Das OLG Düsseldorf muss neu über die 30-Millionen-Euro-Kartellbuße gegen die Drogeriemarktkette Rossmann verhandeln, entschied der BGH. Der Grund: Der Kartellsenat hat das Urteil zu spät zu den Akten gebracht.
Peinliche Schlappe für den 4. Kartellsenat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Weil die Richter das Urteil gegen Rossmann nicht innerhalb der Elf-Wochen-Frist abgesetzt haben, hat der Bundesgerichtshof (BGH) es aufgehoben. Das geht aus dem am Dienstag veröffentlichten Beschluss hervor (Beschl. v. 09.07.2019, Az. KRB 37/19).
Rossmann war Ende Februar 2018 vom OLG Düsseldorf wegen einer vorsätzlichen Kartellordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 30 Millionen Euro verurteilt worden (Urt. v. 28.02.2018, Az. V-4 Kart 3/17 OWi). Fünf Handelsketten und der Kaffeeröster Melitta hatten sich mehrere Jahre lang über die Verkaufspreise für Filterkaffee abgesprochen. Laut Bundeskartellamt (BKartA) hatten die Firmen Melitta zugesichert, ein bestimmtes Mindestniveau der Endverkaufspreise einzuhalten, wenn der Röster dafür sorgte, dass sich alle daran hielten. Das Kartellamt verhängte Bußgelder von insgesamt 50 Millionen Euro.
OLG Düsseldorf hatte Buße versechsfacht
Edeka, Kaufland, Metro und Rewe haben einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt und sich damit einen Abschlag beim Bußgeld erkauft. Melitta kam ohne Bußgeld davon, weil das Unternehmen bereits vor der Einleitung des Verfahrens umfassend mit dem BKartA kooperiert hatte. Rossmann sollte 5,5 Millionen Euro Buße zahlen, hat aber gegen den Bescheid Beschwerde beim OLG Düsseldorf eingelegt - und dürfte diesen Schritt bereut haben: Das Gericht hat die Geldbuße auf 30 Millionen Euro erhöht und damit beinahe versechsfacht.
Rossmann legte daraufhin Rechtsbeschwerde zum BGH ein und verzeichnete hier nun einen Etappensieg. Der Kartellsenat des BGH hat das Urteil aufgehoben und verweist es zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf zurück. Anders als beantragt ist das Verfahren aber nicht wegen Verjährung einzustellen.
Elf-Wochen-Frist um rund zwei Wochen überschritten
Rossmann hatte gerügt, dass das Urteil verspätet zu den Akten gelangt sei. Das sah der BGH auch so. Der 4. Kartellsenat hatte das Urteil gegen Rossmann am 28. Februar 2018 nach 24 Hauptverhandlungstagen verkündet. Es hätte dann spätestens nach elf Wochen, also bis zum 16. Mai, abgesetzt werden müssen. Allerdings wurde das 130 Seiten starke Urteil erst am 29. Mai auf der Geschäftsstelle niedergelegt, am Vortag war es fertiggestellt und unterschrieben worden.
Die Absetzungsfrist diene der Verfahrensbeschleunigung und soll zugleich absichern, dass die schriftlichen Urteilsgründe mit dem Ergebnis der Hauptverhandlung übereinstimmen. Sie darf nur "ganz ausnahmsweise wegen unabwendbarer und nicht voraussehbarer Umstände" überschritten werden, schreibt der BGH in seinem Beschluss. Solche Umstände sahen die Karlsruher Richter in diesem Fall aber nicht.
Der Vorsitzende und die Berichterstatterin im Rossmann-Verfahren hatten am 28. und 29. Mai 2018 dienstliche Erklärungen abgegeben, wonach die Berichterstatterin ab dem 11. April aus gesundheitlichen und persönlichen Gründen die Urteilsgründe nicht weiter abfassen konnte und der Vorsitzende diese Aufgabe übernommen hat. Dies rechtfertige die Fristüberschreitung aber nicht ohne Weiteres, so der BGH. Nicht nur der Berichterstatter, sondern alle berufsrichterlichen Mitglieder des Spruchkörpers seien für die Einhaltung der Frist des §275 Abs. 1 Satz2 StPO verantwortlich.
BGH: Beisitzer hätte helfen müssen
Der Senat hätte das Urteil fristgerecht absetzen können, wenn der weitere beisitzende Richter gemeinsam mit dem Vorsitzenden die schriftlichen Urteilsgründe vervollständigt hätte. Die vom Vorsitzenden "hervorgehobene Komplexität des Falls sprach nicht gegen ein solches Vorgehen, sondern hätte es aufgrund der Verantwortung aller erkennenden Richter für die Fristwahrung gerade erfordert", heißt es in den Entscheidungsgründen.
Dass der beisitzende Richter in dieser Zeit damit befasst war, die Hauptverhandlung in einem weiteren Kartellbußgeldverfahren vorzubereiten, sieht der BGH nicht als Hindernis. Die Pflicht, das Urteil rechtzeitig abzusetzen, gehe allen aufschiebbaren Dienstpflichten vor – und die Vorbereitung wäre aufschiebbar gewesen, meinen die BGH-Richter. Gegebenenfalls hätte der Prozessauftakt in der Sache um kurze Zeit verschoben oder die weitere Terminierung geändert werden können.
Es ist nicht das erste Mal, dass der BGH eine Entscheidung der Düsseldorfer Kartellrichter aufhebt. Erst im Juni hatte der BGH eine Entscheidung im Süßwarenkartell (Urt. v. 26.01.2017, Az. V-4 Kart 6/15 OWi) zurückverwiesen – und dies unter anderem mit "durchgreifenden Rechtsfehlern" und einer "lückenhaften" Beweiswürdigung begründet (Beschl. v. 21.06.2019, Az. KRB 10/18). Ende 2018 hob der BGH das Düsseldorfer Urteil im Flüssiggaskartell (Urt. v. 30.03.2015, Az. V-4 Kart 7/10 OWi) auf, da die Bußgelder falsch berechnet waren (Beschl. v. 09.10.2018, Az. KRB 60/17).
Mit Material von dpa
OLG Düsseldorf versäumte Frist: . In: Legal Tribune Online, 14.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37039 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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