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BVerwG zu langjähriger Plagiatsaffäre: Kein Dok­tor­titel für Mathio­poulos

von Hermann Horstkotte

22.06.2017

Frau stellt sich in Frage (Symbolbild)

© beeboys - stock.adobe.com

Nach dreißig Jahren erklärte das BVerwG den Doktortitel der internationalen Politikberaterin Margarita Mathiopoulos für nichtig. Hermann Horstkotte zum Urteil und den Hintergründen eines außergewöhnlichen Falls.

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Ein jahrelanger Streit vor dem BVerwG

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bestätigte am Mittwoch die Entziehung des Doktorgrades im Fall Mathiopoulos wegen der Täuschung bei Anfertigung der Dissertation (Urt. v. 21.06.2017, Az. 6 C 3.16). Ob damit im bundesweit bekannt gewordenen Fall das letzte Wort gefallen ist, steht indes noch nicht fest.

Die promovierte Historikerin Margarita Mathiopoulos war 1987 ein Musterbeispiel und Vorbild für soziale Integration überhaupt und den wissenschaftlichen Nachwuchs im Besonderen: Migrantin aus Griechenland, geflohen vor dem dortigen Obristenregime, über ihren Vater gut bekannt mit dem SPD-Vorsitzenden Willy Brandt, als Post-Doc Uni-Stipendiatin in New York, später Bankerin und Politikberaterin, seit Mitte der Neunziger auch nebenberufliche Hochschullehrerin mit Professorentitel.

Dennoch wurde die Karrierefrau von ihrer Vergangenheit eingeholt. Kaum war die Dissertation veröffentlicht, tauchten in der Fachliteratur Plagiatsvorwürfe auf. Die wurden in der herrschenden Meinung zunächst als neidische Schmähkritik abgetan. Immerhin bestätigte eine Uni-Kommission 1991 nach stichprobenartiger Überprüfung eine unzureichende Zitierweise. Aber trotzdem teilte der Dekan Mathiopoulos mit, dass "für die Philosophische Fakultät kein Anlass besteht, gegen Sie wegen des Vorwurfs der Täuschung einzuschreiten." Deshalb erschien auch eine Nachbesserung oder Absenkung der Note unnötig.

Die Lage änderte sich, als das vielbeachtete Internetforum Vroniplag Wiki 2011 die Doktorarbeit erneut durchleuchtete. Daraufhin entschloss sich eine Fakultätskommission, sensibilisiert auch durch den Fall Guttenberg, doch zur Rücknahme des Doktorhutes.

Juristischer Streit um den Vertrauensschutz

Dass diese Entscheidung durch die Instanzen bis zum BVerwG gelangte, lag an zwei juristischen Kernfragen:

Ist es erstens überhaupt verfassungsgemäß, dass die Kriterien für einen Entzug des Doktorgrades nicht gesetzlich geregelt, sondern einfach der Promotionsordnung der Uni überlassen sind? Ja, so die Leipziger Richter: Eine spezielle gesetzliche Regelung sei "nicht erforderlich, weil das Promotionswesen wesentlicher Bestandteil der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten akademischen Selbstverwaltung ist." Das ist auch die vorherrschende, wenngleich nicht unumstrittene Meinung in der Fachdiskussion.

Kann aber eine Fakultät, zweitens, einen Täuschungsvorsatz einmal verneinen und ein anderes Mal bejahen, ohne die erste Entscheidung förmlich aufgehoben zu haben? Mathiopoulos' Anwälte bestreiten das: Ihrer Auffassung nach stellte das Schreiben des Dekans von 1991 einen bestandskräftigen Verwaltungsakt dar.

Diese Auffassung verneinen aber die Universität und nun auch das BVerwG: Der Dekan habe damals Mathiopoulos ohne weitere Bindungswirkung lediglich die (vorläufige) Einstellung des Prüfverfahrens mitgeteilt. Einige damals beteiligte Bonner Professoren sehen das allerdings anders. Die zentrale Frage dreht sich um den Vertrauensschutz für die Doktorandin.

Warum die Unis Mathiopoulos ehrten und ob es zur Verfassungsbeschwerde kommt

2/2: Was die Unis sich von Mathiopoulos versprachen

Wenn das Urteil mit der schriftlichen Zustellung in den nächsten Wochen rechtskräftig wird, sind die Philosophischen Fakultäten der Unis in Braunschweig und Potsdam am Zuge. Sie haben 2011/12 beschlossen, die Mathiopoulos 1995 am Harz und 2002 an der Havel verliehenen Honorarprofessuren abzuerkennen, falls der Bonner Doktortitel entfällt. Der war neben zahlreichen weiteren wissenschaftlichen Veröffentlichungen eine der Voraussetzungen für die ehrenamtliche Berufung zur Professorin.

Diese Rangerhöhung an der TU Braunschweig fiel mit der 250-Jahrfeier der Hochschule zusammen. Mathiopoulos war damals Marketingchefin der staatlichen Norddeutschen Landesbank. Für dieses Fest spendierten die Bank und eine bankeigene Stiftung insgesamt 250 000 D-Mark, wie Uni-Sprecherin Elisabeth Hoffman bestätigt. Bedenken wegen der plagiatsverdächtigen Doktorarbeit seien damals weggewischt worden, erinnert sich ein Mitglied der Berufungskommission, der Historiker Helmut Castritius.

Demgegenüber sprach etwa der renommierte Politikprofessor Claus Leggewie in einem Gutachten vielmehr von "außerwissenschaftlichen" und "hinterhältigen Angriffen" gegen die Wunschkandidatin. Im Gegenteil könne die TU Braunschweig mit Mathiopoulos und ihrem "interessanten und illustren Kreis" von Freunden zu einem "herausragenden Kreuzungspunkt von Politik und Wissenschaft werden." Die Uni habe einen "großen Fisch" an der Angel, den sie sich nicht entgehen lassen solle. Heute erklärt Leggewie indes: "Ohne Umschweife: Mein Gutachten war ein Fehler." Macht jetzt aber nichts mehr.

Kommt es zur Verfassungsbeschwerde?

In Potsdam verwies später auch der Militärhistoriker Bernhard Kroener in seinem Empfehlungsschreiben auf die besonderen internationalen Kontakte von Mathiopoulos, die das Ansehen der Uni nur steigern könnten. Ein Jahr vor der Potsdamer Berufung, 2001, hatte die Frau von Welt zusammen mit dem ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr Klaus Naumann in Berlin ein Unternehmen zur Politikberatung gegründet, die European Advisory Group.

Die Uni Potsdam verband damit die Idee, neben der Stiftung Wissenschaft und Politik in der Bundeshauptstadt ein "Potsdam Center for Transatlantic Security and Military Affairs" aufzubauen. Von der Politikberaterin Mathiopoulos erhoffte die Uni Forschungsgelder aus dem Bundesverteidigungsministerium, konkret vom damaligen Minister Rudolf Scharping. Aber der verlor Mitte 2002 sein Amt und der Geldsegen blieb aus - Pech gehabt. 

Gleichwohl nimmt Mathiopoulos ihre Lehrverpflichtungen bislang weiter wahr. Jetzt erwägen die Anwälte, ob eine Verfassungsbeschwerde nebst Antrag auf einstweilige Anordnung aussichtsreich erscheint. Im günstigsten Falle könnte Mathiopoulos ihre akademischen Titel bis zur endgültigen Klärung weiter tragen.

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Hermann Horstkotte, BVerwG zu langjähriger Plagiatsaffäre: Kein Doktortitel für Mathiopoulos . In: Legal Tribune Online, 22.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23260/ (abgerufen am: 28.09.2023 )

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