Die AOK darf bei ihren Berichten über Pflegeheime im Internet bis auf weiteres keine Suche nach Risikokriterien anbieten. Eine Hintertür lässt der Beschluss des LSG Essen dabei offen: Als separates Angebot soll diese Funktion durchaus erlaubt sein. Mit den klaren Regelungen in der für die Kassen geltenden Vereinbarung ist das jedoch unvereinbar, meint Dominique Hopfenzitz.
Bisher konnten Nutzer auf einer Internetseite der AOK nicht nur die Ergebnisse der Qualitätsprüfungsergebnisse und die damit verbundenen Noten in den Altenheimen einsehen, sondern zusätzlich die Darstellung auf- und absteigend nach "guten" und "weniger guten" Pflegeheime filtern lassen. Die entsprechende Funktion sollte dem Verbraucher, insbesondere den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, als Warnhinweis dienen.
Dabei tauchte im Rahmen der Suche ein Popup mit folgendem Text auf: "Genau hinschauen. Zwischen den Pflegekassen und den Pflegeheimen ist vereinbart, dass alle Aspekte der Qualität in Pflegeheimen gleich gewichtet werden. Das hat zur Folge, dass solche pflegerischen Faktoren nicht auf Anhieb erkennbar sind, die für die Gesundheit des Heimbewohners von besonderer Bedeutung sind ('Risikofaktoren'). Für die Beurteilung der Risikofaktoren eines Pflegeheims betrachten Sie die Benotung der Risikofaktoren im Bereich 'Pflege und medizinische Versorgung'."
Unterstützt wird die Funktion noch durch rote Warntafeln, wie man sie aus dem Straßenverkehr kennt. Die AOK warnt vor Kriterien, die sie für besonders wichtig hält. Hierzu zählen etwa mögliche Druckstellen bei Gepflegten aufgrund Wundliegens, die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, Inkontinenz, Vorbeugung von Stürzen und die Bewegungseinschränkung der Gelenke.
Möglicherweise Berufsfreiheit der Heimbetreiber verletzt
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hält diese Art und Weise der Veröffentlichung des Transparenzberichts über das klagende Heim für offensichtlich rechtswidrig (Beschl. v. 05.05.2011, Az. L 10 P 7/11 B ER). Die Richter machen deutlich, dass eine Veröffentlichung der Qualitätsergebnisse nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und der zwischen den Parteien geschlossenen Pflegetransparenzvereinbarung stationär (PTVS) erfolgen darf.
Soweit diese Voraussetzungen nicht eingehalten werden, ist der Altenheimbetreiber möglicherweise in seiner Berufsfreiheit nach Art. 12 Grundgesetz verletzt. Dabei präzisierte das Gericht die Möglichkeit des Eingriffs dahingehend, dass dieser nicht nur dann vorliegt, "wenn eine berufliche Tätigkeit unterbunden wird, sondern auch, wenn der Markterfolg behindert wird." Weiterhin führen die Richter aus: "Da die Veröffentlichung der Transparenzberichte grundsätzlich geeignet sein kann, Wettbewerbs- und Grundrechte der Pflegeheimträger zu verletzen, ist sie nur in der Gestalt erlaubt, wie sie von der PTVS vorgegeben wird."
Die von der AOK eingerichtete Such- und Sortierfunktion verstößt nach Ansicht des Gerichts hier offensichtlich gegen die PTVS. Die Vereinbarung wurde Ende 2008 unter anderem zwischen den Pflegekassen und den Heimträgern geschlossen.
Die Richter führen dazu aus, dass "abgesehen davon, dass eine Sortierung der Transparenzberichte nach irgendwelchen Risikokriterien in der PTVS überhaupt nicht vorgegeben ist, [...] die von den Antragsgegnerinnen vorgenommene Auswahl der neun Risikokriterien nirgendwo in der PTVS eine Stütze [findet]."
Mit der Auswahl der Risikokriterien gebe die AOK ihrer Überzeugung Ausdruck, dass diese Kriterien für die Wahl des Pflegeheims für die Nutzer von überragender Bedeutung seien. "Dies wird durch den Inhalt des so genannten Warnhinweises noch unterstrichen. Die PTVS selbst gewichtet jedoch an keiner Stelle ihre Transparenzkriterien oder gibt bestimmten Kriterien vor anderen den Vorrang."
Andere Pflegeeinrichtungen müssten selbst klagen
So schlüssig diese Argumentation ist, so kritisch muss man die vom LSG außerdem geäußerte Meinung sehen, dass gegen eine separate, von der PTVS unabhängige Such- und Sortierfunktion grundsätzlich unproblematisch sei: "Der Senat weist darauf hin, dass er gegen die von den Antragsgegnerinnen angebotene Sortierfunktion dann keine Bedenken hätte, wenn sie mit der Suchmaske für die Transparenzberichte, wie sie nach der PTVS vorgegeben ist, nicht verknüpft wäre, also als eine gesonderte und insbesondere nicht verlinkte Leistung zur Verfügung stünde. Dies ist jedoch - bislang - nicht der Fall".
Da die Qualitätskriterien auf Grundlage der PTVS erhoben werden und dort auch vorgegeben ist, wie die Ergebnisse verwendet und veröffentlicht werden dürfen, ist eine Nutzung der aus den Qualitätsprüfungen gewonnenen Ergebnissen druch die AOK und andere Pflegekassen nur zu dem vereinbarten Zweck erlaubt. Dieser besteht in der Erhebung und Darstellung der Pflegenoten anhand eines Transparenzberichts nach Maßgabe der Anlagen 1 bis 4 zur PTVS.
Im Einzelnen regeln diese die Kriterien der Veröffentlichung, die Bewertungssystematik, Ausfüllanleitungen für die Prüfer und schließlich die Darstellung der Prüfergebnisse. Für eine anderweitige Verwendung der Ergebnisse verbleibt aus datenschutzrechtlichen Gründen und auf Grundlage der bisherigen PTVS kein Raum.
Die Entscheidung ist bisher nur zugunsten der klagenden Pflegeeinrichtung ergangen. Hiervon bleibt die Verpflichtung zur Unterlassung hinsichtlich anderer geprüften Altenheime unberührt, da eine allgemeine kumulative Entscheidung gegen dieses Vorgehen nicht möglich ist. Andere stationäre Pflegeeinrichtungen müssten demnach selbst ein Verfahren betreiben, wenn sie das eigenmächtige Vorgehen der AOK missbilligen. Soweit auf der Internetseite ersichtlich ist, führen die Betreiber ihre bisherige Praxis bei anderen Pflegeeinrichtungen nämlich fort.
Der Autor Dominique Hopfenzitz ist selbständiger Rechtsanwalt und angestellter Volljurist beim Caritasverband für die Diözese Münster e.V. Er berät schwerpunktmäßig stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen.
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Transparenzberichte von Pflegekassen: . In: Legal Tribune Online, 23.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3341 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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