Seit 2017 gelten vereinfachte Regelungen zur Vermögensabschöpfung bei Straftaten. Eine aktuelle BGH-Entscheidung zeigt, wie weit die Regelungen gehen können: Auch für Mittelsmänner kann es demnach teuer werden.
"Verbrechen lohnt sich nicht": Um diesem Grundsatz zu weiterer Durchsetzung zu verhelfen, hat der Gesetzgeber im Sommer 2017 die Regelungen zur Einziehung der Erträge aus Straftaten deutlich verschärft. Wie weit dies gehen kann, zeigt ein Urteil des Landgerichts (LG) Osnabrück vom 07. November 2019 (Az. 10 KLs 9/19), das nun vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt wurde (Beschl. v. 21.07.2020, Az. 3 StR 211/20).
In dem zugrundeliegenden Verfahren waren zwei Angeklagte vom LG zu jeweils mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt worden. Die Kammer hatte es als erwiesen angesehen, dass die Angeklagten für ukrainische Hintermänner im Jahr 2018 in Deutschland bei verschiedenen Unternehmen Zugmaschinen, Auflieger und Kleintransporter angemietet hatten, um diese angeblich für Warentransporte zu nutzen. Tatsächlich wurden die Fahrzeuge – wie von Anfang an geplant – nach Osteuropa gebracht, wo sie bei den Hintermännern verblieben.
Neben der Haftstrafe ordnete das LG gegen den Hauptangeklagten die Einziehung des Wertes von acht der erlangten Fahrzeuge im Umfang von mehr als 300.000 Euro an. Die Kammer begründete dies damit, dass die Fahrzeuge selbst nicht auffindbar seien. In diesem Fall könne nach dem Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen der Wert der Beute eingezogen werden. Ausreichend sei dafür, dass der Täter zu irgendeinem Zeitpunkt die tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt über die Beute erlangt habe. Dazu sei es weder notwendig, dass der Täter unmittelbar eigenen Zugriff gehabt habe, noch sei entscheidend, ob ihm die Beute dauerhaft verblieben sei.
Tatsächliche Sachherrschaft entscheidend
In dem Fall hatten die Unternehmen die angemieteten Fahrzeuge an von dem Hauptangeklagten angeheuerte Fahrer übergeben, die von dem kriminellen Hintergrund der Anmietung nichts wussten. Die gutgläubigen Fahrer übergaben die Fahrzeuge dann den ukrainischen Hintermännern. Dass dem Angeklagten der Wert der Beute durch die spätere Übergabe der Fahrzeuge an die Hintermänner nicht dauerhaft verblieben sei, spiele nach dem Gesetz keine Rolle, so das LG.
Der Hauptangeklagte legte bezüglich der Einziehungsentscheidung Revision zum BGH ein. Der Generalbundesanwalt schloss sich bereits den Argumenten des Landgerichts an: Auch wenn die spätere Übergabe der Fahrzeuge an die Hintermänner von Beginn an geplant gewesen sei, habe der Angeklagte durch die Übergabe an die seinen Weisungen folgenden gutgläubigen Fahrer für einen relevanten Zeitraum faktisch die Kontrolle über die Beute erlangt. Die anschließende Weitergabe der Fahrzeuge an die Hintermänner stelle sich entsprechend als nachgelagerter Vermögensabfluss dar, der bei der Entscheidung über die Einziehung nicht zu berücksichtigen sei.
Wie die zivilrechtlichen Besitzverhältnisse zwischen dem Angeklagten und den redlichen Fahrern zu beurteilen seien, sei ebenfalls unerheblich. Für die strafrechtliche Einziehung entscheidend sei die vom Angeklagten erlangte tatsächliche Sachherrschaft über die Beute.
Auch der BGH schloss sich dieser Sichtweise nun an und verwarf die Revision. Das Urteil des Landgerichts enthalte keine Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten und sei damit auch hinsichtlich der Einziehungsentscheidung rechtskräftig.
Seit der Reform schöpft die Justiz schöpft hohe Summen ab, das Instrument wird von den Staatsanwaltschaften häufig genutzt. Fraglich ist allerdings, ob die Reform in einigen Fällen nicht zu weit geht. Denn: Die erleichterte Vermögensabschöpfung soll sogar dann möglich sein, wenn die Tat bereits vor dem Inkrafttreten der Reform verjährt war. An dieser Rückwirkung äußerte der BGH verfassungsrechtliche Zweifel und schaltete das Bundesverfassungsgericht ein. Dieses soll klären, ob eine solche Rückwirkung gegen die Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoße. Wann das BVerfG eine Entscheidung dazu fällt, ist aber noch nicht absehbar (Az. 2 BvL 8/2019).
acr/LTO-Redaktion
BGH bestätigt LG Osnabrück: . In: Legal Tribune Online, 05.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42413 (abgerufen am: 01.12.2024 )
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