Spanien durfte zwei Afrikaner, die die Zäune der Enklave Melilla überwanden, sofort nach Marokko zurückschicken. Diese sogenannten Push-Backs verstoßen laut EGMR nicht gegen Menschenrechte.
Spanien durfte nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in seiner Enklave Melilla Migranten bei Grenzübertritt umgehend nach Marokko zurückweisen. Dieses Vorgehen verstoße nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), teilte die Große Kammer des Gerichtshofes am Donnerstag in Straßburg mit (Urt. v. 13.02.2020, Az. 8675/15 und 8697/15).
Die Stadt Melilla gehört zu Spanien, liegt aber in Nordafrika an der marokkanischen Küste. Regelmäßig versuchen afrikanische Flüchtlinge, dort auf spanischen Boden zu gelangen, um einen Asylantrag nach EU-Recht stellen zu können. Die Enklave ist deshalb von drei Zäunen umgeben, die jeweils drei bis sechs Meter hoch sind.
Die Beschwerde gegen Spanien hatten zwei Männer aus Mali und der Elfenbeinküste im Februar 2015 beim EGMR eingereicht. Sie hatten den Gerichtsunterlagen zufolge am 13. August 2014 gemeinsam mit 70 bis 80 weiteren Afrikanern versucht, die Zäune zu überwinden. Als sie auf dem dritten Zaun angekommen waren, sahen sie, dass unten bereits die spanische Polizei auf sie wartete. Nach einigen Stunden kletterten sie dennoch herunter und wurden sofort festgenommen. Ohne Feststellung ihrer Personalien und ohne Befragung zu ihrer individuellen Situation wurden sie dann durch Türen im Zaun zurück nach Marokko gebracht und dort den marokkanischen Grenzbeamten übergeben. Die Beschwerde wurde vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) unterstützt.
Männer hätten offizielle Wege nutzen müssen
Eine siebenköpfige Kammer des EGMR gab den Klägern im Oktober 2017 Recht und billigte ihnen je 5.000 Euro Schadensersatz zu. Spanien habe mit diesen sogenannten Push-Backs gegen das Verbot von Kollektivausweisungen verstoßen und damit Art. 4 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK verletzt. Auch das in Art. 13 EMRK garantierte Recht, eine wirksame Beschwerde erheben zu können, sei verletzt worden. Dagegen legte Spanien Rechtsmittel ein.
Die 17-köpfige Große Kammer des EGMR widersprach der Entscheidung aus 2017 nun. Die beiden Männer hätten sich selbst in eine rechtswidrige Situation gebracht, als sie mit vielen anderen Menschen auf den Zaun geklettert sind, befand nun die große EGMR-Kammer. Sie seien damit bewusst nicht über einen legalen Weg eingereist. So sei das spanische Konsulat in Nador nur etwa 13,5 Kilometer vom Ort des Geschehens im August 2014 entfernt gewesen. Eine Erklärung dafür, warum sich die die beiden nicht dort um internationalen Schutz bemühten, blieben sie laut Gerichtsmitteilung schuldig. Stattdessen hätten sie die Größe der Gruppe bei dem Sturm auf den Zaun ausgenutzt und Gewalt angewendet. Dass sie ohne individuelle Ausweisungsentscheidung zurück nach Marokko gebracht wurden, sei eine Folge ihres eigenen unrechtmäßigen Verhaltens.
Der Umgang der EU mit Migranten an seinen Außengrenzen beschäftigen den Gerichtshof immer wieder. Der EGMR gehört zum Europarat mit Sitz in Straßburg. Die Staatenorganisation fördert die demokratische Entwicklung in seinen 47 Mitgliedsländern.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
EGMR zu Push-Backs nach Marokko: . In: Legal Tribune Online, 13.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40285 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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