Beamte können einen Anspruch auf Entschädigung haben, weil die Höhe ihrer Bezüge lange allein von ihrem Lebensalter abhing. Die Entscheidung des BVerwG vom Donnerstag überrascht nicht allzu sehr, erklärt Holger Zuck. Die Länder aber dürfte sie erleichtern.
Für die klagenden Beamten und Soldaten hätte es um viel Geld gehen können in Leipzig. Es war recht eindeutig, dass die für sie maßgeblichen besoldungsrechtlichen Bestimmungen der Länder Sachsen-Anhalt und Sachsen, gegen welche sie sich wandten, diskriminierend waren. Sie stellten nämlich, wie in Deutschland üblich, auf ihr Alter ab.
Die beiden Bundesländer hatten anders als viele andere ihre Besoldungssysteme für Beamte erst spät an die durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geänderte Rechtslage angepasst und Eingruppierung und Aufstieg der Staatsdiener in den Stufen nicht mehr an das Lebensalter, sondern stattdessen an das Dienstalter geknüpft.
Gegenstand der Revisionsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) war die Frage, ob und in welcher Höhe die Beamten und Soldaten wegen der früheren diskriminierenden Wirkung der besoldungsrechtlichen Bestimmungen nach nationalem oder EU-Recht Ansprüche auf höhere Besoldung, Schadensersatz oder Entschädigung haben.
Entschädigung von 100 Euro monatlich – aber zeitlich beschränkt
Das BVerwG hat einigen der Beamten eine Entschädigung in Höhe von 100 Euro pro Monat zugesprochen, abhängig vom jeweils maßgeblichen Besoldungsrecht sowie vom Zeitpunkt der Geltendmachung ihres Anspruchs (Urt. v. 30.10.2014, Az. BVerwG 2 C 3.13; BVerwG 2 C 6.13; BVerwG 2 C 32.13; BVerwG 2 C 36.13; BVerwG 2 C 38.13; BVerwG 2 C 39.13; BVerwG 2 C 47.13).
In der Summe können die Länder aber aufatmen: Für Beamte des Landes Sachsen-Anhalt haben die Leipziger Richter Ausgleichsansprüche für den Zeitraum ab dem 1. April 2011 ausgeschlossen, für ihre Kollegen aus Sachsen sogar für den Zeitraum ab dem 1. September 2006. Denn im Freistaat war das neue Besoldungssystem nach dem Dienstalter zulässigerweise rückwirkend zu diesem Datum in Kraft gesetzt worden.
Die klagenden Soldaten gingen gänzlich leer aus. Ihre Ansprüche scheiterten daran, dass sowohl die einschlägige EU-Richtlinie als auch das AGG auf Angehörige der Streitkräfte nicht anwendbar sind. Im Übrigen hielten die Bundesrichter eventuelle Forderungen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), wonach Besoldungsansprüche zeitnah geltend zu machen sind, für verfristet.
Die Besoldung von Beamten in Deutschland
Das Grundgehalt von Beamten in Deutschland hängt von der Zugehörigkeit zu einer Beamtengruppe ab: Beamte und Soldaten werden nach den Besoldungsordnungen A und B besoldet, Professoren und bestimmtes Hochschulpersonal nach der Besoldungsordnung W, und Richter nach der Besoldungsordnung R.
Innerhalb dieser Besoldungsordnungen richtet sich das Grundgehalt nach Besoldungsgruppen, und innerhalb der Besoldungsordnungen A, W und R zusätzlich nach Alters-Stufen. Vor dem Aufstieg in die nächste Alters-Stufe sind sogenannte Erfahrungszeiten zu absolvieren, die in der Regel zwischen zwei und vier Jahren betragen.
Beispiel: Eine Oberstudienrätin mit der Befähigung für das Lehramt an Gymnasien oder an beruflichen Schulen wird in Sachsen-Anhalt in der Besoldungsgruppe A 14 geführt. Sie erhält in der Stufe 1 ein Grundgehalt von 3 794,28 €, und in der höchsten Stufe 8 eines von 5 159,24 Euro. Ein Lehrer mit der Befähigung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen erhält in A 12 ein Grundgehalt von 3 064,21 bis 4 192,85 Euro.
Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, welche die deutsche Beamtenbesoldung gemäß Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) prägen, gehörte es, die Eingruppierung in eine Stufe vom Lebensalter abhängig zu machen.
Seit dem 18. August 2006 gilt in Deutschland allerdings das AGG, das die Europäische Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf umsetzte. § 1 des Gesetzes verbietet u.a. die Benachteiligung aufgrund des Alters, die Vorschrift des § 10 erlaubt Abweichungen nur z.B. bei Altersgrenzen oder bei der Berufserfahrung und dem Dienstalter.
Rechtmäßig: perpetuierte Diskriminierung im aktuellen Recht
2/2: Die Vorgaben des EuGH
Mit Inkrafttreten des Gesetzes war eindeutig, dass das die bisherige deutsche Beamtenbesoldung gegen diese Vorschriften verstieß.
Der EuGH stellte das am 19. Juni 2014 (Az. C-501/12 u.a., Specht) fest. Nach dem Urteil ist es mit den Vorgaben der Richtlinie nicht zu vereinbaren, dass sich entsprechend den §§ 27 und 28 BBesG a.F. die Grundgehaltsstufe eines Beamten innerhalb der jeweiligen Besoldungsgruppe bei seiner Einstellung nach seinem Lebensalter richtet.
Die Richter in Luxemburg entschieden aber auch, dass das Unionsrecht nicht vorschreibt, den diskriminierten Beamten rückwirkend einen Betrag in Höhe des Unterschieds zwischen ihrer tatsächlichen und der Vergütung nach der höchsten Stufe ihrer Besoldungsgruppe zu zahlen.
Das BVerwG musste nun klären, ob und wie die frühere diskriminierende deutsche Rechtslage zu einer höheren Besoldung, zu Schadensersatz oder einer Entschädigung für die insgesamt 15 klagenden Beamten und Soldaten führt. In einigen Verfahren beanspruchten die Kläger zudem Zahlungen auch für weit zurückliegende Zeiträume .
BVerwG: Geltendes deutsches Recht in Ordnung
Vor diesem Hintergrund sind die Entscheidungen aus Leipzig wenig überraschend. Denn die maßgeblichen Gesichtspunkte waren durch den EuGH und die Rechtsprechung des BVerfG schon zuvor geklärt.
Die Soldaten der Bundeswehr scheiterten mit ihren Klagen schon daran, dass nach einem Ausnahmetatbestand der Richtlinie das Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung und des Alters nicht für die Streitkräfte gilt.
Die für die übrigen Beamten geltende aktuelle Rechtslage hält das BVerwG für rechtmäßig. Neu eingestellte Beamte werden heute regelmäßig in die erste Stufe eingruppiert. Ihr Grundgehalt steigt anschließend mit ihrer Dienstzeit an. Diese Anknüpfung der Besoldung an die im Dienstverhältnis verbrachte Zeit steht dem Senat zufolge mit den Vorgaben des Unionsrechts in Einklang. Die mit der Überleitung verbundene Perpetuierung der bisherigen diskriminierenden Wirkung sei nach dem Urteil des EuGH vom 19. Juni 2014 gerechtfertigt, so der Senat.
Die Entschädigung der Beamten für die frühere diskriminierende Bemessung ihrer Dienstbezüge stützt der Senat auf § 15 Abs. 2 AGG. Diese Vorschrift räumt bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf angemessene Entschädigung ein. Als angemessen in diesem Sinne sehen die Richter eine pauschale Entschädigung von 100 Euro monatlich an.
Keine Hochstufung, Entschädigung nur bis zum neuen Recht
Weil die Länder unionsrechtskonforme Überleitungsbestimmungen in Kraft setzten und im August 2006 auch das AGG in Kraft trat, ist der Entschädigungsanspruch aber für die sächsischen Beamten auf den Monat August 2006 beschränkt, die Beamten in Sachsen-Anhalt können immerhin auf Zahlungen von 100 Euro monatlich von August 2006 bis Ende März 2011 hoffen. Danach habe jeweils das unionsrechtskonforme neue Besoldungsrecht gegolten.
Für bereits nach dem EuGH-Urteil ausgeschlossen halten die Bundesrichter es dagegen, der Beamten in eine höhere oder gar die höchste Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe einzustufen. Denn die unzulässige Benachteiligung wegen des Alters erfasse sämtliche Gruppen von Beamten. Deshalb bestehe kein gültiges Bezugssystem mehr, an das der Anspruch auf Gleichbehandlung anknüpfen könnte.
Dass die lebensaltersabhängige Einstufung des Grundgehalts gegen Unionsrecht und das AGG verstößt, war seit 2006 klar. Die Entscheidungen des BVerwG vom Donnerstag tragen dennoch zur Rechtsfortbildung bei, weil nun auch die Haftungsfolgen nach nationalem Recht geklärt sind.
Der Autor Prof. Dr. Holger Zuck ist Rechtsanwalt in Stuttgart. Einer seiner Tätigkeits- wie auch Veröffentlichungsschwerpunkte liegt im Beamtenrecht.
Prof. Dr. Holger Zuck, BVerwG bewilligt 100 Euro pro Monat: Diskriminierte Beamte nur für kurze Zeit zu entschädigen . In: Legal Tribune Online, 31.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13664/ (abgerufen am: 02.12.2023 )
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