Wer beauftragt, der zahlt – dieses "Bestellerprinzip" wollte die Große Koalition für die Vermittlung von Mietwohnungen eigentlich einführen. Doch über das Ziel ist sie weit hinaus geschossen. Friedhelm Hufen erklärt im Interview, warum nach dem Gesetzesentwurf eine Beauftragung durch den Mieter kaum noch stattfinden wird und der Beruf des Maklers in Gefahr ist.
LTO: Herr Hufen, wie läuft die Vermittlungsleistung zwischen Vermieter, Mieter und Makler derzeit üblicherweise ab?
Hufen: Die Vertragsabschlüsse auf dem Markt für Mietobjekte laufen eher informell. Es können entweder der Vermieter oder der Mieter den Makler beauftragen.
Tatsächlich geht die Initiative derzeit nicht selten von den Suchenden aus, die sich auf dem örtlichen Markt nicht auskennen. Die Vermieter gehen oftmals gar nicht von sich aus auf den Makler zu, sondern stellen ihre Wohnungen zunächst selbst ins Netz und werden dann vom Makler angesprochen, der ihnen seine Vermittlungsleistung anbietet. Bekommt der Makler den Auftrag vom Vermieter, zeigt er dessen Objekte den Kunden, die sich initiativ bei ihm gemeldet haben.
Vermieter und Makler vereinbaren meistens, dass am Ende der Mieter die Provision zahlt. Das ist nach § 3 Abs. 2 des Wohnraumvermittlungsgesetzes derzeit möglich. So werden die Kosten auf den schwächeren Mieter abgewälzt. Für den Vermieter ist die Beauftragung des Maklers also komfortabel und für den Makler profitabel.
"Gesetzesentwurf geht weit über Bestellerprinzip hinaus"
LTO: Mit dem Gesetzesentwurf, den die Regierung jetzt beschlossen hat, soll diese für den Mieter oft ungünstige Lage geändert werden. Welche Änderungen sind im Einzelnen geplant?
Hufen: Der Entwurf regelt im Kern, dass in Zukunft das "Bestellerprinzip" gelten soll: Wer den Vermittler bestellt, der zahlt ihn auch. Die Abwälzung auf den Mieter soll unterbunden werden. Dieser Punkt, der so auch im Koalitionsvertrag festgelegt war, ist – jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Sicht - unproblematisch.
Umgekehrt bedeutet das: Geht die Initiative vom Wohnungssuchenden aus, kann der Makler die Provision nur noch verlangen, wenn er auch von diesem einen Auftrag erhalten hat. Der Gesetzesentwurf geht aber noch weit darüber hinaus. Er sieht vor, dass der Makler nur dann vom Suchenden eine Provision verlangen darf, wenn er die konkrete Wohnung gerade im Auftrag des Wohnungssuchenden ermittelt hat. Hat er sie bereits einem anderen Interessenten gezeigt, wird sie automatisch zur Bestandswohnung und gilt nicht mehr als "im Auftrag dieses Kunden ermittelt". Der Makler hat also nur eine Chance, eine Wohnung zu vermitteln. Wenn er das nicht schafft, kann er für alle Zeiten keine Provision mehr von Interessenten verlangen.
Das ist das Aberwitzige in diesem Gesetz: In einem Markt, in dem – empirisch festgestellt – zwischen sieben und acht Wohnungsbesichtigungen durchgeführt werden, bevor es zum Mietvertrag kommt, ist es lediglich eine theoretische Möglichkeit, dass der Mieter direkt das erste Objekt bezieht. Der Makler kann vom Mieter also eigentlich nie die Provision verlangen.
LTO: Welchem Zweck könnte diese strenge Regelung Ihrer Meinung nach dienen?
Hufen: Mir ist nicht klar, welchen Zweck der Gesetzgeber mit dieser Regelung verfolgen könnte. Vermutlich nur den, die Makler gänzlich aus dem Geschäft zu drängen. Es sollen überhaupt keine Zusatzkosten mehr für Makler bestehen. Entweder die Vermieter sollen die Makler zahlen – was sie wohl in den meisten Fällen nicht tun werden - oder das Ganze läuft über den offenen Markt im Internet.
"Makler muss Wohnung auf Teufel komm raus vermitteln"
LTO: Welche Konsequenzen hätte der Gesetzesentwurf in der Praxis?
Hufen: Für die Makler fällt der flexible Markt der Wohnungsmiete faktisch flach, denn sie können die Objekte, die sie im Bestand haben, nicht mehr anbieten - das machte bisher ca. 80 Prozent ihrer Einnahmen aus. Aufgrund der niedrigen Zinsen ist der Immobilienmarkt auch lahmgelegt. Daher sind viele Makler in ihrer Existenz bedroht.
Den Wohnungssuchenden wird in der Regel nur noch eine Wohnung angeboten werden. Diese muss der Makler dann "auf Teufel komm raus" vermitteln, weil er ja nur dann die Provision bekommt. Das ist natürlich naiv. Es ist auch nachteilig für die Wohnungssuchenden, die am liebsten in kurzer Zeit möglichst viele Wohnungen ansehen würden, um daraus eine Auswahl zu treffen.
2/2: "Faktisches Vertragsverbot"
LTO: Sie haben ein Gutachten für den Immobilienverband Deutschland (IVD) verfasst. Zu welchem Ergebnis kommen sie darin?
Hufen: Die Regelung, die dem Vermittler eine Provisionszahlung durch den Mieter faktisch unmöglich macht, stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Es handelt es sich eigentlich um ein Vertragsverbot, welches die Tätigkeit als Makler wirtschaftlich unmöglich macht- und das kommt für viele Makler einem Berufsverbot gleich. Zur Erreichung des Ziels, sozial schwache Mieter in Ballungsräumen vor der Abwälzung der Provision zu schützen, ist sie überhaupt nicht erforderlich. Das normale Bestellerprinzip hätte völlig ausgereicht.
Außerdem stellt der Wohnungsbestand den eigentlichen wirtschaftlichen Vermögenswert des Maklers dar – er gehört zum eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der von der Eigentumsgarantie umfasst wird.
Auch Wohnungssuchende werden in ihrer Vertragsfreiheit eingeschränkt, denn sie können keinen Makler mehr beauftragen, ihnen mehrere Bestandswohnungen zu zeigen.
Schließlich wird hier ein ungleicher Sachverhalt ohne Rechtfertigung gleich behandelt, was einen Eingriff in Art. 3 Grundgesetz darstellt: Das Gesetz geht darüber hinweg, dass es nicht nur arme und bedürftige, sondern auch durchaus solvente Mieter gibt. Gebiete, in denen keine Wohnungsnot herrscht, werden genauso behandelt wie Ballungszentren und Studentenstädte.
"Schuld ist der Markt - nicht die Makler"
LTO: Wenn in Zukunft niemand mehr bereit ist, den Makler zu bezahlen, ist das dann nicht eher ein Problem mangelnder Nachfrage durch die Vermieter als ein Problem der Verfassungskonformität des Gesetzes? Denn der Makler könnte zumindest theoretisch die Provision für eine vermittelte Bestandwohnung auch vom Vermieter verlangen.
Hufen: Das ist sicherlich richtig. Die Konsequenz der Neuregelung, dass der Makler vom Vermieter keine Aufträge mehr erhält, ist sicherlich eine rein wirtschaftliche. Den Eingriff in die Berufsfreiheit sehe ich aber eben darin, dass dem Makler faktisch die Möglichkeit genommen wird, mit dem Wohnungssuchenden einen Vertrag zu schließen.
LTO: Ist die Vertragsfreiheit der Mieter in der derzeitigen Lage nicht auch tangiert? Oftmals bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als – zähneknirschend – die Maklerkosten zu übernehmen.
Hufen: Es gibt natürlich viele Märkte, auf denen ein faktisches Monopol besteht. Das ist eine Frage des knappen Angebots und der starken Nachfrage. Vertragsfreiheit besteht grundsätzlich auch in diesen Märkten. Wenn das Angebot aber faktisch so knapp ist, dass es nur noch Wohnungen gibt, die vom Makler angeboten werden, dann besteht die Vertragsfreiheit nur noch durch die Vermittlungstätigkeit des Maklers. Diese Zwangslage liegt aber gerade nicht an den Maklern, sondern am Wohnungsmarkt. Wichtiger wäre es, wesentlich mehr Wohnungen, insbesondere in den Ballungszentren, bereitzustellen.
"Natürlich lieben die Makler auch das Bestellerprinzip nicht"
LTO: Wie müsste der Vorschlag geändert werden, damit er Ihrer Ansicht nach verfassungskonform wird?
Hufen: Das Bestellerprinzip allein wäre ein ausreichendes Mittel, um die Ungerechtigkeit zu beheben, dass immer der Schwächste der Dumme ist. Dieses Prinzip ist bei den Maklern zwar auch nicht gerade beliebt, aber es ist weniger drastisch als die Einschränkungen bei der Beauftragung durch den Wohnungssuchenden.
Diese Einschränkungen sollte man im Übrigen schlicht streichen. Wohnungssuchende sollten die Möglichkeit haben, einen Makler zu beauftragen, wenn sie dies für richtig halten. Es ist doch gerade für nicht ortskundige Suchende, die wenig Zeit haben, eine große Hilfe, dass die Makler den Markt überblicken und ihnen geeignete Objekte anbieten können.
LTO: Wie sehen Sie die Chancen, dass Ihre Vorschläge bereits jetzt zu einer Nachbesserung des Gesetzes führen?
Hufen: In der Öffentlichkeit wurde es leider so dargestellt, als hätte ich das Bestellerprinzip an sich als verfassungswidrig deklariert. Daraufhin entschied Justizminister Maas: "das stehen wir durch!". Jetzt ist der Entwurf schon von der Bundesregierung beschlossen. Die Hoffnung ist, dass der Rechtsausschuss und die Mitglieder des Bundestages nun wach werden und sehen, dass etwas völlig anderes beschlossen wurde als das, was im Koalitionsvertrag steht. Das müssen die Verbände, insbesondere auch der IVD, in letzter Sekunde ganz deutlich machen.
LTO: Was empfehlen Sie dem IVD, falls dies nicht geschieht?
Hufen: Der IVD hat angekündigt, dass die Makler Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben wird. Dies können sie auch, ohne vorher alle Instanzen durchlaufen zu müssen, denn das Gesetz wirkt unmittelbar, ohne weiteren Vollzugsakt. Für die Erhebung der Klage ist ab Inkrafttreten des Gesetzes ein Jahr Zeit. Dann wird man sehen, was passiert – Entscheidungen des BVerfG sind natürlich nicht prognostizierbar. Aber die Verfassungswidrigkeit istmeiner Meinung ziemlich deutlich.
LTO: Herr Professor Hufen, vielen Dank für das Interview.
Professor Dr. Friedhelm Hufen ist Inhaber einer Professur für Staats – und Verwaltungsrecht an der Universität Mainz und Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz.
Das Interview führte Anne-Christine Herr.
Anne-Christine Herr, Gesetzentwurf zur Mietpreisbremse: "Kommt einem Berufsverbot für Makler gleich" . In: Legal Tribune Online, 20.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13536/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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