Ein Anwalt ohne Robe ist kein Anwalt:Auch wenn er anwesend ist, um seinen Mandanten zu vertreten, kann das Gericht ihn behandeln, als sei er nicht da.Das Anwaltsparlament diskutiert nun aber die Abschaffung der Robenpflicht.
Wenn am Montag in Berlin die 8. Sitzung der 6. Satzungsversammlung bei der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) stattfindet, sollen die Anwälte auch über die Abschaffung ihrer Berufstracht abstimmen. Oder, genauer, über die Pflicht, die Anwaltsrobe vor Gericht zu tragen.
Auf Antrag von Rechtsanwältin Antje Steinhäußer aus Dresden soll § 20 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) künftig wie folgt lauten: "Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte tragen vor Gericht als Berufstracht eine Robe, wenn sie dies aus eigener freier Entscheidung möchten. Eine Berufspflicht zum Tragen einer Robe besteht nicht."
Nach geltendem Recht trägt jeder Anwalt vor Gericht die Robe, "soweit dies üblich ist". § 20 S. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte macht eine Ausnahme vor dem Amtsgericht in Zivilsachen, dort gibt es keine "Berufspflicht zum Erscheinen in Robe". Dennoch wird bei den allermeisten Amtsgerichten, auch in Zivilsachen, durchweg Robe getragen. Es ist ein wenig so, wie man es den Juristen gern nachsagt: Es ist eben so, alle machen es so, das war schon immer so.
Ein Anwalt ohne Robe ist kein Anwalt
Vor dem Amtsgericht gibt es keinen Anwaltszwang, Menschen können sich selbst vertreten und brauchen keinen Anwalt, um überhaupt gehört zu werden. Auch ein Anwalt wird aber von so manchem Gericht gar nicht gehört, wenn er keine Robe trägt. Obwohl er vor Ort ist und seinen Mandanten vertreten möchte, gilt er als nicht anwesend, weil er nicht in Amtstracht auftritt.
So darf ein Strafverteidiger, der sich weigert, eine Robe zu tragen, vom Gericht zurückgewiesen und ein anderer Verteidiger an seiner Stelle bestellt werden. Ebenso in Zivilsachen, sogar vor dem Amtsgericht. So durfte ein Amtsrichter in Augsburg wegen fehlender Robe des Anwalts alle Beteiligten nach Hause schicken und einen neuen Termin bestimmen. Die angefallenen Kosten und der Verdienstausfall wurden dem robenlosen Advokaten nicht erstattet.
Es sind diese Fälle, die Antje Steinhäußer ändern will. Zur Begründung ihres Antrags führt sie an, zuletzt hätten sich Berichte von Anwälten gehäuft, "die davon berichteten, dass ihr Vortrag bzw. ihre Anträge von einzelnen Gerichten nicht gehört bzw. nicht zugelassen wurden, als sie bei Verhandlungen vor dem Landgericht und den Fachgerichten versehentlich ihre Robe vergessen hatten."
Sie will das Tragen der Robe in das Ermessen des einzelnen Anwalts stellen, indem sie das Berufsrecht in § 20 BORA liberalisiert.
Antragstellerin: "Durch Inhalte überzeugen, nicht durch eine Robe"
Reichen dürfte das noch nicht, auch wenn sie mit ihrem Antrag Erfolg hätte. Das Bundesverfassungsgericht geht, "dort, wo gesetzliche Bestimmungen fehlen", davon aus, dass die Pflicht der Anwälte, vor Gericht ihre Amtstracht zu tragen, sich aus bundeseinheitlichem Gewohnheitsrechts ergibt (BVerfG, Urt. v. 18.02.1970, Az. 1 BvR 226/69).
Das muss man so nicht sehen. Dr. Michael Kleine-Cosack vertritt seit jeher die Auffassung, von Gewohnheit könne keine Rede sein und ein Gewohnheitsrecht gebe es schon gar nicht, weil die Einschränkung der anwaltlichen Berufsfreiheit (Art. 12 Grundgesetz) nur durch Gesetz möglich sei. Die Satzungsvorschrift des § 20 BORAsieht der renommierte Berufsrechtler als bloße Sollvorschrift an.
Antje Steinhäußer will § 20 liberalisieren, weil sie davon ausgeht, dass dann auch das BVerfG nachziehen werde. Gegenüber LTO sagte die Dresdner Allgemeinanwältin, sie wolle althergebrachte Traditionen ablegen. "Auf der einen Seite gehen wir in Richtung Digitalisierung und Fortschritt und auf der anderen Seite schleppen wir solche Altlasten mit uns herum". Ihres Erachtens sollten Anwälte vor Gericht durch ihr Auftreten und die Inhalte überzeugen, "nicht durch eine Robe". Jeder Anwalt könne jederzeit seinen Anwaltsausweis vorzeigen, um sich als Anwalt zu erkennen zu geben.
Gegner: "Das äußere Zeichen für die Begegnung auf Augenhöhe"
Die Anwältin bekommt schon Gegenwind, bevor überhaupt in der Satzungsversammlung über ihren Antrag diskutiert wird. Der Vorsitzende desAusschusses für allgemeine Berufs- und Grundpflichten und Werbung, der für das Thema fachlich zuständig ist und dem auchSteinhäußer angehört,hat sie im Vorfeld gebeten, den Antrag nicht weiter zu verfolgen, weil sie "realistischerweise keine große Unterstützung aus den Reihen des Ausschusses erwarten" könne, zitierte sie gegenüber LTO aus einer Mail von Rechtsanwalt und Notar Dr. Hans-Michael Giesen aus Berlin.
Auch Dr. Peter Thümmel, ebenfalls Mitglied des genannten Berufsrechtsausschusses, räumt dem Antrag keine Erfolgsaussichten ein. Das hat er Steinhäußer auch mitgeteilt. Ihr Antrag sei "ein blödsinniges Ansinnen", zitierte der Ehrenpräsident der Kölner Anwaltskammer gegenüber LTO aus seinem Schreiben an die Antragstellerin.
Thümmel ist über 70 Jahre altund nach eigenen Angaben Mitglied des Anwaltsparlaments seit dessen Gründung. Für ihn ist die Robe viel mehr als eine Tradition. Sie zeige vor allem, dass die Anwälte auf Augenhöhe mit Richtern und Staatsanwälte agieren. "Wir haben lange gekämpft, um als Organ der Rechtspflege anerkannt zu werden, auch vom Bundesverfassungsgericht", erinnert er sich. Die Robe sei dafür das äußere Zeichen; für die Beteiligten, aber auch für die Mandanten und Außenstehenden, auf die es vor allem ankomme.
Er schreibt der Anwaltstracht auch eine "ernsthafte Ordnungsfunktion" zu. Insbesondere Menschen aus anderen Kulturkreisen odermit einer anderen Rechtskultur hätten Mühe, sich hier in Deutschland zurecht zu finden, diese deutsche Gerichtskultur zu akzeptieren und zu verstehen.Gerade für diese Menschen sei die Robe Symbol und wichtige Unterstützung: "Schau, Dein Anwalt ist absolut gleichberechtigt mit Staatsanwaltschat und Gericht. Du wirst als fairer Prozesspartner behandelt; das ist das äußere Zeichen dazu". Versuche, die Robenpflicht abzuschaffen, habe es schon öfter gegeben, in seiner langen Amtszeit, sagt Thümmel, aber noch nie mit ernsthafter Aussicht auf Erfolg.
Antragstellerin: Keine Angst, sich die Finger zu verbrennen
Antje Steinhäußer erhofft sich von ihrem Antrag durchaus mehr. Sie hält es für "nicht so offenkundig", dass er am Montag in Berlin abgelehnt wird. Sie bräuchte 48, also die Mehrheit der Stimmen der 95 stimmberechtigten Mitglieder der Satzungsversammlung, die sich aus den Entsandten der regionalen Rechtsanwaltskammern (RAK) zusammensetzen. Hinzu kommen sog. geborene Mitglieder, die Präsidenten der regionalen Kammern; sie haben kein Stimmrecht, können sich aber an der Diskussion im Plenum beteiligen.
Steinhäußer setzt für ihren Antrag nach eigenen Angaben auch auf die in der Satzungsversammlung mittlerweile zahlreich vertretenen Unternehmensjuristen, welche nur selten vor Gericht aufträten und die Robe erst recht als Hindernis ansähen. Zudem sei der Ausschuss für Berufs- und Grundpflichten, dessen Vorsitzender ihren Antrag nicht mittragen will, schließlich nicht das Plenum.
Tatsächlich wird in der Satzungsversammlung ohne Zwang abgestimmt, niemand muss den Vorschlägen des Ausschusses folgen, der für das Thema zuständig ist. Gängige Praxis ist es aber, dass sich vor allem die Mitglieder dieses Ausschusses in der Diskussion zu Wort melden; bei größeren Unstimmigkeiten wird ein Antrag, wenn er nicht zurückgenommen wird, auch schon mal zurückverwiesen in den Ausschuss und noch einmal nachgebessert.
Diese Praxis basiert nicht zuletzt darauf, dass in aller Regel in die Satzungsversammlung nur Themen eingebracht werden, die der für das Thema zuständige Ausschuss zuvor sorgfältig geprüft hat, häufig auch mit Hilfe externer Experten. Ein einzelnes stimmberechtigtes Mitglied ist im Plenum zwar antragsberechtigt, in aller Regel kommen die Anträge aber aus den Ausschüssen ins Plenum. Es ist wie in der Politik: Man versucht, sich im zuständigen Ausschuss Mehrheiten zu sichern, vorher abzuklopfen, wie die Stimmung ist, und sich nicht die Finger zu verbrennen, weil ein Antragdurchfällt. Das würde, geschähe es öfter, wohl sogar auf den Ausschussvorsitzenden zurückfallen.
Die Abschaffung der Robenpflicht hatte bislang im Ausschuss für Berufs- und Grundpflichten nicht viele Befürworter. Antje Steinhäußer hat dennoch keine Angst, sich die Finger zu verbrennen.Das habe sie doch schon getan, sagte sie lachend gegenüber LTO. Sie hat nach eigenen Angaben einen langen, zähen- und erst am Ende erfolgreichen - Kampf gegen die allgemeine Fortbildungspflicht für Rechtsanwälte geführt. Zudem ist dieam Montag stattfindende 8. Sitzung die letzte der 6. Satzungsversammlung.In der neuen Legislaturperiode wird Antje Steinhäußer dem Anwaltsparlament nicht mehr angehören.
Antrag im Anwaltsparlament: . In: Legal Tribune Online, 03.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35185 (abgerufen am: 16.10.2024 )
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