Am vergangenen Donnerstag hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das im Sinne des Verbraucherschutzes auch "unseriösen Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen" entgegenwirken soll. Bei RA Peter Nümann stößt das auf Unverständnis: Abmahnungen sind schließlich ein Instrument des Deliktsrechts, und das Urheberrechtsgesetz kennt den Begriff des Verbrauchers nicht.
In einer Pressemitteilung zur Verabschiedung des Gesetzes hat die Bundesministerin für Justiz erklärt, die von ihr initiierten Änderungen würden "Verbraucherinnen und Verbraucher vor überhöhten Abmahngebühren bei Urheberrechtsverletzungen schützen." Massenabmahnungen lohnten sich somit zukünftig nicht mehr. Konkret sehe das Gesetz eine Deckelung auf einen Betrag von 155,30 Euro für die Gebühren vor, die der abmahnende Rechtsanwalt zukünftig dem privaten Verletzer oder Störer in Rechnung stellen könne.
Tatsächlich gedeckelt wurden jedoch die Erstattungsansprüche des Verletzten, und zwar auf das aus einem Streitwert von 1.000 Euro berechnete Anwaltshonorar, sofern der Abgemahnte nicht gewerblich gehandelt hat. Die Erstattung, die das Opfer einer Urheberrechtsverletzung für die Kosten des eingeschalteten Rechtsanwalts erlangen kann, wurde damit auf in der Regel 130,50 bis zu 207,50 Euro für "umfangreiche oder schwierige" Sachverhalte begrenzt. Mit den im Bundestag ebenfalls bereits beschlossenen Gebührenanpassungen der Kostenrechtsnovelle werden diese Beträge, in denen die Spesen des Anwalts im Übrigen schon enthalten sind, voraussichtlich noch sinken.
Massenabmahnungen bleiben möglich
Massenabmahnungen, die sich durch den Synergieeffekt auch bei geringen Honoraren pro Fall für den Anwalt noch rechnen, werden gleichwohl meist ohne Zuzahlung des Geschädigten möglich bleiben.
Und das ist auch gut so. Denn insbesondere in Filesharing-Netzwerken, die nicht-gewerbliche, aber das Urheberrecht dennoch existenziell bedrohende Piraterie in massivem Ausmaß möglich machen, kann der Anwalt ohne solche Abmahnungen für die Opfer wenig tun. Was letztlich das Ziel rechtfertigen soll, derartige Massenabmahnungen einzudämmen, ist im gesamten Gesetzgebungsprozess nicht deutlich geworden. "Verbraucher" im Sinne des Verbraucherschutzes werden hierdurch jedenfalls nicht geschützt, sondern höchstens Internetnutzer, denen man aus ähnlichen Erwägungen heraus beispringen will.
Aufwendigere Abmahnungen werden vom Opfer bezahlt
Eine wirkliche Änderung ergibt sich jedoch für solche Abmahnungen, die unter die neue Regelung fallen und individuell bearbeitet werden müssen – also auch für Massenabmahnungen, wenn auf Einlassungen des Abgemahnten reagiert werden muss. In diesen Fällen wird für den Täter oder Störer die Abmahnung billiger, für den Geschädigten aber teurer, da er das für die Bearbeitung erforderliche höhere Honorar seines Anwalts selbst zu zahlen hat.
Dem Privatmann, der lediglich als sogenannter Störer, zum Beispiel als Inhaber eines schlecht gesicherten Internetanschlusses in Anspruch genommen wird, ist diese Entlastung zu gönnen. Auch Eltern heimlich filesharender Kinder können aufatmen. Ohne viel Federlesens werden diese Erleichterungen allerdings auf Kosten der Opfer der jeweiligen Urheberrechtsstraftat erkauft. So werden das Urheberrecht und die Kreativbranche geschwächt, den Schaden haben am Ende deren ehrliche Kunden.
Verbraucherschutz für Raubkopierer
Warum der Gesetzgeber allerdings auch die Abmahnkosten gegenüber Tätern üblicher krimineller Handlungen deckelt, ist nicht nachzuvollziehen. Die in der Debatte als "Hintertür für windige Anwälte" gegeißelte Öffnungsklausel, die ein Absehen von der Deckelung in Einzelfällen möglich macht, trägt ihren Spitznamen zu Unrecht. Denn zum einen ist nichts windig daran, die Kosten einer legitimen Rechtsverfolgung vom Schädiger einzufordern – im Gegenteil stellt dies den Grundsatz und Normalfall im Deliktsrecht dar. Zum anderen wird die Öffnungsklausel nur in solchen Fällen zur Verfügung stehen, bei denen die Deckelung der Ersatzansprüche im Urheberrecht besonders negative Folgen hat, also zum Beispiel dem Geschädigten anders kaum noch eine Möglichkeit bliebe, sein Recht durchzusetzen.
Von den weiteren im Rechtsausschuss besprochenen Punkten, die zum Teil massive Kritik der angehörten Experten auf sich zogen, blieb Folgendes übrig:
Alle urheberrechtlichen Abmahnungen müssen zukünftig Mindestangaben enthalten. Problematisch ist die nun erforderliche Angabe, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht. Außerdem erhält der Empfänger einer für den Abmahner "erkennbar" unberechtigten Abmahnung einen Erstattungsanspruch. Darin verbirgt sich eine Kostenfalle, die nicht den versierten (und ohnehin haftpflichtversicherten) "Abmahnanwalt" treffen wird, sondern den unbedarft auf eigene Faust - und vermeintlich kostenfrei - abmahnenden Geschädigten.
Abmahnungen werden schwieriger und aufwändiger
Für den nicht gewerblichen Verletzer ist zudem der sogenannte "fliegende Gerichtsstand" abgeschafft. In diesen Fällen werden die teils recht speziellen Materien also flächendeckend Land- und Amtsgerichte am Wohnort der Verletzer beschäftigen, wenn nicht die Landesgesetzgeber schnell die ihnen mögliche Zuweisung von Sonderzuständigkeiten vorantreiben.
Die fehlende Verzahnung von Störerhaftung und Auskunftspflicht, die ungelösten Haftungsfragen bei Hotels, Internet-Cafes, Eltern und Social-Media-Anbietern und die vielen weiteren offenen Wunden des Urheberrechts in einer digital vernetzten Gesellschaft bleiben weiterhin unbehandelt. Hierzu hätte es eines gut durchdachten weiteren Korbes Urheberrecht bedurft, nicht eines gegen das Urheberrecht aufgestellten "Verbraucherschutzes" für Abgemahnte.
Der Autor Peter Nümann ist Rechtsanwalt in Karlsruhe und vertritt schwerpunktmäßig Rechteinhaber der Musik-, Medien- und Softwarebranche.
Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken: . In: Legal Tribune Online, 04.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9080 (abgerufen am: 10.10.2024 )
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