Druckversion
Freitag, 14.11.2025, 17:47 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/bgh-xi-zr219-19-verbraucher-widerruf-buergschaft-entgeltliche-leistung-unternehmer
Fenster schließen
Artikel drucken
43201

BGH: Kein Ver­brau­cher-Wider­rufs­recht bei Bürg­schaft

von Alexander Cremer

23.10.2020

Bürgschaften

Heinzgerald - stock.adobe.com

Verbraucher können Bürgschaften nicht wie Fernabsatzverträge oder sonstige Verbraucherverträge widerrufen. Wie der BGH entschied, sind die Widerrufs-Regelungen nicht auf die Bürgschaft anwendbar.

Anzeige

Das verbraucherfreundliche Widerrufsrecht schützt nicht davor, eine riskanten Bürgschaft zu übernehmen. Das haben die obersten Zivilrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe entschieden. Das 2014 an eine EU-Richtlinie angepasste deutsche Recht schließe diese Möglichkeit bewusst aus, heißt es in dem jetzt veröffentlichten Urteil aus September (Urt. v. 22.09.2020, Az. XI ZR 219/19).

Verbrauchern steht gemäß § 312g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein 14-tägiges Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Die 14-Tages-Frist beginnt nur zu laufen, wenn der Verbraucher auch über sein Widerrufsrecht informiert wird. Wird er das nicht, erlischt das Widerrufsrecht erst nach 12 Monaten.  

In dem Fall, über den der BGH nun zu entscheiden hatte, hatte der geschäftsführende Alleingesellschafter eines Unternehmens im Dezember 2015 mit bis zu 170.000 Euro für die eigene Firma gebürgt. Als diese wenig später in die Insolvenz schlitterte, kündigte die Bank das Darlehen und forderte das Geld ein. Im September 2016 widerrief der Mann die Bürgschaftserklärung, die er nicht bei der Bank, sondern in der eigenen Firma unterzeichnet hatte. Das sei noch möglich, weil er nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg sah das auch so und wies die Zahlungsklage der Bank ab. Der Unternehmer habe den Vertrag wirksam widerrufen. 

Entgeltliche Leistung des Verbrauchers nicht erfasst

Vor dem BGH hatte die Bank nun aber Erfolg. Die Annahme, der Bürgschaftsvertrag sei wirksam widerrufen worden, sei rechtsfehlerhaft, so der u.a. für das Bankenrecht zuständige XI. Zivilsenat. Das Widerrufsrecht nach § 355 BGB i.V.m. § 312b Abs. 1, § 312g Abs. 1 BGB setze in seiner ab Juni 2014 geltenden Fassung einen Verbrauchervertrag voraus, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand habe. Erforderlich sei, so der BGH, dass der Unternehmer aufgrund eines Verbrauchervertrags die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen habe. "Diese Voraussetzungen eines Widerrufsrechts erfüllen Bürgschaften nicht", so das Urteil. Eine entgeltliche Leistung des Verbrauchers unterfalle der Vorschrift ihrem eindeutigen Wortlaut nach nicht. 

Auch die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB auf Verträge über Finanzdienstleistungen führe nicht zu einem Widerrufsrecht. Bürgschaften oder sonstige Kreditsicherheiten von Verbrauchern würden von dem in § 312 Abs. 5 Satz 1 BGB legal definierten Begriff der Finanzdienstleistung nicht erfasst. Ebenso wenig könne das Widerrufsrecht aus Schutzzweckerwägungen im Wege einer Analogie auf außerhalb von Geschäftsräumen gestellte Verbraucherbürgschaften ausgeweitet werden. Dafür fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. 

Das Hamburger OLG, das den Widerruf für wirksam gehalten und die Klage der Bank abgewiesen hatte, muss den Fall nun neu verhandeln.

Mit Materialien der dpa

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Alexander Cremer, BGH: . In: Legal Tribune Online, 23.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43201 (abgerufen am: 16.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Zivil- und Zivilverfahrensrecht
    • Bürgschaft
    • Verbraucherschutz
    • Vertragsrecht
    • Widerrufsrecht
  • Gerichte
    • Bundesgerichtshof (BGH)
Die Reinigungskraft prüft sorgenvoll die Jacke, die durch unsachgemäße Behandlung beschädigt wurde. Waschhinweise ignoriert. 10.11.2025
Schadensersatz

Waschhinweise beachtet:

Rei­ni­gung rui­niert 1200-Euro-Jacke, haftet aber nicht

Ein Mann bringt seine 1.200-Euro-Jacke in die Reinigung – und bekommt sie mit Flecken zurück. Das Amtsgericht München sieht die Schuld nicht bei der Reinigung: Wer sich an die Herstellerhinweise hält, haftet für Materialfehler nicht.

Artikel lesen
Unternehmer Ole Wittmann präsentiert seine Liköre einem Kameramann 28.10.2025
Lebensmittel

LG Kiel: Likör ohne Ei darf auch so heißen:

"Weil es eben nicht Eier­likör ist"

Eierlikör enthält Ei, ein Likör ohne Ei nicht. Ein Spirituosen-Verband zog ein kleines Unternehmen vor Gericht – ohne Erfolg. Das LG Kiel ließ sich nicht davon überzeugen, dass eine “gedankliche Verbindung” zu Eierlikör hergestellt werde.

Artikel lesen
Das Schwimmbecken eines Hotels wird abgerissen 23.10.2025
Reise

EuGH zum Pauschalreiserecht:

Ist der Urlaub für die Tonne, gibt es alles Geld zurück

Zwei Polen buchten Sonne und Meer – und bekamen stattdessen Staub und Presslufthammer. Der EuGH stellt klar: Für einen komplett ruinierten Urlaub kann es den gesamten Reisepreis zurückgeben, selbst wenn einzelne Leistungen erbracht wurden.

Artikel lesen
Eine Filiale des Netto Marken Discount 09.10.2025
Werbung

BGH bestätigt OLG:

Nettos Wer­bung mit Preis­ra­batt war unzu­lässig

Einzelhändler locken gern mit Preisrabatten. Dabei dürfen sie es der Kundschaft aber nicht unnötig schwer machen, zu erkennen, ob ein Angebot wirklich gut ist. Netto hatte den Referenzpreis in einer Fußnote versteckt, so jetzt auch der BGH.

Artikel lesen
Ein Gitarrist und ein Saxophonist auf einer Bühne. 07.10.2025
Vertragsrecht

AG München zu Klage einer Musikgruppe auf Ausfallhonorar:

Ohne Ton, kein Lohn?

Eine Band war überzeugt: Zwei Auftritte beim Schützenverein seien per WhatsApp vereinbart. Als der Verein absagte, verlangten die Musiker also ein Ausfallhonorar. Das AG München sah jedoch einen Einigungsmangel.

Artikel lesen
Lidl-Plus-App 23.09.2025
Verbraucherschutz

OLG Stuttgart:

Ver­brau­cher­schützer schei­tern mit Klage gegen Lidl-Plus-App

Millionen nutzen die Lidl Plus-App. Verbraucherschützer klagten, weil die Nutzung ihrer Meinung nach nicht kostenlos ist. Die Klage wurde abgewiesen, doch das Verfahren ist wohl noch nicht zu Ende.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat
Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat , Wies­ba­den

Logo von Deutsches Anwaltsinstitut e.V.
Re­fe­rent:in der Ge­schäfts­füh­rung (m/w/d)

Deutsches Anwaltsinstitut e.V. , Bochum

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Frank­furt...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Frank­furt am Main

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Düs­sel­dorf...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Düs­sel­dorf

Logo von ARQIS
Re­fe­ren­dar (m/w/d) Re­gu­lato­ry

ARQIS , Düs­sel­dorf

Logo von DFH Gruppe
Voll­ju­ris­ten/Syn­di­kus­rechts­an­walt (m/w/d) für den Be­reich Pri­va­tes...

DFH Gruppe , Sim­mern

Logo von ARQIS
Re­fe­ren­dar (m/w/d) Re­gu­lato­ry

ARQIS , Ber­lin

Logo von DLA Piper UK LLP
(Se­nior) As­so­cia­te (m/w/x) im Be­reich En­er­gie­recht

DLA Piper UK LLP , Düs­sel­dorf

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
§ 15 FAO - Krisenprävention, Insolvenzreifeprüfung und Haftungsszenarien

17.11.2025, Hamburg

Logo von AnwaltVerein Stuttgart e.V. | AnwaltService Stuttgart GmbH
Baden-Württembergischer Mietrechtstag 2025

18.11.2025

Digitale Kamingespräche: Wie arbeitet man eigentlich im DFG-Fachkollegium Privatrecht?

19.11.2025

Miet- und Bauprozessrecht I - Erstinstanzliches Verfahren

18.11.2025

Aktuelle Entwicklungen bei der Besteuerung von Personengesellschaften – MoPeG-Folgeänderungen

18.11.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH