Service-Hotline eine besondere Telefonleitung auswählt, bei der ein höherer als der übliche Telefontarif anfällt.
Ein Verbraucher könne nämlich aus Gründen der Sparsamkeit davon Abstand nehmen, das Unternehmen anzurufen. Die Fragen des Verbrauchers zu seinem Vertrag blieben dann offen. Schlimmer noch: Der Verbraucher könnte davon ablassen, seine Rechte wahrzunehmen, so etwa, wenn er auf eine Reklamation oder einen Widerruf verzichte.
Nach Auffassung des EuGH ist es auch egal, ob ein Unternehmen mit einer teuren Service-Hotline Gewinn erwirtschaftet oder nicht. Ebenso sei auch nicht entscheidend, ob ein Teil der über die Hotline generierten Telefongebühren an das Unternehmen ausgeschüttet wird oder nicht. Relevant sei allein, dass das dem Verbraucher berechnete Entgelt höher sei als bei einem gewöhnlichen Anruf.
Das Ende vieler, aber nicht aller solcher Service-Hotlines
Auch nach dem EuGH-Urteil sind Service-Hotlines mit Tarifen, die über den üblichen Verbindungsentgelten für ein Gespräch ins Fest- oder Mobilfunknetz liegen, nicht unter allen Umständen unionsrechtswidrig. Besondere Tarife bleiben für solche Anrufe zulässig, bei denen der Unternehmer seine Dienstleistung entweder völlig unentgeltlich oder vollständig im Rahmen des Telefonats erbringt, sei es beispielsweise die Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt oder Lebensberatung durch eine Astrologin. Weiterhin zulässig sind auch kostenpflichtige Bestell-Hotlines, über die ein Vertrag erst geschlossen werden kann.
Keine Gültigkeit hat das EuGH-Urteil außerdem für Verträge, die den Regelungen des § 312 Abs. 2 bis 6 BGB beziehungsweise des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie unterfallen, so etwa Beförderungs-, Timesharing- oder im Wege eines Fernabsatzgeschäfts geschlossene Reiseverträge.
Diese Einschränkungen ändern aber nichts daran, dass das EuGH-Urteil nicht zuletzt im Bereich des Versandhandels und in vielen anderen Fällen eben doch einschlägig ist, in denen die Service-Hotline der Beantwortung von Fragen zu einem bereits geschlossenen Vertragsverhältnis dient. Dort dürfen künftig keine höheren als die marktüblichen Verbindungsentgelte für einen Anruf ins nationale Fest- oder Mobilfunknetz verlangt werden.
Geschieht das doch, muss der Verbraucher für seinen Anruf überhaupt nichts bezahlen während der Anbieter des Telekommunikationsdiensts gegenüber dem Unternehmer einen Rückgriffsanspruch in Höhe des reinen Nutzungsentgelts hat. Kurz: Die Kosten des Anrufs trägt der Unternehmer, der für den Kontakt mit seinen Kunden eine überteuerte Hotline einsetzt. Daneben dürften auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen den Unternehmer im Raume stehen.
Das Kalkül mancher Unternehmen, lästige Kundenanfragen mit einer teuren Hotline abwimmeln oder an den Telefongebühren sogar noch verdienen zu können, wird damit künftig seltener aufgehen.
Der Autor Dr. Andreas Brommer ist Rechtsanwalt in der Kanzlei KLEINER Rechtsanwälte in Stuttgart.
Andreas Brommer, EuGH verbietet Hotlines mit Zusatzgebühr: Kein Service unter dieser Nummer . In: Legal Tribune Online, 02.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22248/ (abgerufen am: 09.06.2023 )
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