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EU-Aktionsplan zum Online-Glücksspiel: Deutschland pokert mit hohem Risiko

von Dr. Wulf Hambach und Maximilian Riege, LL.M. (NYU)

26.10.2012

Eine Hand platziert Pokerchips auf einem Laptop, symbolisiert das Risiko des Online-Glücksspiels im Kontext des EU-Aktionsplans.

© Shawn Hempel - Fotolia.com

Online-Poker kennt keine nationalen Grenzen. Deshalb nimmt sich EU-Binnenmarkt-Kommissar Barnier mit seinem am Montag vorgestellten "Aktionsplan zum Online-Glücksspiel" des Themas an. Er fordert mehr Verbraucherschutz und Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten. Dass der deutsche Glücksspielstaatsvertrag den europäischen Vorstellungen entspricht, bezweifeln Wulf Hambach und Maximilian Riege.

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Es ist kaum vier Monate her, dass der neue Glücksspielstaatsvertrag am 1. Juli 2012 in Kraft getreten ist, den nur Schleswig-Holstein zunächst nicht unterzeichnet hatte. Darin vereinbarten die Bundesländer unter anderem, die Anzahl der Anbieter von Sportwetten im Internet zu limitieren, Live-Wetten und Online-Poker weiterhin zu verbieten.

Nachdem bereits der erste Entwurf für einen neuen Staatsvertrag am Widerspruch der Europäischen Kommission gescheitert war, zeigt sich diese ebenso wie Anbieter von Online-Glücksspielen und Rechtsexperten weiterhin alles andere als glücklich. Sie bemängeln, dass der Vertrag europarechtliche Grundsätze nicht beachte, insbesondere seien die Dienstleistungsfreiheit und das Erfordernis einer in sich stimmigen nationalen Glücksspielregulierung, das so genannte Kohärenzgebot, verletzt. Außerdem beschwert sich die EU-Kommission über die mangelnde Kooperationsbereitschaft der deutschen Bundesländer.

Die Regulierung des Glücksspielmarktes ist grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten. Da das rasant wachsende Angebot von Online-Glücksspielen aber keine nationalen Grenzen kennt, sieht die Europäische Kommission ein großes Bedürfnis für Kooperation sowohl zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden als auch zwischen der Europäischen Union (EU) und den Mitgliedstaaten.

Vertragsverletzungsverfahren könnte auch Deutschland treffen

In seinem Aktionsplan plädiert der Binnenmarkt-Kommissar Barnier für die Vereinbarung von Mindeststandards in Sachen Verbraucherschutz, Werbung und der Integrität des Sports im Zusammenhang mit Sportwetten. Zur Bekämpfung von Geldwäsche geht die Kommission noch einen Schritt weiter. Noch im Herbst will sie die 4. Geldwäsche-Richtlinie verabschieden, die auch Online-Glücksspiele erfasst und von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden muss.

Gleichzeitig prüft die EU-Kommission, ob sie gegen einzelne Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren einleiten oder wiederaufnehmen sollte. Das könnte auch Deutschland treffen. Zwar gestand die EU dem neuen Glücksspielstaatsvertrag eine zweijährige Gnadenfrist zur Evaluation zu, allerdings mehren sich die Beschwerden. Die überaus restriktive Regelung glückspielspezifischer Werbung  sowie die Art und Weise der Durchführung des Ausschreibungsverfahrens für die Vergabe der möglichen 20 Lizenzen für Online-Sportwetten haben für zusätzliche Verstimmung gesorgt.

Insofern wird man sich in Kreisen der EU-Kommission nur verwundert die Augen gerieben haben, als die neue schleswig-holsteinische Regierung Anfang September verkündete, dem Staatsvertrag nun doch beitreten zu wollen, und das noch unter der alten Landesregierung erlassene Glücksspielgesetz (GlüG) aufzuheben. Denn während die EU-Kommission keinerlei Einwände gegen das GlüG hatte, wurden und werden gegen den Staatsvertrag erhebliche europarechtliche Bedenken vorgetragen.

Online-Poker ist das zweitpopulärste Glücksspiel im Internet

Zwölf Sportwetten-Lizenzen wurden in Schleswig-Holstein bereits auf Grundlage des GlüG erteilt, die auch nach der Aufhebung des Gesetzes gültig bleiben werden. Im Gegensatz zum Staatsvertrag lassen sie auch Live-Wetten auf Sportereignisse zu. Wie Schleswig-Holstein die EU vor diesem Hintergrund von einer widerspruchsfreien und einheitlichen Glücksspielregulierung überzeugen will, bleibt offen.

Lizenzen für Online-Sportwetten zuzulassen, aber gleichzeitig Online-Poker zu verbieten, lässt sich kaum begründen; denn beide haben ein vergleichbares Suchtpotential. Außerdem ist Online-Poker trotz des deutschen Verbots nach einer Erhebung der Europäischen Kommission mit ca. 23 Prozent Marktanteil das zweitpopulärste Online-Glücksspiel nach Sportwetten (32 Prozent) in der EU.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Kieler Landtag, Wolfgang Kubicki, merkte zutreffend an, man könne die bestehende "Nachfrage nur dann auf den legalen Markt lenken, wenn man einen legalen Markt hat. Wer aber Online-Poker nicht zulassen will, schafft keinen legalen Markt."

Es ist nie zu spät für eine europarechtskonforme Regulierung

Es ist auch nicht zu erklären, warum nur 20 Lizenzen für Online-Sportwetten vergeben werden sollen. Diese willkürliche Zahl kritisierten sowohl die EU-Kommission als auch die deutsche Monopolkommission, die sich für die Bundesregierung unter anderem mit dem regulierten Glücksspielmarkt befasst hat. Beide bemängelten auch, dass eine Begrenzung der Lizenzen zur Suchtprävention ungeeignet sei, da ein Spieler nicht seltener wettet, wenn es weniger Wettbüros gibt. Sein Wettverhalten ist vielmehr davon abhängig, wie häufig ein Sportereignis stattfindet, auf das er wetten kann.

Die Monopolkommission hat in ihrem 14. Hauptgutachten zudem festgestellt, dass eine Umsatz-Besteuerung für die Anbieter von Online-Glücksspielen unsinnig ist, weil sie dazu führt, dass Steuern selbst dann gezahlt werden müssen, wenn durch die Auszahlung einer großen Gewinnsumme erhebliche Verluste gemacht werden. Dadurch würden die regulierten Sportwettenanbieter quasi gezwungen, ihre Preise zu erhöhen oder schlechtere Quoten anzubieten. Das wiederum führe zu einem Aufblühen des Schwarzmarktes, weil unlizenzierte Anbieter attraktivere Quoten anbieten können.

Die Initiativen der EU-Kommission sollten sowohl der neuen Landesregierung in Schleswig-Holstein als auch den anderen 15 Bundesländern zu denken geben, ob sie tatsächlich am Glückspielstaatsvertrag festhalten möchten. Schließlich ist es nie zu spät für eine europarechtskonforme Regulierung. Die alte Landesregierung von Schleswig-Holstein hat mit dem GlüG gezeigt wie es geht. Andernfalls droht Deutschland ein neues Vertragsverletzungsverfahrens und schlimmstenfalls Buß- oder sogar Zwangsgeld.

Der Autor Dr. Wulf Hambach ist Partner, der Autor Maximilian Riege ist Senior Associate in der Rechtsanwaltskanzlei Hambach & Hambach in München. Die Autoren sind unter anderem auf das Glücksspielrecht spezialisiert.

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Wulf Hambach und Maximilian Riege, EU-Aktionsplan zum Online-Glücksspiel: . In: Legal Tribune Online, 26.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7393 (abgerufen am: 13.05.2025 )

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