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BVerfG zur Wiederaufnahme eines Strafverfahrens: Wenn sich der Ver­g­leich rächt

01.03.2019

Mann im Anzug erhält einen Umschlag von einem Geschäftspartner

© kritchanut - stock.adobe.com

Ein Mann, der sich um die Wiederaufnahme seines Strafverfahrens bemühte, scheiterte knapp ein Dutzend Mal vor den Gerichten. Auf seinem Weg wird ihm nun eine vor dem EGMR geschlossene gütliche Einigung zum Verhängnis, entschied das BVerfG.

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Knapp fünf Jahre stritt ein Mann mit deutschen Gerichten um die Wiederaufnahme seines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Strafverfahrens. Nachdem der Fall zum zweiten Mal ans Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gelangt war, kassierte er nun die vorerst letzte Absage (Beschl. v. 13.02.2019, Az. 2 BvR 2136/17).

Der Streit begann am 6. Mai 2014, als das Amtsgericht Aachen (AG) den Mann wegen Drogendelikten zu einer Freiheitstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilte. Die daraufhin eingelegte Berufung verwarf das Landgericht Aachen (LG), nachdem zwar der Pflichtverteidiger des Mannes zum Berufungstermin erschien, nicht aber der Verurteilte selbst. Dies war nach alter Rechtslage gemäß § 329 Abs. 1 S. 1 Strafprozessordnung (StPO) a.F. noch möglich.

Es folgte ein erfolgloser Wiederaufnahmeantrag beim LG und eine sofortige Beschwerde sowie ein Revisionsantrag beim Oberlandesgericht Köln (OLG) – ebenfalls ohne Erfolg. Nachdem das BVerfG die daraufhin erhobene Verfassungsbeschwerde verwarf, zog der Mann nach Straßburg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). In Straßburg konnte sich der Mann auf einen ähnlich gelagerten Fall beziehen, in dem der EGMR in der Vergangenheit bereits eine Menschenrechtsverletzung durch die Bundesrepublik Deutschland feststellte.

Das Verfahren wurde jedoch nach einer nur kurzen Zulässigkeitsprüfung vom EGMR aus dem Register gestrichen, nachdem sich die Parteien auf Vorschlag des Gerichts gütlich einigten und die Bundesrepublik sich verpflichtete, dem Mann insgesamt 7.000 Euro zu zahlen.

Daraufhin ging es für den Mann zum AG Düren, wo er einen erneuten Wiederaufnahmeantrag stellte, gestützt auf § 359 Abs. 6 StPO. Danach ist die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens dann zulässig, wenn der EGMR eine Verletzung der Menschenrechte festgestellt hat.

BVerfG: Gütliche Einigung nicht gleich Feststellung einer Menschenrechtsverletzung

Eine solche hat das Straßburger Gericht aber eben nicht festgestellt, wie das BVerfG nun entschied, nachdem das AG Düren die Wiederaufnahme verweigert hatte und auch die daraufhin eingelegten Rechtsmittel scheiterten. Denn die gütliche Einigung impliziere gerade keine festgestellte Menschenrechtsverletzung, so das BVerfG.

Das alles insbesondere deshalb, weil sich der EGMR kaum mit dem Fall befasst und schon in einem sehr frühen Stadium den Vorschlag einer gütlichen Einigung gemacht habe. Durch den freiwilligen Abschluss der Einigung habe der Mann gerade verhindert, dass es zu einer Feststellung einer Menschenrechtsverletzung kommen konnte.

Damit steht nach Auffassung der Karlsruher Richter nun fest, dass der Mann durch die Verweigerung der Wiederaufnahme durch das AG Düren weder in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG noch in seinem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt worden ist.

tik/LTO-Redaktion

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BVerfG zur Wiederaufnahme eines Strafverfahrens: Wenn sich der Vergleich rächt . In: Legal Tribune Online, 01.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34163/ (abgerufen am: 09.12.2023 )

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