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BGH: Unter­las­sene Hilfe nach Dro­gen­konsum war Tot­schlag

21.12.2011

Er sah zu, wie seine Freundin Lösungsmittel trank und daran starb. Die Karlsruher Richter entschieden nun: Ein 31-Jähriger muss für sieben Jahre ins Gefängnis - denn er wäre verpflichtet gewesen, die 20-Jährige zu retten. Weil er es nicht tat, habe er sich nach einem Urteil vom Mittwoch wegen Totschlags durch Unterlassen strafbar gemacht.

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Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) sei schon die Annahme, dass sich die Studentin wirklich töten wollte,  fernliegend. Schließlich seien der Mann und seine Freundin im selben Zimmer gewesen. "Muss man nicht damit rechnen, dass der andere eingreift?", fragte eine Richterin in der mündlichen Verhandlung. Außerdem habe sie sich ja zunächst freiwillig erbrochen - was nach Auffassung der Richter dagegen spreche, dass sie wirklich sterben wollte. Deshalb sei der Angeklagte zur Rettung verpflichtet gewesen (Urt. v. 21.12.2011, Az. 2 StR 295/11).

Nachdem ihr Freund sich im Sommer 2009 von ihr trennen wollte, hatte die Trierer Studentin einen Schluck eines Lösungsmittels getrunken, das unter dem Namen "Liquid Ecstasy" auch als Party-Droge bekannt ist. Der Angeklagte habe gewusst, dass die Menge potenziell tödlich ist, so die Richter. Er habe den Tod seiner Freundin billigend in Kauf genommen.

Angeklagte war "Liebe ihres Lebens"

Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Studentin dem acht Jahre älteren Angeklagten "in Hörigkeit und Liebe" zugetan. Sie soll ihn als "Liebe ihres Lebens" bezeichnet haben. Als er sich trennen wollte, soll sie damit gedroht haben, sich umzubringen - zweifelsfrei feststellen ließ sich das nicht mehr.

Klar ist: Er hatte das Lösungsmittel Gamma-Butyrolacton dabei, das er in genau dosierten winzigen Mengen als Drogenersatz nahm. Die Flasche stand auf dem Tisch. Die Studentin trank einen Schluck, etwa ein Schnapsglas. Schon 7 Milliliter können tödlich sein. Der Angeklagte brachte sie noch dazu, sich zu erbrechen. Dann sah er zu, wie sie ohnmächtig wurde.

Der Verteidiger des 31-Jährigen hatte argumentiert, die Studentin habe sich "freiverantwortlich" selbst töten wollen. Deshalb sei der Angeklagte nicht zur Hilfe verpflichtet gewesen.

Dem folgte der BGH jedoch nicht.

dpa/tko/LTO-Redaktion

 

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BGH: Unterlassene Hilfe nach Drogenkonsum war Totschlag . In: Legal Tribune Online, 21.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5155/ (abgerufen am: 24.09.2023 )

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