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BGH zu Corona-Hochzeiten und gestörter Geschäftsgrundlage: Kün­di­gung der Hoch­zeits-Loca­tion nur als ultima ratio

09.02.2023

Leere Hochzeitslocation

Brautpaare können die Mietverträge für die Hochzeitslocation nur ausnahmsweise wegen Störung der Geschäftsgrundlage kündigen. Bild: Peter - stock.adobe.com

Die Corona-Beschränkungen haben viele Hochzeitspläne durchkreuzt. Das trifft nicht nur die Brautpaare hart, sondern auch Vermieter von Hochzeitslocations. Eine Kündigung der Mietverträge kommt laut BGH nur in Ausnahmefällen in Betracht.  

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Brautpaare, deren Hochzeitsfeier aufgrund der Corona-Beschränkungen ins Wasser gefallen ist, können den Mietvertrag für die Hochzeitslocation nicht ohne Weiteres wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kündigen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung klargestellt und einen Fall aus Niedersachsen zurück ans Oberlandesgericht (OLG) Celle verwiesen (Urt. v. 11.01.2023, Az. XII ZR 101/21).

In dem Fall hatte ein Paar vor Beginn der Pandemie ein Schloss für seine Hochzeit gemietet, geplant war eine Feier mit bis zu 120 Menschen im August 2020. Der Mietpreis betrug netto 5.000 Euro zuzüglich weiterer Kosten. Laut der dann geltenden Corona-Verordnung waren Hochzeitsfeiern aber nur noch mit höchstens 50 Personen zulässig, weswegen das Paar im Juli 2020 die Hochzeitfeier in dem Schloss absagte. Der Vermieter verlangte aber dennoch die vereinbarte Miete.

Das OLG Celle hatte entschieden, dass das Paar nicht nach § 326 Abs. 5 BGB zum Rücktritt berechtigt gewesen sei, da die Durchführung der Hochzeitsfeier trotz der Pandemie nicht unmöglich im Rechtssinne geworden sei. Ein außerordentliches Kündigungsrecht auf der Grundlage von § 543 Abs. 1 BGB iVm § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB sei ebenfalls zu verneinen. Es fehle an einem Vorenthalten des vertragsgemäßen Gebrauchs, da die behördlichen Auflagen nicht zu einem Sachmangel der angemieteten Fläche geführt hätten. Zudem fehle es an einer relevanten und schuldhaften Vertragsverletzung des Vermieters. 

OLG muss Fall ereneut prüfen

Das OLG entschied aber, dass dem Paar ein Kündigungsrecht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zustehe. Es sei dem Brautpaar nicht zuzumuten gewesen, zu einem späteren Zeitpunkt zu feiern, weil eine Hochzeit für das Paar "ein ganz besonderes einmaliges Ereignis" darstelle, welches "nicht ohne Weiteres verlegbar sei", so das OLG. Deshalb sei die Geschäftsgrundlage für den Mietvertrag entfallen und das Paar habe wirksam kündigen können. Das OLG hatte allerdings nach richterlichem Ermessen die Vertragsbeziehung an die geänderte Sachlage angepasst und dem Vermieter eine Ausgleichzahlung von insgesamt 2.000 Euro zugesprochen.

Der BGH hat die Entscheidung nun aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen. Die Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage führe nur ausnahmsweise zur völligen Beseitigung des Vertragsverhältnisses und komme als ultima ratio nur dann in Betracht, wenn eine Vertragsanpassung nicht möglich oder einem Teil auch ein Festhalten an dem Vertrag mit angepasstem Inhalt nicht zumutbar sei. Das OLG habe das Kündigungsrecht des Paares aber allein mit der Begründung bejaht, die Hochzeitsfeier sei ein einmaliges und besonderes Ereignis, das nicht ohne Weiteres verlegbar sei. 

Die Karlsruher Richterinnen und Richter bemängelten, dass das OLG die vom Vermieter angebotene Verlegung nicht ausreichend in den Blick genommen habe. Das Paar habe auch keine tragfähigen Umstände dafür vorgetragen, dass eine andere Form der Vertragsanpassung unmöglich oder unzumutbar sei. "Allein die nicht näher begründete Behauptung, eine Verschiebung der Hochzeitsfeier auf einen späteren Termin komme für sie nicht in Betracht, reicht hierfür nicht aus", so der BGH. Dass das Paar zu Verhandlungen nicht bereit war und die Verlegung pauschal ablehnten, zeige im Übrigen, dass sie allein die Aufhebung des Mietvertrags erreichen wollten und damit das Risiko der Absage der Feier einseitig auf den Vermieter verlagern wollten.  

acr/LTO-Redaktion

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BGH zu Corona-Hochzeiten und gestörter Geschäftsgrundlage: Kündigung der Hochzeits-Location nur als ultima ratio . In: Legal Tribune Online, 09.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51022/ (abgerufen am: 08.06.2023 )

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