Am kommenden Donnerstag werden im Bundestag drei neue Verfassungsrichter:innen gewählt. LTO kennt die Namen: Thomas Offenloch, Martin Eifert und Rhona Fetzer.
Schon in einer Woche sollen zwei Richter:innen des Bundesgerichtshofs (BGH) und ein Rechtsprofessor zu neuen Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gewählt werden. Doch die Politik gestaltet das Verfahren wieder einmal möglichst intransparent - so als ob man etwas zu verbergen hätte.
Offiziell bekannt ist bisher nur, dass der Wahlausschuss, der im Bundestag die Verfassungsrichter:innen vorschlägt, am Montag zusammenkommt und drei Richter:innen wählen soll: zwei Verfassungsrichter:innen für den Zweiten Senat und eine Person für den Ersten Senat. Auf der Tagesordnung werden aber nicht die Kandidat:innen genannt, die nach den Vorabsprachen der Fraktionen gewählt werden sollen. Dass die endgültige Wahl im Plenum am kommenden Donnerstag stattfinden soll, steht noch nicht einmal auf der Tagesordnung des Bundestags.
Der Gesetzgeber hält es für ausreichend, wenn die Verfassungsrichter:innen erst am Tag ihrer Wahl namentlich bekannt werden. Doch in einer lebendigen Demokratie finden sich in den letzten Tagen vor der Wahl meist doch undichte Stellen. So zum Glück auch diesmal.
Drei Richter:innen sind zu wählen
Die Amtszeiten von Monika Hermanns und Peter M. Huber am Zweiten Senat sind bereits am 15. November abgelaufen. Sie bleiben aber im Amt, bis ihre Nachfolger:innen vom Bundespräsidenten die Ernennungsurkunde erhalten haben.
Am Ersten Senat endet die Amtszeit von Susanne Baer zwar erst am 1. Februar 2023. Die Neuwahl von Baers Nachfolger wird nun aber gleich in einem Rutsch miterledigt. Dies ist möglich, denn die Wahl darf gemäß § 5 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bereits drei Monate vor Ende der Amtszeit stattfinden.
Rhona Fetzer
Nachfolgerin von Monika Hermanns soll die Richterin Rhona Fetzer werden. Wie Hermanns wurde sie von der SPD vorgeschlagen. Die 59-Jährige ist seit 2009 Richterin am BGH und seit Mai 2022 Vorsitzende des 8. Zivilsenats. Dort ist sie unter anderem für Kauf- und Mietrecht zuständig, also für "das pralle Leben", wie sie neulich in einem SWR-Interview sagte. Dabei erzählte sie auch, wie sie bereits im Alter von 14 Jahren beschlossen hat, Jura zu studieren, auf Anraten ihres amerikanischen Patenonkels. In den ersten Semestern habe sie dann gemerkt, dass sie lieber Richterin als Anwältin werden möchte, wegen der "Gestaltungskraft" und der Verantwortung. Die Gestaltungsmöglichkeiten werden am BVerfG eher noch wachsen.
Thomas Offenloch
Wie Fetzer kommt auch Thomas Offenloch aus der baden-württembergischen Justiz. Vorgeschlagen wurde er von der FDP. In der Amtszeit des Stuttgarter FDP-Landesjustizministers Ulrich Goll war Offenloch zweimal ans Landesministerium abgeordnet. Beim zweiten Mal stieg er bis zum Leitenden Ministerialrat auf. Von dort wurde Offenloch 2013 an den BGH gewählt. Er gehört dem 6. Zivilsenat an, seit 2019 ist stellvertretender Vorsitzender des Senats für Notarsachen.
Der Name Offenloch weckt in Baden-Württemberg auch Erinnerungen an den Vater Werner Offenloch, zuletzt Präsident des Amtsgerichts von Schwäbisch Gmünd. Offenloch senior war bekannt geworden, weil er die friedensbewegten Teilnehmer:innen an Sitzblockaden in Mutlangen konsequent wegen Nötigung verurteilte. Als das BVerfG 1995 entschied, dass friedliche Sitzblockaden an sich keine Gewalt sind, fühlte sich Werner Offenloch verraten und ins "verfassungsrechtliche Abseits" gestellt.
Nun wird also Sohn Thomas Verfassungsrichter. Er gehört dann dem Zweiten Senat an, der für das Strafrecht zuständig ist. Angesichts der Aktivitäten der Letzten Generation dürfte es vielleicht bald schon wieder um Sitzblockaden gehen.
Martin Eifert
Keine große Überraschung ist der Name von Martin Eifert. Der Rechtsprofessor von der Berliner Humboldt-Universität war schon vor zwei Jahren ein heißer Kandidat, als es um die Nachfolge von Johannes Masing ging. Als ausgewiesener Experte für Medien- und Internetrecht sprach damals viel für ihn. Doch dann postulierte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mit Erfolg, dass am BVerfG endlich auch ein:e Richter:in mit ostdeutscher Sozialisation tätig sein soll und setzte am Ende Ines Härtel durch. Damals wäre Eifert also fast auf einem SPD-Ticket nach Karlsruhe gekommen. Diesmal schlagen ihn die Grünen als Nachfolgerin von Susanne Baer vor.
Der 57-jährige Eifert gilt als extrem klug und versucht, die Welt in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen. Dies macht ihn zugleich vorsichtig gegenüber den Verlockungen, von Karlsruhe aus zuviel gestalten zu wollen. Eher rät er zu prozeduralen Lösungen und zur Zurückhaltung. Statt vorschnell rechtliche Vorgaben zu machen, sagte er einmal in einem Interview, sollten Gesetzgeber und Verfassungsgericht lieber erst einmal beobachten, welche Lösungen in der juristischen Praxis entstehen.
Interessante Details
Während die Grünen zuletzt immer Frauen nominierten, um den Frauenanteil am BVerfG zu erhöhen, haben sie mit Martin Eifert diesmal einen Mann vorgeschlagen. Aus grüner Sicht ist dies aber unschädlich, weil am BVerfG derzeit schon neun Frauen und nur sieben Männer Recht sprechen. Selbst wenn Susanne Baer von einem Mann ersetzt wird, ist das Gericht immer noch quotiert. Allerdings besteht am Zweiten Senat weiterhin eine weibliche Mehrheit, während nun am Ersten Senat wieder eine männliche Mehrheit entsteht.
Bemerkenswert ist auch, dass der Nachfolger von Peter M. Huber von der FDP vorgeschlagen wird. Schließlich war Huber einst ein Unions-Vorschlag. Grund für den Wechsel ist eine Verabredung der Parteien von 2018, wonach bis 2022 in beiden Senaten der Schlüssel 3 - 3 - 1 - 1 verwirklicht sein soll. Das heißt, dass jeweils drei Richter:innen von CDU/CSU und SPD vorgeschlagen sein sollen und je ein:e Richter:in von Grünen und FDP. Schon 2018 war festgehalten worden, dass die Huber-Nachfolge an die FDP gehen soll.
Kurios ist zudem, dass alle drei neuen Richter:innen von Fraktionen der Ampel-Koalition vorgeschlagen wurden: Fetzer von der SPD, Offenloch von der FDP und Eifert von den Grünen. Das aber ist kein Affront gegenüber der Opposition, sondern reiner Zufall. Von den nächsten drei BVerfG-Richterpositionen werden immerhin zwei an CDU/CSU-Vorschläge gehen: Die Amtszeit von Peter Müller endet am 30. September 2023, die von Sibylle Kessal-Wulf am 18. Dezember 2023. Nur die Nachfolge von Gabriele Britz (ab dem 1. Februar 2023) kann die SPD anregen.
Alle drei kommenden Nominierungen erfolgen übrigens im Bundesrat. Dort sind die Transparenzvorschriften aber auch nicht besser.
Anm. d. Red.: Beitrag in der Version vom 13.12.2022, 15.19 Uhr, ergänzt wurde, dass der BGH-Richter Offenloch stellvertretender Vorsitzender des Senats für Notarsachen ist, sowie dass die BGH-Richterin Fetzer seit Mai 2022 Vorsitzende des 8. Zivilsenats ist.
Neue Verfassungsrichter:innen: . In: Legal Tribune Online, 09.12.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50417 (abgerufen am: 12.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag