Das Netz vergisst gemeinhin nichts. Für Betroffene kann das mitunter unangenehm werden. Doch sie haben die Möglichkeit, gegen unliebsame Veröffentlichungen vorzugehen. Wie das geht, hat nun der BGH entschieden.
Im Internet vergessen zu werden, ist ganz schön schwer. Zwar können sich Menschen zum Beispiel dagegen wehren, dass Suchmaschinen wie Google bei den Treffern fragwürdige Artikel über sie anzeigen. Doch müssen sie "relevante und hinreichende Nachweise" vorlegen dafür, dass die darin enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind - oder zumindest ein für den gesamten Inhalt "nicht unbedeutender Teil". So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe entschieden (Urt. v. 23.05.2023, Az. VI ZR 476/18).
Die Betreiber der Suchmaschinen sind indes nicht verpflichtet, diesbezüglich selbst zu ermitteln und Treffer mit möglicherweise falschen Angaben aus den Listen zu nehmen oder gar auf die Betroffenen zuzugehen. Das berge die Gefahr, dass auch solche Links nicht mehr auftauchen, die eigentlich nicht zu beanstanden und für die Information der Öffentlichkeit relevant wären - weil sich die Betreiber die Ermittlungsarbeit sparen wollen, erklärte der Vorsitzende Richter des VI. Zivilsenats am BGH, Stephan Seiters.
Die obersten Zivilrichter und -richterinnen Deutschlands hatten sich an einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) orientiert. Der BGH hatte ihn 2020 für die Auslegung von Art. 17 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zurate gezogen, der das "Recht auf Vergessenwerden" regelt. Im Dezember 2022 entschied der EuGH, dass betroffene die Unrichtigkeit der Informationen nachweisen müssen. Eine Gerichtsentscheidung müssen die Betroffenen laut EuGH aber nicht beibringen.
Der Aufwand, den Betroffene für den Nachweis fehlerhafter Angaben betreiben müssen, soll laut Seiters angemessen sein. Was das genau bedeutet und wann Belege relevant und hinreichend genug sind, müsse allerdings für jeden Einzelfall geprüft werden. Klar ist die Sache, wenn ein Urteil bestätigt, dass die Informationen nicht der Wahrheit entsprechen. Eine Grundvoraussetzung ist darüber hinaus, dass in einem beanstandeten Text überhaupt personenbezogene Daten auftauchen.
Revision nur teilweise erfolgreich
Im konkreten Fall ging es um ein Paar aus der Finanzbranche, das sich im Internet verleumdet sah. Die Kläger wollten, dass mehrere kritische Artikel über ihr Anlagemodell nicht mehr als Treffer auftauchen, wenn man bei Google nach ihren Namen sucht.
Eine US-amerikanische Internetseite hatte die Texte veröffentlicht. Deren Betreiberin war wiederum Vorwürfen ausgesetzt, sie lanciere gezielt negative Berichte, um die Betroffenen damit zu erpressen. Google entfernte die Links zu den Artikeln nicht. Zur Begründung hieß es, man könne nicht beurteilen, ob etwas an den Vorwürfen dran sei.
Der BGH wies die Revision der Kläger nun weitgehend zurück. Bezüglich der Verweise auf die Artikel bestätigte der BGH eine Entscheidung des ebenfalls mit dem Fall befassten Oberlandesgerichts (OLG) Köln, das die Klage abgewiesen hatte. Die Kläger hätten nicht nagewiesen, dass die im Artikel enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind.
Der BGH gab den Klägern aber in dem Punkt Recht, dass keine Fotos mit ihnen ohne jeglichen Kontext in den Trefferlisten angezeigt werden dürfen - sogenannte Vorschaubilder ("Thumbnails"). Ohne Zusammenhang, nur für sich genommen, seien die Fotos nicht aussagekräftig, erläuterte Richter Seiters bei der Verkündung. Hier überwiege das Recht am eigenen Bild - auch wenn man mit einem Klick auf die Seite mit den entsprechenden Texten komme. Das Anzeigen solcher Vorschaubilder sei daher nicht gerechtfertigt gewesen.
Wenn Informationen der Wahrheit entsprächen, sei die Veröffentlichung ohnehin hinzunehmen, führte Seiters weiter aus. Nichts anderes gelte dann auch für Fotos, die mit dem Text publiziert worden seien.
dpa/acr/LTO-Redaktion
BGH zur Auslistung von Google-Suchergebnis: . In: Legal Tribune Online, 23.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51835 (abgerufen am: 02.12.2024 )
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