Druckversion
Montag, 19.05.2025, 04:55 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/vg-koeln-13l10521-afd-darf-nicht-als-verdachtsfall-eingestuft-werden-bundesamt-fuer-verfassungsschutz-bfv
Fenster schließen
Artikel drucken
44436

VG Köln erlässt nun doch einen Hängebeschluss: AfD darf nicht als Ver­dachts­fall ein­ge­stuft werden

05.03.2021

Eine Lupe und en Aktenstapel auf einer Oberfläche.

BillionPhotos.com - stock.adobe.com

Die Medienberichte über die Einstufung der AfD als Verdachtsfall seien dem BfV zurechenbar, das damit seine Stillhaltezusage an das VG Köln gebrochen habe, so das Gericht. Ein "unvertretbarer Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien".

Anzeige

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) darf die AfD bis zum Abschluss eines Eilverfahrens vor dem Kölner Verwaltungsgericht (VG) nicht als rechtsextremistischen Verdachtsfall einordnen, so behandeln und beobachten. Das BfV darf auch nicht erneut eine Einstufung oder Behandlung als Verdachtsfall bekanntgeben. Das geht aus einem Beschluss des Kölner Gerichts hervor, der den Prozessbeteiligten am Freitag zugestellt worden ist (Beschl. v. 05.03.2021, Az. 13 L 105/21). Es war bereits der zweite Antrag der AfD auf Erlass einer Zwischenentscheidung, dem sogenannten Hängebeschluss, in dieser Sache.

Der Rechtsstreit geht schon länger. Ende Januar 2021 hatte die AfD den gegen die Bundesrepublik Deutschland - vertreten durch das BfV - gerichteten Antrag gestellt, nicht als Verdachtsfall oder gesichert extremistische Bestrebung eingestuft oder so behandelt zu werden und dies öffentlich bekanntzugeben. Zugleich hatte sie beantragt, bis zu der Entscheidung über diesen Eilantrag einen Hängebeschluss zu erlassen. Diesen hatte das Gericht jedoch Ende Januar abgelehnt, nachdem das BfV eine Stillhaltezusage abgegeben hatte. Diese sah vor, dass sich as BfV bis zum Abschluss des Eilverfahrens vor dem Verwaltungsgericht nicht öffentlich zu einer Einstufung äußere und bis zu einer Entscheidung auf den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln zum Ausspähen von Abgeordneten und Kandidaten der AfD verzichte.

Eine Beschwerde der AfD gegen den Beschluss des VG Köln vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW blieb erfolglos.  

VG: "Unvertretbarer Eingriff in Chancengleichheit"

Allerdings hatte in der Folge der Präsident des Bundesamts, Thomas Haldenwang, die Verfassungsschützer der Länder diese Woche über eine interne Hochstufung der Partei zum Verdachtsfall informiert, öffentlich jedoch nichts dazu bekanntgegeben. Als später am 3. März Medienberichte über die neue Einschätzung der AfD durch das Bundesamt veröffentlicht wurden, nahm die Kölner Behörde dazu keine Stellung. Die AfD hatte daraufhin erneut einen Antrag auf Erlass eines Hängebeschlusses gestellt.

Diesem hat das VG Köln nun stattgegeben. Zu Begründung erklärte das Gericht, es werde "in unvertretbarer Weise" in die Chancengleichheit politischer Parteien eingegriffen. "Alles" spreche dafür, dass sich das BfV nicht an seine  Stillhaltezusagen gehalten beziehungsweise nicht hinreichend dafür Sorge getragen hat, dass keine Informationen zu dem Verfahren nach außen gelangen.

Zudem habe das OVG NRW in seiner (oben genannten) Entscheidung die Stillhaltezusage ausdrücklich dahingehend verstanden, dass nicht nur eine öffentliche Bekanntgabe etwa im Wege einer Pressemitteilung unterlassen werde, sondern jegliche in ihrer Wirkung gleichkommende Maßnahme der Information der Öffentlichkeit. In der Medienberichterstattung vom 3. März sei die Einstufung der AfD als Verdachtsfall "durchgestochen" worden, was dem BfV zuzurechnen sei. Dadurch habe das BfV die Vertrauensgrundlage mit dem VG Köln zerstört. Der Hängebeschluss sei notwendig, obwohl die Einstufung als Verdachtsfall nunmehr in der Welt sei. Denn mit jeder Verlautbarung vertiefe sich der Eingriff in die Chancengleichheit der politischen Parteien. 

Keine Einordnung und Behandlung als Verdachtsfall

In Bezug auf die Einordnung und Behandlung der AfD als Verdachtsfall falle die Folgenabwägung ebenfalls zulasten des BfV aus. Es könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass Stillhaltezusagen noch eingehalten werden. Zudem sei bereits durch die Bekanntgabe der Einstufung derart tief in die Chancengleichheit eingegriffen worden, dass eine weitere Beeinträchtigung für die Partei nicht hinnehmbar sei.

"Ein Inlandsgeheimdienst, der nichts geheim halten kann", spottete der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen. Der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla sprach von einem "gezielten Eingriff in den Parteienwettbewerb mit staatlichen Mitteln" unmittelbar vor den Mitte März anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz.

Gegen den Beschluss können die Beteiligten vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster Beschwerde einlegen.

pdi/LTO-Redaktion

Mit Material der dpa

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

VG Köln erlässt nun doch einen Hängebeschluss: . In: Legal Tribune Online, 05.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44436 (abgerufen am: 19.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Verwaltungsrecht
    • AfD
    • Chancengleichheit
    • Einstweiliger Rechtsschutz
    • Parteien
    • Verfassung
    • Verfassungsschutz
  • Gerichte
    • Verwaltungsgericht Köln
Das AfD-Gutachten des BfV ist nun öffentlich 14.05.2025
AfD

AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes:

"Nur für den Dienst­ge­brauch"– und trotzdem auf jedem Bild­schirm

Einige Medien haben die gesamten 1.108 Seiten des AfD-Gutachtens veröffentlicht. Ist das erlaubt? Warum hat der Verfassungsschutz es nicht selbst veröffentlicht? Und warum darf der AfD-Anwalt das Dokument der AfD nur in seiner Kanzlei zeigen?

Artikel lesen
Robert Sesselmann 13.05.2025
AfD

AfD-Mitglieder im öffentlichen Dienst:

Mehr als eine Frage des Cha­rak­ters

Mit der AfD-Einstufung als "gesichert rechtsextremistisch" können Beamte mit Parteimitgliedschaft auf ihre Verfassungstreue überprüft werden. Das Parteienprivileg schützt die Betroffenen nicht, meint Robert Hotstegs.

Artikel lesen
Das Bild zeigt den Schriftzug der AfD und einen Kommentar zu ihrer Einstufung durch den Verfassungsschutz. 09.05.2025
AfD

Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz:

Rechts­ex­t­re­mis­tisch ein­ge­stuft – so gut wie ver­boten?

Wie viel ist mit der neuen Einstufung der AfD rechtlich schon vorentschieden für ein Parteiverbot? In der Diskussion gerät aus dem Blick, dass Einstufung und Verbotsverfahren unterschiedliche Voraussetzungen haben, meint Markus Sehl. 

Artikel lesen
Maximilian Krah 09.05.2025
Politiker

Generalstaatsanwaltschaft Dresden:

Ermitt­lungs­ver­fahren gegen AfD-Poli­tiker Krah ein­ge­leitet

Geheimdienstkontakte, Geldwäscheverdacht und der mögliche Verlust seiner Immunität: Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen AfD-Politiker Maximilian Krah – ein Fall, der bis nach China und Russland reicht.

Artikel lesen
Alexander Dobrindt 09.05.2025
AfD

Nach teils veröffentlichtem BfV-Papier:

Dobrindt prüft Ver­öf­f­ent­li­chung des kom­p­letten AfD-Gut­ach­tens

Medien zitieren munter daraus. Doch das Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD bleibt für die Allgemeinheit unter Verschluss – zumindest vorerst. Bundesinnenminister Dobrindt will entscheiden, ob die brisanten 1.108 Seiten publik werden.

Artikel lesen
Bundesamt für Verfassungsschutz 08.05.2025
AfD

Zur Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch":

Das hat es wir­k­lich mit der Still­hal­te­zu­sage auf sich

Der Verfassungsschutz hat im Streit mit der AfD eine Stillhaltezusage abgegeben. Er wird die Partei vorerst nicht mehr als "gesichert rechtsextremistisch" behandeln und bezeichnen. Die AfD-Anwälte verkaufen das als großen Sieg. Stimmt das? 

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Deutsche Rentenversicherung Bund
Pro­fes­sor*in für So­zial­ver­si­che­rungs­recht (m/w/div) mit Schwer­punkt...

Deutsche Rentenversicherung Bund , Ber­lin

Logo von Deutsches Patent- und Markenamt
Voll­ju­ris­tin­nen und Voll­ju­ris­ten (w/m/div)

Deutsches Patent- und Markenamt , Mün­chen

Logo von Hengeler Mueller
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) im Be­reich Health­ca­re/Li­fe Sci­en­ce

Hengeler Mueller , Ber­lin

Logo von Deutsche Rentenversicherung Bund
Voll­ju­rist*in (m/w/div)

Deutsche Rentenversicherung Bund , Ge­ra

Logo von RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder in frei­er Mit­ar­beit

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Neu­rup­pin

Logo von Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)
Füh­rungs-Trainee (m/w/d) in der ge­setz­li­chen Un­fall­ver­si­che­rung

Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) , Dres­den

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Cott­bus

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Karriere-Powerworkshops "Erfolgsfaktor Personal Branding"

20.05.2025

Juristinnen netzwerken ... - After Work live in Köln

22.05.2025, Köln

Rechnungslegung in der Non-Profit-Organisation

20.05.2025

Online Info Session Jurastudium (LL.B., EjP)

21.05.2025

25. Düsseldorfer Insolvenztage 2025

22.05.2025, Düsseldorf

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH