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Kachelmann unterliegt vor dem BGH: Bild.de durfte über Reitgerte und Handschellen berichten

von Prof. Dr. Georgios Gounalakis

20.03.2013

ARCHIV: Der Wettermoderator Joerg Kachelmann wartet im Landgericht in Frankfurt am Main auf den Beginn des Zivilprozesses um die Schadenersatzforderung gegen seine ehemalige Geliebte Claudia D. (Foto vom 31.10.12).

Foto: Thomas Lohnes/dapd

Jörg Kachelmanns Kampf gegen die Presse geht weiter. Diesmal musste sich der BGH mit der Veröffentlichung intimer Details aus seiner Aussage vor dem Ermittlungsrichter befassen. Warum über Handschellen und Reitgerte nur ausnahmsweise berichtet werden darf und der Wettermoderator dennoch verlor, erläutert Georgios Gounalakis.
 

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Der frühere Wettermoderator wurde im März 2010 wegen des Verdachts der Vergewaltigung seiner Ex-Freundin Claudia D. festgenommen. Kurz darauf begann eine intensive, in Teilen kontroverse und emotional aufgeladene Medienberichterstattung. Während des gesamten Strafverfahrens wurde mit erheblicher Öffentlichkeitswirkung über sein Privatleben und seine zahlreichen Beziehungen zu einer ganzen Reihe von Frauen  berichtet. Im Mai 2011 wurde Kachelmann bekanntlich von allen Tatvorwürfen freigesprochen. Seitdem kämpft er gegen verschiedene Medien, die über den Fall berichtet haben, insbesondere aber gegen den Axel-Springer-Verlag.

Am 13. Juni 2010 hatte bild.de pikante Details aus der ersten haftrichterlichen Vernehmung Jörg Kachelmanns nach dessen Verhaftung am 24. März 2010 veröffentlicht. Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe auf ihn gewartet, mit "hochgezogenem Strickkleid","wie üblich" habe sie "Handschellen und Reitgerte bereitgelegt". Nach der Veröffentlichung des Artikels wurde das Protokoll der Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung verlesen.

Auch gegen diese Berichterstattung wehrte sich Kachelmann vehement. Am Dienstag hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) anders als die Vorinstanzen seine Unterlassungsklage letztinstanzlich abgewiesen. Sein  Persönlichkeitsrecht genieße im konkreten Fall zwar grundsätzlich Vorrang vor dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Jedenfalls nach Verlesung des Protokolls der haftrichterlichen Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung habe das Persönlichkeitsrecht aber – wegen der Aktualität der Berichterstattung - der Pressefreiheit zu weichen (Urt. v. 19.03.2013, Az. VI ZR 93/12).

Auch das Sexualleben ist nicht immer absolut geschützt

Vor der Verlesung des Protokolls habe es noch am aktuellen Bezug zum konkreten Verdacht einer Sexualstraftat gefehlt, so der VI. Zivilsenat, auch wenn Kachelmann zum Zeitpunkt der Veröffentlichung am 13. Juni 2010 bereits in Untersuchungshaft saß. Vorgänge aus dem Sexualbereich fallen zwar grundsätzlich in den Bereich der Intimsphäre, die den stärksten Schutz vor Angriffen Dritter gewährt. Dieser Bereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wegen der besonderen Nähe zur Menschenwürde als Kernbereich privater Lebensgestaltung absolut geschützt. Deshalb darf nicht, wie sonst üblich, mit den Mediengrundrechten aus Art. 5 GG abgewogen werden. Dennoch gilt dieser Schutz nicht ausnahmslos.

Beim Verdacht einer Sexualstraftat sind ausnahmsweise auch Berichte über das persönliche Leben des Täters zulässig, sofern sie inhaltlich in unmittelbarer Beziehung zur Tat stehen, Aufschlüsse über Motive oder Tatvoraussetzungen geben sowie für die Bewertung der Schuldfrage wesentlich erscheinen. Dies hat das BVerfG bereits in der Entscheidung Lebach I (Urt. v. 05.06.1973, Az. 1 BvR 536/72) ausgeführt. Obwohl der Intimbereich sonst absoluten Schutz genießt, bedarf es dann ausnahmsweise doch einer Güter- und Interessenabwägung.

Allerdings darf keine Vorverurteilung oder Stigmatisierung erfolgen, die auch ein Freispruch nicht mehr beseitigen kann. Dies folge aus der Unschuldsvermutung, so der BGH zu Recht, welche im Rechtsstaatsprinzip und in Art 6 Abs. 2 EMRK verankert ist.

Ab Verlesung in der Hauptverhandlung: Berichterstattung zulässig

Weil die Berichterstattung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels im Juni 2010 noch keinen konkreten Bezug zur Tat aufwies, sei sie zum damaligen Zeitpunkt rechtswidrig und daher unzulässig gewesen, urteilten die Karlsruher Richter. Sie beschränkte sich auf allgemeine Aussagen zu den Sexualpraktiken Kachelmanns und seiner Ex-Freundin, Schlüsse auf das konkrete Tatgeschehen lassen sich daraus noch nicht ziehen. Der Wettermoderator werde im Gegenteil auf sein Sexualleben reduziert – ein Stigma, das trotz des Freispruchs wohl ewig an ihm haften bleiben wird. Diese Situation ändere sich allerdings nach Verlesung des Protokolls über seine  haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung. Ab diesem Zeitpunkt war „eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerungen zulässig.“ Damit sei die Wiederholungsgefahr entfallen, die für den Unterlassungsanspruch erforderlich ist.

Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung erlaubt es, dass in den Medien über deren Inhalt berichtet werden kann. Zwar wurden die vorgelesenen intimen Details zunächst nur von den im Gerichtssaal anwesenden Zuhörern wahrgenommen, und damit von einem überschaubaren Personenkreis, nämlich der Saalöffentlichkeit. Da allerdings im Gerichtssaal auch Pressevertreter sitzen, wird die Saalöffentlichkeit auch zur Medienöffentlichkeit.

Dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit angemessen

Mit anderen Worten: Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung gibt der Presse ein Recht zur Berichterstattung über sämtliche Inhalte einer öffentlichen Verhandlung, auch über Intimschilderungen.

Kachelmann selbst hat in der Öffentlichkeit seine Privatangelegenheiten nicht preisgegeben. Als prominenter Angeklagter muss er sich zwar in erhöhtem Maße eine Berichterstattung gefallen lassen. Jedoch geht diese nicht so weit, dass ohne Bezug zur konkreten Tat lediglich zur Befriedigung von Sensationslust und Neugierde über sein Sexualleben berichtet werden darf.

Insoweit hat der Wettermoderator im Grundsatz zwar Recht bekommen. Den Prozess hat er aber dennoch verloren, weil in seinem Fall die Ausnahme griff: Die Protokollverlesung in der öffentlichen Hauptverhandlung hat die pikanten Details gerichtsöffentlich gemacht. Dann darf die Presse über den Prozess auch medienwirksam unter Einbeziehung der brisanten Einzelheiten aus seinem Sexualleben berichten.

Mit der Entscheidung wird der BGH dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gerecht. Andernfalls wäre es der Presse nie gestattet, etwa über Sexualstraftäter und deren Taten im Detail zu berichten, obwohl gerade in diesen Fällen ein besonders großes öffentliches Interesse besteht. Das Karlsruher Urteil  dürfte indes nicht der Schlusspunkt der causa Kachelmann sein. Die Nachwirkungen des wohl spektakulärsten Strafprozesses der vergangenen Jahre werden, wie zu befürchten ist, die Gerichte wohl noch länger beschäftigen.

Der Autor Prof. Dr. Georgios Gounalakis ist Professor für Medienrecht an der Philipps-Universität Marburg.

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Kachelmann unterliegt vor dem BGH: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8369 (abgerufen am: 09.11.2025 )

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