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NRW-Pläne gegen illegale Autorennen: Fahr­verbot, Auto weg, bis zu drei Jahre Haft

von Adolf Rebler, Dr. jur.

11.07.2016

Illegales Autorennen (Symbolbild)

© jkpix - Fotolia.com

NRW will illegale Autorennen unter Strafe stellen. Wer daran teilnimmt, bekommt ein langes Fahrverbot, das Kfz kann eingezogen werden, erhebliche Haftstrafen drohen.  Schöne Idee, meint Adolf Rebler. Aber was ist nochmal ein Rennen?

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NRW-Pläne gegen Autorennen

Der Fuß spielt mit Gaspedal, die Augen sind halb auf die rote Ampel, halb auf den Konkurrenten auf dem Fahrstreifen nebenan gerichtet. Wenn die Ampel umspringt auf Grün, rasen die Autos mit quietschenden Reifen und Vollgas los - bis zu nächsten Ampel.

Solche Szenen spielen sich allzu oft nicht auf der Formel-1-Strecke ab, sondern auf öffentlichen Straßen irgendwo in Deutschland. Neben den Innenstädten sind auch deutsche Autobahnen als Rennstrecken beliebt - und das nicht nur bei den Haltern aufgemotzter Mittelklassewagen. Da es im Unterschied zu den Nachbarstaaten in Deutschland auf den Autobahnen kein Tempolimit gibt, sind die Transitstrecken ein interessantes Ziel für zahlungskräftige Halter edler Schlitten, die diese gerne mal am Limit testen wollen. 

Sie alle verlieren allzu leicht die Kontrolle über das Geschehen. Wenn es kracht, sind die Folgen meist schwer, häufig sind unbeteiligte Dritte betroffen. Aufgerüttelt von einigen schweren Unfällen in den letzten Monaten, möchte das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) bereits die Teilnahme an illegalen Autorennen unter Strafe stellen. Kommt nämlich niemand zu Schaden, kommen die Raser bisher mit einem Bußgeld von 400 Euro, einem Monat Fahrverbot und 2 Punkten davon. Für den Veranstalter eines Rennens sieht der Bußgeld-Katalog 500,- Euro vor.

NRW-Pläne: 3 Jahre Haft für Teilnahme an Rennen

Das reicht nach Ansicht von NRW-Justizminister Thomas Kutschaty nicht aus. NRW hat daher am Freitag einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht, der künftig mit einem neuen  Straftatbestand des § 315d Strafgesetzbuch (StGB) illegale Kraftfahrzeugrennen unter Strafe stellen will. Wer ein Rennen veranstaltet oder daran teilnimmt, dem drohen  bis zu drei  Jahren Haft.

Die Fahrerlaubnis soll dann im Regelfall entzogen und eine Sperrfrist verhängt werden, das illegale Rennen soll dazu zum Katalog der Regelbeispiele in § 69 Absatz 2 StGB hinzugefügt werden. Damit will der Entwurf nachhaltiger auf die Betroffenen einwirken können, als es nach Ansicht von Kutschaty mit dem heute maximal erlaubten Fahrverbot von drei Monaten möglich ist.

Werden  bei einem solchen Rennen Leib und Leben eines Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, erfüllt nach dem Entwurf den Straftatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs ( § 315c StGB).

Vervollständigt werden die neuen Strafvorschriften durch einen Qualifikationstatbestand in den Fällen, in denen wenigstens fahrlässig durch die Tat der Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht wurde. § 315d Abs. 2 StGB-E ist ein Verbrechenstatbestand, normiert also eine Mindeststrafe von einem Jahr, nur in minder schweren Fällen kann der Täter ausnahmsweise mit "nur" sechs Monaten  Haftstrafe davon kommen.

Was schon verboten ist und was eine Strafnorm ändern würde 

2/2: Was verboten ist

Verboten sind Rennen auf öffentlichen Straßen allerdings bereits jetzt. § 29 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung – StVO ("Übermäßige Straßenbenutzung")  untersagt sie grundsätzlich.

Zwar ist dieses Verbot nicht absolut: nach § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO können Ausnahmen zugelassen werden. Nach Zulassung einer Ausnahme fällt die Verbotsschranke, das Rennen wird zu einer "normalen" erlaubnispflichtigen Veranstaltung nach § 29 StVO und ist dann rechtlich genauso zu beurteilen wie ein Umzug bei einem Schützenfest, ein Faschingsumzug , eine größere Radtour oder ein Straßenfest. Die Straßenverkehrsbehörde, welche die Veranstaltung "Rennen" dann genehmigt,  hat  aber dafür zu sorgen, dass die Strecke gesperrt wird und dass der offizielle Veranstalter Sicherheitsvorkehrungen trifft, damit während der Durchführung des Rennens kein Unbeteiligter geschädigt oder verletzt wird.

Verboten ist jede Art von Rennen, also alle Wettbewerbe und Veranstaltungen zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten oder höchsten Durchschnittsgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen; das organisierte und erst recht das nicht organisierte, auch "wilde" Rennen, die spontan und ohne vorherige Ansprache an der Ampel stattfinden, sind verboten.

Selbst Oldtimer-Rallyes gehören, wenn sie auf Zeit gefahren werden,  zu den Rennen i. S. von § 29 StVO. Handelt es sich  aber nur um "ein Vorzeigen im Rahmen einer gemeinschaftlichen Fahrt", also mehr oder weniger um eine gesellschaftliche Veranstaltung, fehlt der Charakter des Rennens.

Indizien für ein verbotenes Rennen

Erfährt die Polizei, dass ein (organsiertes) Rennen läuft, wird sie versuchen, dieses stillzulegen. Dazu darf sie auch die Fahrzeuge sicherstellen. Diese Regelung bleibt ausdrücklich auch in dem von NRW vorgelegten Entwurf erhalten, zur nachhaltigen Einwirkung auf die Teilnehmer an illegalen Rennen soll auch die Einziehung ihrer Kraftfahrzeuge ermöglicht werden.

Soll nämlich ein illegales Rennen stattfinden, können präventiv-polizeiliche Maßnahmen nicht nur gegen den Veranstalter, sondern auch gegen die einzelnen Teilnehmer gerichtet werden.

Auch die bloße Teilnahme an einer unerlaubten motorsportlichen Veranstaltung ist eine relevante Beteiligung und damit als Ordnungswidrigkeit einzustufen. Um deren Begehung zu verhindern, können die (voraussichtlich) am Rennen teilnehmenden Fahrzeuge sichergestellt werden (BayVGH, Beschl. v. 07.12.2009, Az.10 ZB 09.1354).

Versucht ein Veranstalter, den "Renncharakter" der Veranstaltung zu verschleiern, ist die Polizei auf Indizien angewiesen. Die reichen von der Verwendung renntypischer Begriffe bei der Beschreibung der Veranstaltung über gemeinsame Start-, Etappen- oder Zielorte, den  nahezu gleichzeitigen Start aller Fahrzeuge, Startnummern und Werbung an den Fahrzeugen oder die Fahrtstreckenbeschreibung in einem Roadbook bis hin zur (eventuellen verdeckten) Zeitnahme und der  Wertung der Ergebnisse.

Aber auch die Verbindung zwischen den Teilnehmern (per Funk, GPS o. ä.); Vorjahresberichte über die gleiche Veranstaltung,  aktuelle Medienberichte oder Erkenntnisse aus polizeilichen Lageberichten und festgestellte Verkehrsverstöße im In- und Ausland können für ein Rennen sprechen. Und schließlich können konspirative Maßnahmen wie Gegenobservationen, ein Vorausfahrzeug o.ä. und ein  hoher Organisationsgrad der Veranstaltung auf ein Rennen hindeuten.

Was eine Strafvorschrift ändern würde – und was nicht

Die Einhaltung der geltenden Verkehrsregeln oder das Fahren im Konvoi widersprechen  dem Renncharakter nicht, auch Hinweise des Veranstalters, dass Verkehrsvorschriften einzuhalten sind, sind für die rechtliche Einordnung als Rennen unerheblich. 

Gelingt es der Polizei nicht, das Rennen vorab zu unterbinden, sollen Teilnehmer und Veranstalter künftig also unter das Strafrecht fallen. Damit erhält ein Verstoß gegen die harmlose Vorschrift des § 29 StVO den Stellenwert, der  ihm angemessen ist. Ein Rennen ist nicht einfach eine übermäßige Straßenbenutzung  wie beispielsweise ein Straßenfest.

Bereits die psychologische Wirkung einer Strafandrohung kann Täter abschrecken. Im Einzelfall den Nachweis zu führen, dass tatsächlich ein Rennen gelaufen ist, wird aber genau so schwierig bleiben wie bisher.

Der Autor Dr. Adolf Rebler ist Regierungsrat der Regierung der Oberpfalz, Regensburg.

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Adolf Rebler, NRW-Pläne gegen illegale Autorennen: Fahrverbot, Auto weg, bis zu drei Jahre Haft . In: Legal Tribune Online, 11.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19946/ (abgerufen am: 10.06.2023 )

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