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Der Fall Kevin Pezzoni: Cyber-Mobbing am Arbeitsplatz

von Thomas Hey

02.10.2012

Kevin Pezzoni (li.) im Kopfballduell mit Bremens Marko Arnautovic

Kevin Pezzoni (li.) im Kopfballduell mit Bremens Marko Arnautovic (06.03.2010), Foto: David Hecker/ddp

Es war ein prominenter, aber doch exemplarischer Fall von Cyber-Mobbing am Arbeitsplatz: Der Kölner Fußballprofi Kevin Pezzoni kündigte seinen Vertrag beim 1. FC Köln, nachdem er auf Facebook massiv angefeindet und in der Folge auch von Unbekannten vor seinem Haus bedroht worden war. Warum und wie der Verein seinen Spieler in Schutz hätte nehmen müssen, erläutert Thomas Hey.

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Pezzoni hatte schlecht gespielt, seine Fans waren aufgebracht und machten ihrem Unmut auf Facebook Luft. Aber auch im gewöhnlichen Büroalltag ist Cyber-Mobbing keine Seltenheit. Kollegen kommunizieren vor allem über soziale Netzwerke, aber auch über Instant-Messenger, Chatrooms, Video- und Foto-Portale miteinander; und so verlagern sich auch Anfeindungen und Diskriminierungen von Arbeitnehmern zunehmend in die digitale Welt.

Die Anonymität des Internets macht das so genannte Cyber-Mobbing gefährlicher als das herkömmliche Mobbing; denn der Täter ist mit seinem Opfer nicht unmittelbar konfrontiert. Das senkt die Hemmschwelle stark und so werden erheblich mehr Menschen zum Täter. Außerdem wird es unwahrscheinlicher, dass Kollegen oder Vorgesetzte frühzeitig einschreiten.

Die Omnipräsenz des Internets nimmt dem Opfer zudem die Möglichkeit, sich wie bei verbalen Attacken im Büro zumindest außerhalb des Betriebs zurückziehen zu können. Das Internet erinnert sich derweil unabsehbar lange an Einträge, die zu löschen regelmäßig kaum gelingen wird.

Unklar wie weit Schutzpflicht des Arbeitgebers reicht

Der Arbeitgeber bleibt dennoch verpflichtet, seine Arbeitnehmer davor zu schützen, dass Vorgesetzte oder Kollegen sie belästigen. Das ergibt sich bereits aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer aus § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. dem Arbeitsvertrag.

Diskriminieren Beschäftigte einen Kollegen wegen seiner ethnischen Herkunft, seiner Religion oder wegen eines anderen in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) genannten Merkmals, muss ein Chef alles ihm Mögliche tun, um seinen Arbeitnehmer zu schützen, vgl. § 12 AGG. Das heißt, die mobbenden Kollegen müssen entweder abgemahnt, versetzt oder notfalls auch gekündigt werden. Führen die Diskriminierungen sogar zu gesundheitlichen Beschwerden wie psychischen Erkrankungen des Arbeitnehmers, muss sein Arbeitgeber dafür haften, soweit ihn ein Verschulden trifft,  § 15 Abs. 1 AGG.

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber aber nur soweit zum Schutz seiner Arbeitnehmer verpflichtet, wie er tatsächlich dazu überhaupt in der Lage ist. Dazu muss er die Situation beherrschen können. Das ist jedenfalls unmittelbar im Büro der Fall, darüber hinaus nicht unbedingt.

Cyber-Mobbing unter Kollegen ist örtlich nicht an den Betrieb gebunden. Es spielt sich vielmehr in einer virtuellen Welt ab, in der die Grenzen zwischen Arbeitsplatz und Privatsphäre verschwimmen. Wie weit die Schutzpflicht des Arbeitgebers dabei reicht, ist bislang nicht geklärt. Aktuelle Fälle wie die des Fußballers Pezzoni lassen aber vermuten, dass sich auch die Arbeitsgerichte zukünftig diesen Fragen werden widmen müssen.

Unternehmen müssen Verhaltenscodices formulieren

Differenzieren könnte man dabei, von welchem Medium aus das Mobbing begangen wird. Verbreitet ein Arbeitnehmer etwa am dienstlichen PC und während der Arbeitszeit Unwahrheiten über einen Kollegen in sozialen Netzwerken, kann der Chef eher eingreifen, als wenn das private Laptop außerhalb der Arbeitszeit genutzt wird. Der Arbeitgeber kann beispielsweise generell verbieten, soziale Netzwerke zu nutzen oder den Zugang zu solchen Seiten von den dienstlichen PCs ganz sperren. Allerdings würde ein solches Verbot, Mobbing nicht verhindern, sondern lediglich auf den heimischen Computer verlagern.

Ein generelles Verbot, im Internet während der Arbeitszeit privat zu surfen, dürfte zudem nicht im Interesse derjenigen Unternehmen sein, die Social Media-Plattformen wie Facebook, Twitter & Co. selbst nutzen, um Werbung zu machen und neue Beschäftigte anzuwerben. Jedenfalls sollte der Arbeitgeber aber Cyber-Mobbing-Regeln in Form einer Betriebsvereinbarung als Ethikrichtlinien oder als Verhaltenskodex formulieren.

Chef muss kein Facebook-Freund werden

Darüber hinaus ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, Kommentare seiner Arbeitnehmer bei Facebook oder Twitter zu verfolgen. Unabhängig davon, ob ihm zumutbar ist, sämtliche Netzeinträge zu überprüfen, ist dies jedenfalls dann nicht praktikabel, wenn Einträge überhaupt nur für Facebook-Freunde sichtbar sind.

Man wird Arbeitnehmer auch nicht dazu verpflichten können, ihren Chef als Facebook-Freund hinzuzufügen; denn das würde unverhältnismäßig in die Privatsphäre des Beschäftigten eingreifen. Jeder darf selbst entscheiden, mit wem er in der virtuellen Welt "befreundet" sein will. Aber selbst dann, wenn die Einträge öffentlich zugänglich sind, werden für den Arbeitgeber allenfalls stichprobenartige Kontrollen möglich sein.

Die Anfeindungen gegen Pezzoni auf Facebook waren öffentlich. Jeder konnte lesen, wie dazu aufgerufen wurde, den Fußballer "aufzumischen". Der Verein hätte den Sportler als Arbeitgeber schützen und auf den Betreiber von Facebook einwirken müssen, die Gruppen zu löschen, in denen Mitglieder zu Gewalt gegen Pezzoni anstachelten.

Der Autor Rechtsanwalt Thomas Hey ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Clifford Chance am Standort Düsseldorf.

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Der Fall Kevin Pezzoni: . In: Legal Tribune Online, 02.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7222 (abgerufen am: 23.05.2025 )

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