Druckversion
Dienstag, 11.11.2025, 06:24 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/kinderwagen-poller-verbot-diskriminierung-gleichbehandlung-eltern-grundrechte-cafe-berlin-prenzlauer-berg
Fenster schließen
Artikel drucken
7240

Anti-Kinderwagen-Poller im Prenzlberg: Wir müssen leider draußen bleiben

von Prof. Dr. Roland Schimmel

04.10.2012

"Anti-Kinderwagen"-Poller

Café verbannt Kinderwagen © Tobias Koch/dapd

Er hat die Form einer Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spielfigur, die Farbe von Sichtbeton, wiegt um die 200 Kilogramm und heißt Pollino. Der Name lässt seinen Zweck erahnen: Er ist ein Poller. Zum Skandal machten ihn seine Platzierung im Eingang eines Cafés und ein kleines Schild um seinen Hals, das einen durchgestrichenen Kinderwagen zeigt. Roland Schimmel empfiehlt Eltern und Kindern: locker bleiben.

Anzeige

Mit Kinderwagen ist im Café "The Barn Roastery" in der Schönhauser Allee im Prenzlauer Berg kein Durchkommen. Das ist Absicht. Die einen ärgert das, die anderen finden es gut. Kommentatoren in Presse und Internetforen stürzen sich darauf. Der Poller provoziert und polarisiert.

Rechtlich betrachtet ist die Verärgerung über das kinderfeindliche Verhalten des Cafébetreibers ein Sturm im Wasserglas. Zwar mag der sperrige Betonkegel im Eingang des Cafés feuerpolizeiliche und baurechtliche Bedenken aufwerfen. Privatrechtlich dürfte der Inhaber aber auf der sicheren Seite sein.

Denn auf die Frage, die potenzielle Besucher ärgern wird: "Darf der denn einfach bestimmte Leute draußen halten?", ist die Antwort einfach: Er darf. Als Eigentümer oder Besitzer der Gewerbefläche kann er kraft seines Hausrechts entscheiden, wen er in sein Café hineinlässt. Die Vertragsfreiheit belässt ihm die Entscheidung, mit wem er einen Bewirtungsvertrag schließen will und mit wem nicht.

Im Privatrechtsverkehr ist zunächst niemand an die Grundrechte und damit an die Ungleichbehandlungsverbote gebunden, die dem Staat im Umgang mit seinen Bürgern ein anderes Verhalten gebieten, wie etwa Art. 3 Grundgesetz.

AGG: Muss nun doch jeder bedient werden?

Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat der Gesetzgeber seit einigen Jahren allerdings auch den Bürgern untereinander ein höheres Maß an "Nichtdiskriminierung" auferlegt. Das Gesetz ist zwar gemäß § 19 Abs. 1 Nr.1 AGG auf Massengeschäfte anwendbar, zu denen auch die Bestellung von Kaffee und Kuchen zählt. Aber der Poller führt nicht zu einer Benachteiligung nach Rasse, Herkunft, Geschlecht oder einem der anderen im Gesetz genannten Kriterien.

Das AGG schützt vor allem nicht die Elterneigenschaft. Aber selbst wenn das so wäre: Der Cafébetreiber will seine Räume ja nicht von Eltern freihalten, sondern eher von Kindern und eigentlich sogar nur von Kinderwagen. Ein Verstoß gegen das AGG könnte daher nur vorliegen, wenn tatsächlich Gäste hinausgeworfen oder gar nicht erst bedient worden wären. Davon ist jedoch bisher nicht berichtet worden. Pollino und das "Keine Kinderwagen"-Schild dürften als Anknüpfungspunkt für den Vorwurf einer Ungleichbehandlung jedenfalls nicht genügen.

Sicherheitshalber hat der Caféinhaber bereits erklärt, der Poller sei reine Vorsichtsmaßnahme. Er wolle verhindern, dass wegen der freistehenden heißen Kaffeeröstmaschine Kinderwagen Feuer fingen oder Kinder verletzt würden. Um Gefahren zu vermeiden, darf aber auch diskriminiert werden, wie sich § 20 Abs. 1 S. 2 Nr.2 AGG entnehmen lässt.

Baby Latte ohnehin nicht im Angebot des Kaffeerösters

Letztlich wäre verärgerten Eltern mit dem AGG auch wenig geholfen. Das Gesetz gewährt dem Diskriminierten regelmäßig zwar einen Anspruch auf Schadensersatz, aber kein Recht auf Vertragsabschluss. Einen Anspruch darauf, sich willkommen zu fühlen, gibt es sowieso nicht. Und in einem Café, das nur schwarzen Kaffee ohne Milch und Zucker serviert, wird mit einem Baby Latte und einem Milchfläschchen ohnehin nicht zu rechnen sein.

Einem Kontrahierungszwang unterliegt der Kaffeeröster ebenfalls nicht. Seine Bohne ist weder existenzwichtig noch wird er im Prenzlauer Berg eine marktbeherrschende Stellung innehaben. Mütter und Väter können leicht auf ein anderes Café ausweichen. Damit ist der Poller zivilrechtlich nicht zu beanstanden. Wer sich über ihn ärgert, wird kopfschüttelnd weiterziehen müssen.

Eine ganz andere Frage ist, ob der Markt das Signal "Pollino" positiv aufnimmt. Auch wenn das Konzept stimmig erscheint und der Gedanke an ein Café, in dem Laptops und Mobiltelefone an einen Stehtisch verbannt werden, geradezu sympathisch klingt, könnten sich Pollino und die öffentliche Aufmerksamkeit, die er erregte, als Bumerang erweisen.

Steigende Sensibilität bei Gleichbehandlungsfragen

Ein Café hat nur Erfolg, wenn genug zahlende Gäste kommen. Zwar reagierte der Betreiber nicht eben konfrontativ auf Nachfragen zu dem Poller; aber die Diskussion um Kindergeschrei wird denn auch alles andere als geduldig und tolerant geführt. Ganz neu sind die Konfliktlinien gewiss nicht. Ein Café im Frankfurter Nordend, dessen Betreiber das Thema weitaus weniger physisch wahrnehmbar auf die Agenda setzte, hatte im letzten Jahr regional eine ähnliche Debatte losgetreten. Ein einfacher Aushang, der die Eltern daran erinnerte, dass ein Café kein Hort sei, genügte damals. Kein Dreivierteljahr später blieben die Espressomaschinen still – selbstverständlich blieb der Ursachenzusammenhang ungewiss.

Vielleicht sind es gar nicht die Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern mit tobendem Nachwuchs und genervten Kinderlosen am Nachbartisch, die der Angelegenheit ein solches Aufregerpotential verschaffen. Es könnte auch eine allgemein steigende Sensibilität in Fragen von Gleich- und Ungleichbehandlung sein. Das AGG wird seinen Teil dazu beigetragen haben. Fast jeder Anwalt weiß aus der Beratungspraxis, wie leicht sich Menschen – im rechtlichen Sinne – diskriminiert fühlen, während ihnen eigentlich nur – im tatsächlichen Sinne – ausreichende Wertschätzung fehlt.

Ähnlich wird es sich mit den Cafés im Prenzlauer Berg verhalten. Nicht jedes muss allen gefallen. Pollino sollte man locker nehmen: Mit Kindern weitergehen, ohne Kinder reingehen. Vielleicht schmeckt ja der Kaffee auch schwarz.

Der Autor Prof. Dr. Roland Schimmel lehrt Bürgerliches Recht an der FH Frankfurt am Main.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Roland Schimmel, Anti-Kinderwagen-Poller im Prenzlberg: . In: Legal Tribune Online, 04.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7240 (abgerufen am: 11.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Diskriminierung
    • Grundrechte
    • Kinder
    • Vertragsrecht
Die Reinigungskraft prüft sorgenvoll die Jacke, die durch unsachgemäße Behandlung beschädigt wurde. Waschhinweise ignoriert. 10.11.2025
Schadensersatz

Waschhinweise beachtet:

Rei­ni­gung rui­niert 1200-Euro-Jacke, haftet aber nicht

Ein Mann bringt seine 1.200-Euro-Jacke in die Reinigung – und bekommt sie mit Flecken zurück. Das Amtsgericht München sieht die Schuld nicht bei der Reinigung: Wer sich an die Herstellerhinweise hält, haftet für Materialfehler nicht.

Artikel lesen
Ein Schild „Sächsisches Oberverwaltungsgericht“ steht vor dem Gebäude auf dem Gelände der Ortenburg 10.11.2025
Referendariat

Sächsisches OVG verpflichtet Freistaat:

Bewerber mit rechts­ex­t­remer Ver­gan­gen­heit darf Jurist werden

Das sächsische OVG hat entschieden, dass ein Bewerber trotz früherer Aktivitäten in rechtsextremen Organisationen vorläufig zum juristischen Vorbereitungsdienst zugelassen werden muss. Ohne strafbares Verhalten kein Ausschluss.

Artikel lesen
Richter Bengt Fuchs 06.11.2025
Volksverhetzung

OLG Jena verwirft sofortige Beschwerde:

Kein Straf­ver­fahren gegen Richter Bengt Fuchs

Gegen den Richter Bengt Fuchs wird es kein Strafverfahren wegen Volksverhetzung geben. Das OLG Jena hat eine sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft verworfen. Es bleibt das Disziplinarverfahren.

Artikel lesen
Aufschrift "Triage" im Krankenhaus 04.11.2025
Ärzte

Verfassungsbeschwerde von 14 Medizinern erfolgreich:

Triage-Regeln sind ver­fas­sungs­widrig

Die Verfassungsbeschwerde von 14 Medizinern gegen Triage-Regelungen war erfolgreich. Das BVerfG erklärt den Kriterienkatalog sowie das Verbot der Ex-Post-Triage mangels Bundeskompetenz für verfassungswidrig und nichtig. Und wie geht's weiter?

Artikel lesen
Icons verschiedener Messenger-Dienste 03.11.2025
Überwachung

Kompromiss auf EU-Ebene:

Umfas­sende Chat­kon­trolle vom Tisch

Die EU-Kommission wollte Nachrichten bei WhatsApp & Co. automatisch prüfen lassen, um gegen Kinderpornografie vorzugehen. Nach Kritik aus Deutschland und anderen Ländern wird es erstmal keine anlasslose Chatkontrolle geben.

Artikel lesen
Aufschrift "Triage" im Krankenhaus 03.11.2025
Ärzte

BVerfG entscheidet zum Triage-Gesetz:

Wer darf über­leben?

Wer wird behandelt, wer fällt bei Engpässen in der medizinischen Versorgung einer Triage zum Opfer? Das sollte eine Neufassung des Infektionsschutzgesetzes regeln. Am Dienstag verkündet das BVerfG, ob die Regelung Bestand hat.

Artikel lesen
lto karriere logo

LTO Karriere - Deutschlands reichweitenstärkstes Karriere-Portal für Jurist:innen

logo lto karriere
Jetzt registrieren bei LTO Karriere

Finde den Job, den Du verdienst 100% kostenlos registrieren und Vorteile nutzen

  • LTO Job Matching: Finde den Job & Arbeitgeber, der zu Dir passt.
  • Jobs per Mail: Verpasse keine neuen Job-Angebote mehr.
  • One-Klick Bewerbung: Dein Klick zum neuen Job, einfach und schnell.
Das Passwort muss mindestens 8 Zeichen lang sein und mindestens einen Großbuchstaben, einen Kleinbuchstaben, eine Zahl und ein Sonderzeichen enthalten (z.B. #?!@$%^&*-).
Pflichtfeld *

Nur noch ein Klick!

Wir haben Dir eine E-Mail gesendet. Bitte klicke auf den Bestätigungslink in dieser E-Mail, um Deine Anmeldung abzuschließen.

Weitere Infos & Updates einfach und kostenlos direkt ins Postfach.

LTO Karriere Newsletter

Das monatliche Update mit aktuellen Stellenangeboten & Karriere-Tipps.

LTO Daily

Jeden Abend um 18 Uhr die wichtigsten News vom Tag.

LTO Presseschau

Jeden Morgen um 7:30 Uhr die aktuelle Berichterstattung über Recht und Justiz.

Pflichtfeld *

Fertig!

Um die kostenlosen Nachrichten zu beziehen, wechsle bitte nochmal in Dein Postfach und bestätige Deine Anmeldung mit dem Bestätigungslink.

Du willst Dein Bewerberprofil direkt anlegen?

Los geht´s!
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Hanseatic Bank
Voll­ju­rist*in / Le­gal Coun­sel (m/w/d)

Hanseatic Bank , Ham­burg

Logo von CMS Deutschland
Rechts­an­wäl­­te (m/w/d) für den Be­reich Cor­po­ra­te / Ven­tu­re Ca­pi­tal –...

CMS Deutschland , Ber­lin

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Rechts­an­walt (m/w/d) Er­b­recht und Nach­lass­ver­wal­tung

FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG , Ber­lin

Logo von BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
Rechts­an­walt (w/m/d) für Ar­beits­recht Schwer­punkt be­trieb­li­che...

BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB , Köln

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin/​Re­fe­ren­dar (m/​w/​d)

REDEKER SELLNER DAHS , Ber­lin

Logo von HÄRTING Rechtsanwälte PartGmbB
Rechts­an­wäl­tin­nen / Rechts­an­wäl­te (m/w/d) mit Schwer­punkt IT-Recht oder...

HÄRTING Rechtsanwälte PartGmbB , Ber­lin

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Re­fe­ren­da­rin/​Re­fe­ren­dar (m/​w/​d) Wirt­schafts­ver­wal­tungs­recht

REDEKER SELLNER DAHS , Bonn

Logo von AntweilerLiebschwagerNieberding PartG mbB
zwei Rechts­an­wäl­tin­nen / Rechts­an­wäl­te Öf­f­ent­li­ches Wirt­schafts­recht /...

AntweilerLiebschwagerNieberding PartG mbB , Düs­sel­dorf

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Digitale Kamingespräche: Wie arbeitet man eigentlich im DFG-Fachkollegium Privatrecht?

19.11.2025

§ 15 FAO - AGB- und Vertragsrecht für Praktiker:innen

18.11.2025, Hamburg

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Hoch hinaus und großes Spiel: Privates Baurecht am Beispiel von Hochhäusern und Fußballstadien

27.11.2025, Frankfurt am Main

Powerworkshops: Erfolgsfaktor Personal Branding

18.11.2025

Die energierechtliche Beratung im Immobilienbereich (§15 FAO)

18.11.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH