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Betäubungsmittelfreigabe zur Selbsttötung: Di Fabio kri­ti­siert Suizid-Ent­schei­dung des BVerwG

15.01.2018

Sterbenskranke Seniorin

© bilderstoeckchen - stock.adobe.com

Der ehemalige Richter des BVerfG Udo Di Fabio erklärt ein Urteil des BVerwG aus dem Frühjahr 2017 für verfassungswidrig: Die Richter hatten für eine Freigabe von tödlichen Betäubungsmitteln zum Suizid votiert.

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In einem Gutachten für das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bezieht der frühere Richter des Bundesverfassungsgerichts Udo Di Fabio klar Position gegen die Freigabe von tödlichen Betäubungsmitteln für Suizidenten bezogen: Er kritisiert eine entsprechende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem vergangenen Jahr scharf. Dies geht aus einer am Montag veröffentlichten Mitteilung des BfArM hervor.

Die obersten Verwaltungsrichter hatten im März 2017 entschieden, dass in Extremsituationen, in denen ein Patient unheilbar tödlich erkrankt ist und auch palliativ-medizinische Maßnahmen keine Linderung versprechen, die Freigabe eines tödlich wirkenden Betäubungsmittels durch das BfArM erteilt werden muss (Urt. v. 02.03.2017, Az. 3 C 19.15).

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) muss für den Erwerb von Betäubungsmitteln eine Erlaubnis des Bundesamts erteilt werden. Das gilt jedenfalls, sofern es nicht ärztlich verschrieben wurde, was aufgrund des Berufsethos' und Standesrechts der Ärzte zu Suizidzwecken faktisch nicht geschieht.

Di Fabio: BVerwG greift in Kompetenzbereich des Gesetzgebers ein

Das BVerwG legte § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG aus seiner Sicht verfassungskonform aus. Es nahm an, dass in den beschriebenen ausweglosen Extremfällen die Anwendung eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung ausnahmsweise als therapeutischen Zwecken dienend angesehen werden kann und somit einer Erlaubnis nicht entgegensteht.

In dem Gutachten sollte Di Fabio nach dem Wunsch des Bundesamts nun vor allem die verfassungsrechtlichen Auswirkungen des Urteils und die daraus folgenden Anforderungen an das künftige Verwaltungshandeln im BfArM erläutern. Hierüber herrschte nach der Entscheidung angesichts der nun anstehenden Herausforderung, über den Sterbewunsch eines Patienten entscheiden zu müssen, besondere Unklarheit.

Di Fabio nimmt das zum Anlass, das Urteil des BVerwG inhaltlich scharf zu kritisieren: Er spricht in seinem Gutachten von einem ungerechtfertigten Eingriff in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers, der berechtigt sei, "die Mittel zu verweigern, wenn er in einer 'Assistenz' zur Selbsttötung zugleich Gefahren einer künftig entstehenden Routine zur Verabreichung tödlich wirkender Substanzen bis hin zur gesellschaftlichen Erwartung des Suizids" erkenne.

Eingriff in Persönlichkeitsrecht verneint

Die Verweigerung der Freigabe nach dem Gesetz stelle schließlich auch gar keinen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Patienten dar. Es gebe, meint Di Fabio, gar keine verfassungsrechtliche Schutzpflicht, Sterbewilligen die zum Suizid notwendigen Mittel zu verschaffen oder ihnen den Zugang zu ermöglichen.

Das BVerwG habe mit seiner Entscheidung seinen eigenen rechtspolitischen Willen an die Stelle des Willens des Gesetzgebers gesetzt, so Di Fabio. Das sei ein Verstoß gegen das in Art. 20 Abs. 2 und 3 Grundgesetz (GG) niedergelegte Gewaltenteilungsprinzip und den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes.

Bereits 2016 hatte Di Fabios mit einem Gutachten bundesweite Aufmerksamkeit erregt, als er im Auftrag der bayerischen Staatsregierung zu dem Schluss kam, die Öffnung der Grenzen am 4. September 2015 für Flüchtlinge habe gegen Recht und Gesetz verstoßen.

mam/LTO-Redaktion

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Betäubungsmittelfreigabe zur Selbsttötung: . In: Legal Tribune Online, 15.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26491 (abgerufen am: 15.11.2025 )

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