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Grünes Licht trotz deutscher Enthaltung: Euro­pa­par­la­ment stimmt Lie­fer­ketten-Richt­linie zu

24.04.2024

Proteste in Berlin nach der FDP-Blockade der CSDDD

Die von FDP zu verantwortende Enthaltung Deutschlands hat im Ergebnis nichts als Spott gebracht: Die Lieferketten-Richtlinie der EU kommt trotzdem. Foto: picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen
 

Das geplante EU-Lieferkettengesetz hat im EU-Parlament die entscheidende Hürde genommen – trotz Widerstands in der deutschen Bundesregierung. Im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf sind deutlich weniger Unternehmen erfasst.

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Nach langem Ringen gibt es einen mehrheitsfähigen Kompromiss für ein abgeschwächtes europäisches Lieferkettengesetz. Am Mittwoch hat das EU-Parlament in Straßburg für das Vorhaben gestimmt. Deutschland unterstützt die Richtlinie zwar nicht, muss sie aber trotzdem umsetzen.

Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD oder CS3D) nennt sich die Richtlinie in der Hauptverhandlungssprache Englisch. Der Name soll Programm sein: Mit ihr werden Sorgfaltspflichten für Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeitsbelange wie Umwelt- und Klimaschutz (environmental due diligence) sowie Menschenrechte (human rights due diligence) eingeführt. Die Pflichten zur Überwachung des eigenen Unternehmens erstrecken sich über Konzerntochtergesellschaft hinaus auch auf Zulieferer, Abnehmer und sonstige Vertragspartner.

Die CSDDD zielt u.a. darauf ab, Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Sie sollen zudem Berichte erstellen, inwiefern ihr Geschäftsmodell mit dem Ziel vereinbar ist, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Anwendungsbereich der deutschen Rechtslage angenähert

Betroffene Unternehmen müssen nach Angaben des Parlaments etwa vertragliche Zusicherungen ihrer Zulieferer einholen. "Auch müssen sie wenn nötig kleine und mittlere Unternehmen, mit denen sie Geschäfte machen, unterstützen, damit diese den neuen Verpflichtungen nachkommen können", so die Mitteilung.

Vom Regulierungsziel und -ansatz her ähnelt die CS3D dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das seit dem 1. Januar 2023 gilt.

Nach zähen Verhandlungen ähnelt sich nunmehr auch der Anwendungsbereich, also die Größenmerkmale der erfassten Unternehmen. Das LkSG nimmt seit dem 1. Januar 2024 Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden in die Pflicht; zuvor waren Unternehmen erst ab 3.000 Mitarbeitenden erfasst. Auch die CSDDD legt nunmehr langfristig 1.000 Mitarbeitende als Schwellenwert fest. Hinzukommen muss ein Jahresumsatz von über 450 Millionen Euro. Zudem verpflichtet die EU-Richtlinie Franchise-Unternehemn mit einem Umsatz von über 80 Millionen Euro, wenn sie mindestens 22,5 Millionen Euro durch Lizenzgebühren erwirtschaften. Gesellschaften mit Sitz in Drittstaaten, die diese Umsätze innerhalb der EU einfahren, sind ebenfalls erfasst.

Ursprünglich sah ein Kompromiss von Unterhändlern der EU-Staaten und des Europaparlaments vor, dass schon Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz von den Vorgaben betroffen sind (LTO hatte berichtet). Diese Grenze wurde jedoch auf 1.000 Beschäftigte und 450 Millionen Euro angehoben, nach der Übergangsfrist von fünf Jahren. Nach drei Jahren sollen die Vorgaben zunächst für Firmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz weltweit gelten, nach vier Jahren sinken diese Grenzen dann auf 4.000 Mitarbeitende und 900 Millionen Umsatz.

Schadensersatz neben Geldbußben möglich 

Einer der größten Unterschiede zwischen dem deutschen LkSG und der europäischen CS3D betrifft die Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der Sorgfaltspflichten. So sieht das deutsche Recht bislang – im Regelfall – keine zivilrechtliche Haftung auf Schadensersatz vor, sondern Geldbußen und negative Konsequenzen im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe.

Die CSDDD sieht dies beides auch vor, im Vergleich zum LkSG (bis zwei Millionen Euro) ist das angedrohte Höchstmaß der Geldbußen mehr als verdoppelt (bis fünf Millionen Euro). Zudem verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten dazu, auch eine Schadensersatzhaftung einzuführen. Menschen, die durch Unternehmensaktivitäten entlang der Lieferkette geschädigt worden sind, können damit ihren Schaden in der EU geltend machen, gegenüber der Muttergesellschaft oder jedem anderen in der EU ansässigen Glieder der Lieferkette, welches die o.g. Voraussetzungen erfüllt.

Die Mitgliedstaaten sollen zudem eine Aufsichtsbehörde benennen, die den Unternehmen auf die Finger guckt. Über die Einhaltung des LkSG wacht in Deutschland derzeit das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Dieses dürfte auch nach Umsetzung der CSDDD diese Zuständigkeit behalten.

Die Reaktionen: "wenig praxistauglich" bis "wichtiger Schritt"

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht das Vorhaben trotz der Änderungen kritisch. Diese seien aus Sicht der Wirtschaft zwar positiv zu bewerten aber "auch leicht abgespeckt bleibt die EU-Lieferkettenrichtlinie wenig praxistauglich und wird viel Bürokratie mit sich bringen", sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Rechtsunsicherheit bestehe weiter. 

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hatte hingegen eindringlich für das Vorhaben ausgesprochen. Deutschland würde ohne eine EU-Version des Gesetzes einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden erleiden, sagte er.

Der TÜV-Verband sieht in dem Erlass einer europäischen Lieferketten-Richtlinie einen "wichtigen Schritt auf dem Weg zu höheren Umwelt- und Sozialstandards weltweit". Juliane Petrich, Referentin Politik und Nachhaltigkeit, begrüßt vor allem, dass künftig in Europa einheitliche Standards geltend werden. "Die Einführung der EU-Lieferkettenrichtlinie eröffnet der Europäischen Union die Möglichkeit, weltweit eine Führungsposition im Bereich nachhaltiger Lieferketten einzunehmen." Um die Einhaltung der Vorgaben zu gewährleisten, seien Audits und Zertifizierung von zentraler Bedeutung.

The German Sonderweg

Deutschland hat sich bei der Abstimmung im Ausschuss der ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten enthalten. Dies lag – wie des Öfteren – an Uneinigkeit innerhalb der Bundesregierung. Wichtige EU-Gesetze werden in Brüssel immer wieder ohne deutsche Zustimmung verabschiedet. Wenn sich die Bundesregierung auf keine einheitliche Position einigen kann, schwächt das die Verhandlungsposition Deutschlands in Brüssel. In diesem Fall hatte die FDP darauf gedrängt, dass Deutschland dem Gesetz nicht zustimmt, aus Sorge vor Bürokratie und rechtlichen Risiken für Unternehmen. Politiker von SPD und Grünen hingegen befürworten das Vorhaben.

Die Richtlinie muss nun noch formell von den EU-Staaten auf Minister-Ebene abgesegnet werden. Das gilt aber als Formsache, denn Mitte März hatte im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten eine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten ihre Zustimmung signalisiert. Sobald der Gesetzestext im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde, haben die EU-Staaten gut zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen.

mk/LTO-Redaktion mit Material der dpa

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Grünes Licht trotz deutscher Enthaltung: . In: Legal Tribune Online, 24.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54412 (abgerufen am: 14.11.2025 )

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