Will ein Flüchtling seine Kinder per Familiennachzug zu sich holen, so müssen diese minderjährig sein. Wie das gemessen wird, hat nun der EuGH klargestellt. Eine belgische Regelung hielten die Richter für nicht EU-rechtskonform.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einer Entscheidung am Donnerstag klargestellt, zu welchem Zeitpunkt ein Kind minderjährig sein muss, wenn ein Antrag auf Familienzusammenführung gestellt wurde. Nach Ansicht der Richter ist der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich. Wird das Kind danach im Lauf des gerichtlichen Verfahrens dann volljährig, so kann der Antrag deswegen nicht für unzulässig erklärt werden (Urt. V.16.07.2020 Az. C-133/19, C-136/19 und C-137/19).
Hintergrund ist ein Fall aus Belgien. Dort hatte ein anerkannter Flüchtling Familiennachzug für seine minderjährigen Kinder beantragt. Die Anträge wurden mehrfach abgelehnt, die daraufhin eingelegte Klage wurde für unzulässig erklärt. Inzwischen waren die Kinder volljährig geworden und erfüllten aus Sicht des belgischen Rates für Ausländersachen nicht mehr die Voraussetzungen des Familiennachzugs.
Die Luxemburger Richter haben klagestellt, dass das Alter des Kindes nicht erst beurteilt werden darf, wenn die Behörde über den Antrag auf Familienzusammenführung entscheidet. Dies sei mit dem europäischen Recht, welches auch den Schutz des minderjährigen Kindes gewährleiste, nicht vereinbar. Außerdem würde ein Abstellen auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung keine gleiche und vorhersehbare Behandlung aller Antragsteller gewährleisten und zu großen Unterschieden bei der Bearbeitung der Anträge auf Familienzusammenführung führen, so die Richter.
Für Migrationsrechtler Dr. Constantin Hruschka vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und -politik in München ist die Entscheidung des EuGH keine Überraschung. Durch sie nämlich würden das Recht auf Familieneinheit und effektiven Rechtsschutz erheblich gestärkt. Die Entscheidung sei damit eine "konsequente Fortsetzung" der Grundsätze der Entscheidung zum sogenannten umgekehrten Familiennachzug, die die Luxemburger Richter bereits im April 2018 getroffen hätten, so Hruschka.
vbr/LTO-Redaktion
EuGH zum Familiennachzug: . In: Legal Tribune Online, 16.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42224 (abgerufen am: 06.12.2024 )
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