Für günstige Zinsen nahmen viele Verbraucher Darlehen in Fremdwährung auf. Das kann bei der Tilgung aufgrund von Wechselkursschwankungen aber teuer werden. Wer dieses Risiko trägt, entscheidet bald der EuGH. Von Alexander Knauss.
In der Vergangenheit haben zahlreiche Verbraucher in ganz Europa Darlehensverträge mit ihrer Bank abgeschlossen - aber nicht in ihrer Landeswährung, sondern in Fremdwährungen, oft in Schweizer Franken (CHF) oder Japanischen Yen (JPY). So wollten sie die dort im Vergleich zu ihren Heimatländern günstigen Zinskonditionen nutzen, die von der Bank im eigenen Land wiederum gegen einen gewissen Gewinnaufschlag weitergegeben wurden.
Das Modell funktioniert wie folgt: Der Verbraucher nimmt ein Darlehen in fremder Währung in der Höhe auf, in der sich zum aktuellen Wechselkurs die tatsächlich benötigte Darlehenssumme in der eigenen Landeswährung ergibt. Der aufgenommene Betrag wird sofort in die Landeswährung getauscht und bestimmungsgemäß (zum Beispiel zur Finanzierung einer Immobilie) verwendet. Muss das Darlehen am Ende der Laufzeit zurückgezahlt werden, wird der Darlehensbetrag entsprechend in Fremdwährung fällig.
Die Gefahr: Hat sich der Wechselkurs in der Zwischenzeit verändert, kann das dazu führen, dass der Verbraucher in seiner Heimatwährung einen deutlich höheren Betrag benötigt, um das Darlehen in der Fremdwährung tilgen zu können. Es besteht also ein nicht unerhebliches Wechselkursrisiko.
Verbraucher, die ihre Immobilie auf diese Weise in Schweizer Franken (CHF) finanziert haben, können ein Lied davon singen: Wer etwa 2007 einen Betrag von 200.000 € in CHF finanziert hat, nahm ein Darlehen in Höhe von 321.720 CHF auf. Um dieses Darlehen heute zu tilgen, werden aktuell fast 300.000 € benötigt.
Auch in Deutschland wurden solche Darlehen lange Zeit angeboten. Angesichts der aktuell ohnehin niedrigen Zinssätze lohnt sich der Neuabschluss derartiger Darlehen aber zurzeit kaum.
Der Streit vor dem EuGH
In der Rechtssache C-186/16 (Andriciuc ./. Banca Româneasca SA) geht es um Fremdwährungsdarlehen rumänischer Verbraucher, die zwischen April 2007 und Oktober 2008 Kredite in Schweizer Franken bei einer rumänischen Bank aufnahmen. Über 50.000 rumänische Haushalte haben derartige Darlehen in CHF aufgenommen.
Die Verträge sahen vor, dass die monatlichen Raten in CHF zu zahlen sind. Zwischen 2007 und 2014 verdoppelte sich der Wechselkurs zwischen CHF und rumänischen Lei (RON). Die Darlehensnehmer erhoben Klage vor rumänischen Gerichten und machten geltend, dass die Klauseln, die eine Rückzahlung in CHF vorsehen, ihnen das Wechselkursrisiko auferlegten und daher rechtsmissbräuchlich seien.
Nach Unionsrecht (Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29)) sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, für nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklauseln eine Missbrauchskontrolle vorzusehen. Allerdings sieht Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten bei Umsetzung der Richtlinie solche Klauseln von der Missbrauchskontrolle ausnehmen können, die den "Hauptgegenstand des Vertrages" betreffen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.
Die Vorlagefragen des rumänischen Gerichts
Gegenstand des vor dem EuGH geführten Verfahrens sind Vorlagefragen des in Rumänien mit der Sache befassten Gerichts.
- Unter anderem möchte es wissen, ob eine Klausel, der zufolge der Kredit in der aufgenommenen Fremdwährung zurückzuzahlen ist, den "Hauptgegenstand des Vertrages" betrifft.
- Ferner geht es darum, ob für das Vorliegen eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner strikt auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist oder ob auch nachträgliche erhebliche Änderungen des Wechselkurses in diesem Sinne eine Rolle spielen können.
- Schließlich soll der EuGH beantworten, ob eine Klausel, die von der Missbrauchskontrolle ausgenommen ist, nur dann klar und verständlich im Sinne der Richtlinie ist, wenn sie auch alle möglichen Folgen vorsieht, aufgrund deren sich der vom Verbraucher gezahlte Preis ändern kann, beispielsweise das Wechselkursrisiko.
- Und zuletzt die Frage: Muss die Bank den Kunden bei Kreditgewährung auch über die mögliche Auf- oder Abwertung einer Fremdwährung informieren?
Die Antwort auf diese Fragen kann weitreichende Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln bei Fremdwährungsdarlehen haben. Entsprechend aufmerksam verfolgte die Branche die Schlussanträge vom Donnerstag.
2/2: "Hauptgegenstand des Vertrages" oder nicht?
Nach Auffassung des Generalanwalts stellt eine Klausel in einem Darlehensvertrag, wonach der Darlehensnehmer den Betrag in der gleichen Währung zurückzahlen muss, in der das Darlehen gewährt wurde, einen "Hauptgegenstand des Vertrags" dar und ist damit gem. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie von der Missbrauchskontrolle ausgenommen. Denn wenn die Bank ein Darlehen in Fremdwährung vergeben habe, könne sie auch verlangen, die Rückzahlung des Darlehens in der gleichen Währung zu erhalten.
Deshalb könne die Verpflichtung zur Rückzahlung der Monatsraten in Fremdwährung nicht als Vertragselement von untergeordneter Bedeutung betrachtet werden, sondern gehöre zu den Schlüsselelementen eines Fremdwährungsdarlehens. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Darlehensverträge in einer Fremdwährung im Gegenzug für das Fremdwährungsrisiko einem niedrigeren Zinssatz unterliegen als Darlehensverträge in der Landeswährung.
Aber bitte kein Legalesisch
Der Generalanwalt geht aber davon aus, dass eine solche Klausel entsprechend der Richtlinie klar und verständlich abgefasst sein müsse, was voraussetze, dass sie vom Verbraucher auch hinsichtlich ihrer konkreten Tragweite verstanden werden könne. Ein normal informierter Durchschnittsverbraucher, der angemessen aufmerksam und kritisch ist, sollte daher nicht nur über die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung einer Fremdwährung informiert, sondern auch in die Lage versetzt werden, die Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einschätzen zu können.
Dieser Grundsatz darf aber nicht so weit gehen, dem Gewerbetreibenden aufzuerlegen, die Folgen im Nachhinein nicht absehbarer Entwicklungen zu tragen, so der Generalanwalt. Dazu zählten auch die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Wechselkursschwankungen. Deswegen könne ein Gewerbetreibender auch nicht für Entwicklungen nach Abschluss des Vertrages außerhalb seines Einflussbereichs verantwortlich gemacht werden. Andernfalls würden ihm nicht nur unverhältnismäßige Verpflichtungen auferlegt, sondern auch der Grundsatz der Rechtssicherheit würde gefährdet.
Zu berücksichtigen sind daher nur solche Umstände, die für die Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vernünftigerweise vorhersehbar waren. Das erhebliche finanzielle Missverhältnis könne letztlich nicht anhand von Entwicklungen beurteilt werden, die nach Vertragsschluss eintraten und auf die der Gewerbetreibende keinen Einfluss und die er auch nicht vorhersehen konnte.
Ausblick auf die EuGH-Entscheidung
Die Schlussanträge des Generalanwalts binden den Europäischen Gerichtshof nicht, allerdings folgt der Gerichtshof den Schlussanträgen häufig.
In diesem Fall bliebe allerdings noch einiger Spielraum für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Banken. Derartige Streitigkeiten würden sich künftig vor allem auf die Frage konzentrieren, ob in dem zugehörigen Darlehensvertrag über die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung der Fremdwährung sowohl grammatikalisch korrekt als auch hinsichtlich ihrer konkreten Tragweite zutreffend informiert wurde und ob bei Vertragsschluss bestimmte Wechselkursentwicklungen absehbar waren oder nicht. Für die nationalen Gerichte bleibt also noch genug zu tun.
Tucholsky sagte einmal: "Fremde Sprachen sind schön, wenn man sie nicht versteht." Für fremde Darlehen gilt ganz klar das Gegenteil.
Alexander Knauss ist im Bonner Büro der überörtlichen Sozietät MEYER-KÖRING Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB tätig. Als Partner und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht leitet er deren Praxisgruppe Bankrecht, die ausschließlich auf Anbieterseite tätig ist.
Alexander Knauss, Schlussanträge zu Darlehen in ausländischer Währung: Kann denn Fremdwährung Sünde sein? . In: Legal Tribune Online, 28.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22786/ (abgerufen am: 01.10.2023 )
Infos zum Zitiervorschlag