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20864

OLG Hamm zu Rückstau auf Straßenkreuzung: Nach­zügler müssen beson­ders vor­sichtig sein

14.10.2016

Unfall (Symbolbild)

© Kadmy - Fotolia.com

Wer aufgrund eines Rückstaus im Kreuzungsbereich stehen bleibt, darf diesen vor dem annahenden Querverkehr räumen. Blind vertrauen darf man darauf aber nicht: Mit erhöhter Verweildauer steigen die Sorgfaltsanforderungen, so das OLG Hamm.

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Wer bei grüner Ampel in eine Kreuzung einfährt und dann aufgrund eines Rückstaus den Kreuzungsbereich für längere Zeit nicht räumen kann, darf nicht blindlings auf seinen Status als bevorrechtigter "Nachzügler" vertrauen, sondern muss sich vergewissern, dass eine Kollision mit dem Querverkehr ausgeschlossen ist. Das hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm im jetzt veröffentlichten Urteil vom 26.08.2016 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Essen abgeändert (Az. 7 U 22/16).

Die beklagte Autofahrerin befuhr eine Straße mit ihrem PKW von Westen kommend. In einen Kreuzungsbereich fuhr sie bei Grünlicht ein und kam dann aufgrund eines Rückstaus des Linksabbiegerverkehrs hinter der Fluchtlinie zum Stehen. Nachdem die von ihr passierte Ampel schon mehr als 20 Sekunden Rotlicht zeigte, wollte sie die Kreuzung räumen. Sie ließ einige Autos aus dem von Norden kommenden Querverkehr passieren, bevor es im Kreuzungsbereich dann doch zu einem Zusammenstoß kam.

Der Geschädigte hatte daraufhin Schadensersatz in Höhe von rund 13.900 Euro von der Autofahrerin, von dem Halter des Fahrzeugs und von dessen Haftpflichtversicherung verlangt.

Sorgfaltsanforderungen steigen mit Verweildauer in der Kreuzung

Die Klage hatte vor dem OLG Hamm Erfolg. Die Autofahrerin habe in erheblicher Weise gegen das im Straßenverkehr geltende Rücksichtnahmegebot aus § 1 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen, so der Senat. Sie sei zwar bei Grünlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren. Durch den Rückstau habe sie diesen dann grundsätzlich auch als gegenüber dem Querverkehr bevorrechtigter Nachzügler räumen dürfen. Dabei habe sie aber nicht blindlings darauf vertrauen dürfen, vom Querverkehr vorgelassen zu werden.

Ein Nachzügler habe den Kreuzungsbereich vielmehr vorsichtig unter sorgfältiger Beachtung des einsetzenden Querverkehrs mit Vorrang zu verlassen. Die Anforderungen an seine Aufmerksamkeit erhöhten sich mit seiner Verweildauer im Kreuzungsbereich. Je länger sich ein Nachzügler im Kreuzungsbereich aufhalte, desto eher habe er mit einem Phasenwechsel und anfahrendem Querverkehr zu rechnen. Er müsse dann davon ausgehen, dass der übrige Verkehr aus seinem Verhalten schließen könnte, dass er nicht weiterfahren werde. Deswegen dürfe er nach einer längeren Verweildauer nur dann weiterfahren, wenn er sich vergewissert habe, dass eine Kollision mit dem Querverkehr ausgeschlossen sei. 

Den Fahrer des anderen Fahrzeugs treffe demgegenüber kein Verschulden, dieser habe der Nachzüglerin im konkreten Fall nicht mehr die Möglichkeit geben müssen, die Kreuzung zu räumen. Nachdem deren Ampel bereits über 19 Sekunden Rotlicht gezeigt habe und vor ihm bereits weitere Fahrzeuge in seiner Richtung den Kreuzungsbereich passiert hatten, habe er auf seine freie Durchfahrt vertrauen und nicht mehr mit dem Weiterfahren der beklagten Autofahrerin rechnen müssen.

mgö/LTO-Redaktion

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OLG Hamm zu Rückstau auf Straßenkreuzung: Nachzügler müssen besonders vorsichtig sein . In: Legal Tribune Online, 14.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20864/ (abgerufen am: 11.12.2023 )

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