Der Springer-Verlag hat vor dem OLG Köln einen Teilerfolg gegen das Softwareunternehmen Eyeo und ihren Werbeblocker AdBlock Plus errungen. Das Ausschalten der Werbung sei zwar okay – nicht aber das Geschäftsmodell der Firma.
Im Streit um die Zulässigkeit des Internet-Werbeblockers "Adblock Plus" hat die Axel Springer AG einen Teilerfolg gegen den Kölner Anbieter der Software, die Eyeo GmbH, erreicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat das klageabweisende Urteil des Landgerichts Köln teilweise zu Gunsten des Springer-Verlags abgeändert (Urt. v. 26.06.2016, Az. 6 U 149/15). Eyeo darf seinen Werbeblock AdBlock Plus in Deutschland nicht mehr vertreiben oder bereits ausgelieferte Versionen pflegen, soweit bestimmte Webseiten des Springer-Verlags betroffen sind. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Die Software kann von Internetnutzern kostenfrei heruntergeladen werden. Sie verhindert, dass bestimmte Werbeinhalte auf Internetseiten angezeigt werden. Mit Hilfe von Filterregeln werden Serverpfade und Dateimerkmale von Werbeanbietern identifiziert und geblockt ("Blacklist"). Es besteht die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den Filtern in eine sog. "Whitelist" aufnehmen zu lassen. Standardmäßig ist das Programm so konfiguriert, dass es "einige nicht aufdringliche Werbung" zulässt und beim Nutzer anzeigt. Von größeren Webseitenbetreibern und Werbenetzwerkanbietern auf dieser Whitelist erhält Eyeo eine Umsatzbeteiligung.
Springer hält das Programm für eine unlautere Behinderung des Wettbewerbs. Der Verlag ist der Ansicht, dass Eyeo sein Geschäftsmodell durch die Ausschaltung der Werbung gezielt und mit Schädigungsabsicht behindere. Durch den Werbeblocker würden der Inhalt der Website und die Werbung voneinander getrennt, was mit dem Abreißen von Plakatwerbung vergleichbar sei. Die Werbung sichere aber die Finanzierung des Medienangebotes, was den Nutzern bekannt sei und von diesen stillschweigend gebilligt werde. Da Eyeo durch den Abschluss von Whitelisting-Verträgen Einkommen erziele, habe sie ein Interesse an der Aufrechterhaltung von Werbung.
Werbeblocker an sich keine Wettbewerbsbehinderung
Der 6. Zivilsenat des OLG ist der Argumentation von Springer nun teilweise gefolgt. Er hält die Blockade der Werbung als solche nicht für wettbewerbswidrig, wohl aber das von Eyeo gewählte Bezahlmodell des Whitelisting: Die Software sei unzulässig, wenn und soweit die Werbung nur nach vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts nicht unterdrückt wird.
Das Ausschalten der Werbung an sich stelle keine gezielte Behinderung des Wettbewerbs dar, so die Kölner Richter. Die Parteien seien zwar Mitbewerber, weil sie sich in einem Wettbewerb um Zahlungen werbewilliger Unternehmer befänden. Eine Schädigungsabsicht von Eyeo könne nicht vermutet werden. Anders als beim Abreißen von Plakaten werde nicht physisch auf das Produkt des Anbieters eingewirkt.
Vielmehr würden der redaktionelle Inhalt der Website und die Werbung mit getrennten Datenströmen angeliefert, die als solche unverändert blieben. Es werde lediglich im Empfangsbereich des Nutzers dafür gesorgt, dass die Datenpakete mit Werbung auf dem Rechner des Nutzers gar nicht erst angezeigt werden. Es gebe aber keinen Anspruch, dass ein Angebot nur so genutzt wird, wie es aus Sicht des Absenders wahrgenommen werden soll. Auch die Pressefreiheit gebe nicht die Befugnis, dem Nutzer unerwünschte Werbung aufzudrängen.
2/2: Whitelist-Funktion ist aggressive Praktik
Die Whitelist-Funktion ist nach Auffassung des Senats dagegen eine unzulässige aggressive Praktik im Sinne von § 4a Abs. 1 S. 1 UWG. Eyeo befinde sich aufgrund der Blacklistfunktion in einer Machtposition, die nur durch das von ihr kontrollierte Whitelisting wieder zu beseitigen sei. Mit dieser technisch wirkenden Schranke hindere die Softwarefirma Springer daran, seine vertraglichen Rechte gegenüber den Werbepartnern auszuüben.
Das Programm wirke nicht nur gegenüber den Inhalteanbietern wie dem Springer-Verlag, sondern auch gegenüber deren Werbekunden. Als "Gatekeeper" habe Eyeo durch die Kombination aus Blacklist und Whitelist eine so starke Kontrolle über den Zugang zu Werbefinanzierungsmöglichkeiten, dass werbewillige Unternehmen in eine Blockadesituation gerieten, aus der sie sich sodann freikaufen müssten. Dass das Programm im Ergebnis einem Wunsch vieler Nutzer nach werbefreiem Surfen im Internet entgegen komme, ändere daran nichts.
Vielmehr werde die Entscheidungsfreiheit werbewilliger Unternehmen erheblich beeinträchtigt. Jedenfalls größere Webseitenbetreiber und Werbevermittler würden zu Zahlungen herangezogen. Dass die Machtposition erheblich sei, zeige das Beispiel von großen amerikanischen Internetkonzernen, die nach unstreitigem Vortrag der Parteien beträchtliche Zahlungen für ein Whitelisting leisten.
Gerichte entschieden bisher eher pro Werbeblocker
Werbeblocker beschäftigen die Justiz schon seit längerem, bisher aus Sicht der Verlage aber meist erfolglos. Das LG München hielt die Software für rechtlich unbedenklich, ebenso wie das LG Hamburg. In der vergangenen Woche nahm Springer eine Berufung vor dem OLG Stuttgart gegen das Unternehmen Blockr zurück, nachdem der Senat darauf hingewiesen hatte, von der Zulässigkeit von Werbeblockern auszugehen, weil die Nutzer selbst entscheiden könnten, ob sie diese nutzen wollen.
In München hatten die Medienhäuser ProSiebenSat.1 und RTL geklagt, in Hamburg Zeit Online und das Handelsblatt. Bild.de sperrt Nutzer des Programms mittlerweile von ihrer Webseite aus. Blogger, die Nutzern erklärten, wie der Mechanismus von Bild.de umgangen werden kann, wurden abgemahnt. Lediglich das LG Frankfurt a.M. hatte in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zu Lasten des Unternehmens Adblock das Whitelisting einmal für wettbewerbswidrig befunden.
Das Urteil des OGL Köln ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen, weil es um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geht. Update am Tag der Veröffentlichung, 17:48 Uhr: CMS Hasche Sigle, die Eyeo in den Adblocker-Rechtsstreitigkeiten vertreten, kündigten zwischenzeitlich gegenüber LTO bereits an, dass sie für ihre Mandantin Revision einlegen werden.
acr/LTO-Redaktion
OLG Köln zur Zulässigkeit von Werbeblockern: Springer erringt Teilerfolg gegen Adblock Plus . In: Legal Tribune Online, 24.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19787/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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