Nach der überraschenden Aufhebung der Freigabeentscheidung des Bundeskartellamtes durch das OLG Düsseldorf steht die Übernahme von Kabel BW durch Unitymedia auf der Kippe. Dabei wurde der milliardenschwere Zusammenschluss der beiden Kabelnetzbetreiber längst vollzogen. Unitymedia hat nun Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt. Wie es danach weitergeht, erklärt Sören Rößner.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 14. August 2013 (Az. VI Kart 1/12 [V]) hat die Kabelbranche aufhorchen lassen. Knapp zwanzig Monate nach der Freigabe der 3,16 Milliarden Euro schweren Übernahme des Kabelnetzbetreibers Kabel Baden-Württemberg durch die Unitymedia-Eignerin Liberty Global hob der Erste Kartellsenat den entsprechenden Beschluss des Bundeskartellamtes auf und gab damit den Beschwerden von Netcologne und der Deutschen Telekom statt.
Damit ist das Schicksal eines der bedeutendsten Zusammenschlussvorhaben der vergangenen Jahre im Bereich des deutschen Breitbandkabelmarktes wieder offen. Unitymedia und Kabel BW sind, mit insgesamt 12,6 Millionen angeschlossenen Haushalten in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, hinter dem Branchenprimus Kabel Deutschland die beiden größten deutschen Kabelnetzbetreiber.
Freigabebedingungen nicht ausreichend
Die Bonner Kartellwächter hatten die Freigabe des Milliardendeals mit diversen Verpflichtungen verbunden. So mussten Unitymedia und Kabel Baden-Württemberg den Vertragspartnern ihrer größten Gestattungsverträge mit der Wohnungswirtschaft ein unbefristet und unwiderruflich geltendes Sonderkündigungsrecht einräumen.
Außerdem hatte das Bundeskartellamt hinsichtlich aller Gestattungsverträge den Verzicht auf sämtliche Exklusivitätsrechte bezüglich der Breitbandversorgung sowie mit Blick auf die Hausverteilnetze den Verzicht auf das Eigentum und Rückbaurechte vorgesehen. Schließlich waren die Zusammenschlussbeteiligten zur Einspeisung von unverschlüsselten Free-TV-Signalen im SD-Format, also zur Aufgabe der sogenannten Grundverschlüsselung, verpflichtet worden. In der Folge erfüllten Unitymedia und Kabel BW die Verpflichtungen und vollzogen die Fusion.
Obwohl die Effektivität dieser Maßnahmen bereits während des langwierigen und umfangreichen Fusionskontrollverfahrens von zahlreichen Marktteilnehmern in Frage gestellt worden war, kam die gerichtliche Aufhebung der Freigabe eines derart bedeutsamen Deals doch überraschend. Das OLG Düsseldorf folgte der Argumentation von Netcologne und der Deutschen Telekom, dass die Bedingungen und Auflagen nicht geeignet gewesen seien, die aus der Fusion resultierende Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von Unitymedia auf dem leitungsgebundenen Signalmarkt hinreichend zu kompensieren.
Kabel BW als potentieller Wettbewerber
Zudem sei aufgrund ausreichend konkreter Anhaltspunkte mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass ohne den Zusammenschluss in den nächsten Jahren im Netzgebiet von Unitymedia, also in Hessen und Nordrhein-Westfalen, potentieller Wettbewerb durch Kabel Baden-Württemberg entstehen würde.
Doch wie geht es nach diesem Paukenschlag weiter? Das OLG Düsseldorf hat die Rechtsbeschwerde gegen seinen Beschluss an den Bundesgerichtshof (BGH) nicht zugelassen. Hierfür bestand nach Ansicht des Senats kein Anlass, weil die sachliche und räumliche Marktabgrenzung des Signalmarktes sowie die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch die strukturelle Verhinderung zukünftigen potentiellen Wettbewerbs keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung seien.
Das Gericht habe bei seiner Entscheidung höchstrichterlich geklärte Grundsätze zur Marktabgrenzung und zur Verstärkungswirkung angewendet und mit Erwägungen und Interessen begründet, die in dem zu entscheidenden Fall von Bedeutung gewesen seien. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde sei auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, da keine Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung vorliege.
Nichtzulassungsbeschwerde als vorerst letztes Mittel
Abgesehen von der Geltendmachung absoluter Rechtsbeschwerdegründe, die jedenfalls nicht auf der Hand liegen, bleibt somit nur noch die Nichtzulassungsbeschwerde, um den Düsseldorfer Richterspruch anzugreifen. Unitymedia hatte bereits unmittelbar nach der Verkündung des Beschlusses erklärt, alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausschöpfen zu wollen. Wie am vergangenen Freitag bekannt wurde, ist dieser Schritt nun durch Einlegung einer entsprechenden Beschwerde erfolgt, über die der BGH zu entscheiden haben wird. Fraglich ist jedoch, ob es Unitymedia tatsächlich gelingt, durchgreifende Zulassungsgründe geltend zu machen.
Der Ball liegt also nunmehr in Karlsruhe. Sollte der BGH die Rechtsbeschwerde nicht zulassen und die Aufhebung der Freigabeentscheidung durch das OLG Düsseldorf somit rechtskräftig werden, müsste das Bundeskartellamt unter Berücksichtigung der Maßgaben des Gerichts erneut prüfen, ob die Fusion unter geänderten Bedingungen und Auflagen freigegeben werden kann. Dies müsste auch dann geschehen, wenn der BGH die Rechtsbeschwerde zwar zulässt, sie am Ende jedoch zurückweist.
Droht die Rückabwicklung des Milliardendeals?
Sofern das Bundeskartellamt zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass eine Freigabe selbst bei Auferlegung deutlich weitergehender Verpflichtungen nicht in Betracht kommt, wäre der Zusammenschluss aufzulösen, wenn ihn nicht der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie auf Antrag erlaubt. Dies wiederum würde entsprechende gesamtwirtschaftliche Vorteile der Fusion oder ein überragendes Interesse der Allgemeinheit voraussetzen.
Allerdings kann die durch den Zusammenschluss eingetretene Wettbewerbsbeschränkung auch auf andere Weise als durch Wiederherstellung des früheren Zustands beseitigt werden; eine Rückabwicklung der Fusion wäre also nicht zwingend. So war von Liberty Global schon vor Anmeldung des Vorhabens für den Fall der Untersagung des Deals durch das Bundeskartellamt vorgesehen, dass JPMorgan, eine der involvierten Banken, Kabel BW vorübergehend übernimmt und weiterverkauft. Bis es jedoch soweit ist, dürfte angesichts des Umfangs und der Komplexität der zu klärenden Fragen noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen.
Der Autor Sören Rößner, LL.M. ist Rechtsanwalt und Mitgründer der Kanzlei MMR Müller Müller Rößner, Berlin, die unter anderem auf das Telekommunikationsrecht, das Medienrecht und das Urheberrecht spezialisiert ist. Zudem fungiert er als Justiziar des Fachverbandes für Rundfunk- und BreitbandKommunikation (FRK).
Sören Rößner, Milliardendeal vor dem Aus: . In: Legal Tribune Online, 27.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9696 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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