Können Arbeitnehmer dauerhaft ins Ausland versetzt werden? Grundsätzlich ja, sagt das BAG. Ein Blick in den Arbeitsvertrag kann sich für Arbeitnehmer nach der Entscheidung lohnen.
Eigentlich ging es dem Ryanair-Piloten aus Nürnberg nur darum, dass seine Versetzung ins italienische Bologna für rechtswidrig erklärt wird. Das hat er mit seiner Klage durch alle deutschen Arbeitsgerichtsinstanzen nicht erreicht. Aber er sorgte am Mittwoch in Erfurt für ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG), das sehr viele Arbeitnehmer in Deutschland betreffen kann - vor allem, wenn sie in einem Unternehmen beschäftigt sind, das weltweit agiert.
Arbeitnehmer können dauerhaft ins Ausland versetzt werden, wenn im Arbeitsvertrag nicht etwas anders vereinbart ist, entschied das höchste deutsche Arbeitsgericht (Urt. v. 30.11.2022, Az. 5 AZR 336/21). Das Weisungsrecht von Arbeitgebern zum Arbeitsort gelte nicht nur für Deutschland, sondern auch für Standorte international. Es müsse jedoch eine Einzelfallprüfung geben, ob die Versetzung in ein anderes Land für den Arbeitnehmer zumutbar sei.
Ein Pilot bei einer Tochterfirma der irischen Fluggesellschaft Ryanair hatte gegen seine dauerhafte Versetzung von Nürnberg, wo die Fluggesellschaft ihre Station schloss, zum Flughafen im italienischen Bologna geklagt. Er wollte die Rücknahme der Versetzung nach Italien erreichen, die im Mai 2020 erfolgte. Sein Anwalt verwies darauf, dass sein Mandant dadurch auch Gehaltseinbußen von einigen zehntausend Euro hatte. Im Arbeitsvertrag des Klägers war vereinbart, dass der Pilot auch an jedem anderen Standort des Unternehmens eingesetzt werden kann, und dass sich seine Vergütung dann nach dem dort geltenden System richtet.
Weisungsrecht nicht auf Deutschland begrenzt
Die Quintessenz ihres Urteils formulierten die Richter so: "Der Arbeitgeber kann aufgrund seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts den Arbeitnehmer anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, wenn nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden ist." Vor einer Versetzung ins Ausland müsse es eine zweistufige Billigkeitsprüfung geben, sagte ein Gerichtssprecher. "Ist die Versetzung rechtlich zulässig? Und ist sie im konkreten Fall zumutbar?"
Letztlich ging es um die Auslegung von § 106 der Gewerbeordnung (GewO). Die Norm regelt das Weisungsrecht von Arbeitgebern - seine Anwendung bezüglich des Arbeitsortes ist unter Arbeitsrechtlern umstritten. Der Anwalt des Piloten hielt die vereinbarte Versetzungsklausel im Vertrag seines Mandanten für unwirksam, weil seiner Meinung nach § 106 GewO das Weisungsrecht des Arbeitgebers auf das Territorium der Bundesrepublik begrenzt und keine Versetzung ins Ausland erfasse.
Mit dieser Argumentation konnte er nicht punkten. "Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Gesetz nicht zu entnehmen", so das BAG. die Versetzung des Klägers an die Homebase am Flughafen Bologna sei nach § 106 Satz 1 GewO wirksam.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat nach Meinung des Bonner Arbeitsrechtlers Prof. Gregor Thüsing weitreichende Auswirkungen. Die Arbeitswelt werde immer internationaler. "In vielen Arbeitsverträgen ist kein Arbeitsort festgelegt." Dieser könnte von Arbeitgebern nach betrieblichen Notwendigkeiten festgelegt werden – "allerdings muss den Interessen des Arbeitnehmers hinreichend Rechnung getragen werden."
dpa/acr/LTO-Redaktion
BAG spricht Grundsatzurteil: . In: Legal Tribune Online, 01.12.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50348 (abgerufen am: 09.10.2024 )
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