"Mein Körper, meine Entscheidung", strahlte es vom Eiffelturm herab: Frankreich hat das Recht auf Abtreibung in die Verfassung geschrieben und will damit weltweit Vorbild sein. In Deutschland stehen entsprechende StGB-Normen auf dem Prüfstand.
Eine Abstimmung mit großer Symbolkraft: In Frankreich wird die Freiheit auf Abtreibung in der Verfassung verankert. Die dafür nötige Drei-Fünftel-Mehrheit wurde am Montag in Versailles bei einer Sitzung beider Parlamentskammern erreicht. Nur 72 Abgeordnete stimmten bei 780 Ja-Stimmen dagegen. Anschließend applaudierten die Anwesenden im Stehen. Beide Kammern hatten dem Vorhaben einzeln bereits zuvor grünes Licht gegeben.
Die offizielle Zeremonie zur Verfassungsänderung soll am Weltfrauentag am Freitag, 8. März stattfinden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X: "Frankreichs Stolz. Universelle Botschaft."
Viele feierten die Abstimmung auch als wichtiges Symbol, weil weltweit die Möglichkeiten für einen Schwangerschaftsabbruch teils deutlich eingeschränkt werden. In den USA kippte das Oberste Gericht der USA vor knapp zwei Jahren das bundesweit geltende Recht auf Abtreibung. In Polen war 2021 nach einem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts ein verschärftes Abtreibungsrecht in Kraft getreten. Seitdem dürfen Frauen auch dann keine Abtreibung vornehmen, wenn ein ungeborenes Kind schwere Fehlbildungen aufweist. Der neue Ministerpräsident Donald Tusk will das Abtreibungsrecht jedoch wieder lockern.
Abtreibungen bis zur 14. Woche erlaubt
In Frankreich sind Abtreibungen bis zur zehnten Schwangerschaftswoche bereits seit 1975 straffrei. Mittlerweile können Schwangere in Frankreich bis zur 14. Woche abtreiben, die Kosten übernimmt die Krankenkasse. Umfragen zufolge befürworteten mehr als 80 Prozent der Französinnen und Franzosen die Verfassungsänderung.
In Deutschland bleibt ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. In der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP gibt es aber Überlegungen, den entsprechenden § 218 aus dem Strafgesetzbuch (StGB) zu streichen.
Im Koalitionsvertrag habe die Ampel "die Stärkung der reproduktiven Rechte von Frauen als ein wichtiges Ziel benannt", sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). "Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen", hatten SPD, Grüne und FDP darin festgehalten und verschiedene Vorhaben aufgelistet.
Deutschland überprüft derzeit StGB-Normen
Dazu gehört unter anderem die Einsetzung einer Kommission, die prüfen soll, ob Schwangerschaftsabbrüche weiterhin im StGB geregelt werden sollen. "Der Bericht der Kommission wird Mitte April vorliegen und eine gute Grundlage bieten, um wissenschaftsbasiert über die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch zu sprechen", sagte Paus. "Die verfassungsrechtliche Situation ist in Deutschland aber grundsätzlich eine andere als in Frankreich", fügte sie hinzu, ohne dies näher zu erläutern. Die Union warnte insoweit bereits vor "unverantwortlichen Spaltung" der Gesellschaft.
Von ihren Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt hat die Ampel bereits die Streichung des § 219a StGB (Werbeverbot für Abtreibungen), der Ärztinnen und Ärzte, die ausführlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren wollten, dem Risiko einer Strafverfolgung aussetzte. Vor kurzem von der Regierung auf den Weg gebracht wurde außerdem ein Gesetz gegen sogenannte Gehsteigbelästigungen: Frauen auf dem Weg zu Beratungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sollen zum Beispiel durch Androhung hoher Bußgelder vor Belästigungen durch Abtreibungsgegner geschützt werden.
Abstimmung als "historisch" gefeiert
Auf den Eiffelturm wurden am Montagabend die Worte "mein Körper, meine Entscheidung" projiziert. Darunter jubelten die Menschen, als das Ergebnis bekannt wurde. Sie hatten die Abstimmung auf einem Großbildschirm verfolgt.
Premierminister Gabriel Attal sprach vor der Abstimmung von einer "moralischen Schuld" gegenüber allen Frauen, die gelitten hätten. "Uns verfolgen das Leiden und die Erinnerung an so viele Frauen, die jahrzehntelang darunter gelitten haben, nicht frei sein zu können", betonte er und freute sich über den "erfolgreichen Abschluss eines langen Kampfes". Viele Abgeordnete feierten die Abstimmung als "historisch". Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei La France insoumise (LFI), Mathilde Panot, sah darin ein Versprechen für alle Frauen, die weltweit für das Recht auf Abtreibung kämpften. Frankreich besinne sich auf seine Berufung als "Leuchtturm der Menschenrechte", sagte Panot, die den ersten Entwurf für die Verfassungsänderung eingebracht hatte.
Während der Abstimmung in Frankreich versammelten sich mehrere Hundert Abtreibungsgegner in der Nähe des Kongresses in Versailles, um gegen die Verfassungsänderung zu protestieren. Auch die katholische Kirche machte deutlich, dass sie Abtreibungen weiterhin ablehnt. Die Päpstliche Akademie für das Leben teilte laut dem Sender BFMTV mit: "Im Zeitalter der universellen Menschenrechte kann es kein 'Recht' geben, ein menschliches Leben zu vernichten."
dpa/jb/LTO-Redaktion
Nationalversammlung und Senat stimmen zu: . In: Legal Tribune Online, 05.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54030 (abgerufen am: 09.11.2024 )
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