Eigentum verpflichtet: Der BGH hat entschieden, dass Feuchtigkeitsschäden im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums eines in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilten Altbaus saniert werden müssen. Richtig, wie Ulrike Gantert findet.
Die Mehrheit einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) darf die Sanierung von gravierenden Feuchtigkeitsschäden im Erdgeschoss nicht blockieren: Der für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschied am Freitag, dass derartige Schäden im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums eines in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilten Altbaus saniert werden müssen (Urt. v. 04.05.2018 - V ZR 203/17). Eine richtige Entscheidung – bei der es allerdings auch auf den in der Teilungserklärung vorgesehenen Nutzungszweck ankommt.
Untereinander gestritten hatten Mitglieder einer Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. Das Gebäude war im Jahr 1890 errichtet und 1986 in zwölf Wohnungen und drei Teileigentumseinheiten aufgeteilt worden. Genutzt wurden diese im Erdgeschoss entsprechend der Teilungserklärung als Naturheilpraxis, Künstleragentur und Kommunikationsagentur.
Nachdem die Wände der in von den Teileigentümern genutzten Gewerberäume Feuchtigkeitsschäden aufwiesen, entbrannte unter den Eigentümern der Streit: Denn die Mehrheit der Eigentümer weigerte sich, die Schäden in den Einheiten der Teileigentümer zu sanieren. Und das, obwohl zwei von der WEG eingeholte Gutachten eindeutig festgestellt hatten, dass eine fehlende außenseitige Sockelabdichtung, eine fehlende Horizontalsperre und im Mauerwerk eingelagerte Salze ursächlich für die Feuchtigkeitsschäden waren.
Sanierung zwingende Aufgabe aller Eigentümer
Die klagenden Teileigentümer mühten sich im Laufe der Zeit vergeblich um die rund 300.000 Euro teure Sanierung: Ihren Antrag auf Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden lehnte die WEG im Jahr 2015 in einer Eigentümerversammlung ab. Auch ein weiterer Antrag, wonach die Instandsetzung durch Einbringung einer Horizontalsperre im Mauerwerk und die Aufbringung einer Vertikalsperre auf den erdberührten Außenwänden erfolgen sollte, wurde seitens der WEG negativ beschieden. Recht bekamen die Kläger erst zwei Jahre später vor dem LG Hamburg, das die Revision zum BGH zuließ.
Und auch der BGH entschied nun zugunsten der Kläger: Nach der Entscheidung der Karlsruher Richter haben die Kläger einen Anspruch auf die Sanierung des Gemeinschaftseigentums. Der Anspruch besteht, weil das gemeinschaftliche Eigentum grundsätzlich jedenfalls in einem solchen baulichen Zustand sein muss, dass das Sondereigentum zu dem in der Teilungserklärung vorgesehenen Zweck genutzt werden kann.
Sofern das Gemeinschaftseigentum gravierende bauliche Mängel aufweist, die die zweckentsprechende Nutzung von Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen, ist - so der BGH - eine sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich. Einzelne Wohnungseigentümer könnten die Sanierung gemäß § 21 Abs. 4 WEG verlangen. Der BGH macht in seiner Entscheidung deutlich, dass es sich bei den Feuchtigkeitsschäden in den Einheiten der Kläger um derartige "gravierende bauliche Mängel" handelt: Die Innen- und Außenwände der Teileigentumseinheiten seien massiv durchfeuchtet gewesen, die Ursache bestehe in einer fehlenden Abdichtung des Gebäudes und damit im Gemeinschaftseigentum. Aus diesem Grund, so das Gericht, sei die Sanierung Aufgabe aller Wohnungseigentümer.
Unter Bezugnahme auf die Teilungserklärung, nach der die Teileigentumseinheiten als Büro bzw. Laden genutzt werden durften, wies der BGH darauf hin, dass diese Einheiten - wie Wohnungen - grundsätzlich dazu geeignet sein müssten, als Aufenthaltsraum für Menschen zu dienen. "Massive Durchfeuchtungen müssen die Kläger deshalb nicht hinnehmen, und zwar auch dann nicht, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten sein sollte." Der Sanierungsanspruch sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich um Souterraineinheiten in einem Altbau handelt. Auch die von den Klägern mit 300.000 Euro bezifferten Sanierungskosten stünden nicht "völlig außer Verhältnis zu dem erzielbaren Nutzen für die Gebäudesubstanz im Allgemeinen und die drei Einheiten der Kläger im Besonderen".
Für Sanierung Nutzungszweck in Teilungserklärung entscheidend
Darüber hinaus stellte der BGH fest, dass die Sanierung den Beklagten auch zuzumuten ist. Schließlich müsse ohnehin saniert werden, sofern der Erhalt der Gebäudesubstanz gefährdet ist. Sofern diese nicht gefährdet sei, ließe sich die Sanierung allenfalls durch eine Änderung der Teilungserklärung vermeiden, indem der Nutzungszweck der betroffenen Einheiten geändert würde. Denn wenn diese Räume nicht mehr dazu geeignet sein müssten, als Aufenthaltsraum für Menschen zu dienen (z.B. bei einer Nutzung als Keller), und wenn die Gebäudesubstanz nicht gefährdet wäre, könnte die Sanierungspflicht vielleicht entfallen.
Allerdings: Da es sich bei einer solchen Änderung des Nutzungszwecks laut BGH um einen äußerst gravierenden Eingriff in das Eigentumsrecht der betroffenen Eigentümer handele, weil sie ihre Einheiten nicht mehr - wie bisher - als Laden oder Büro nutzen könnten, dürfe eine Anpassung der Teilungserklärung "nur als ultima ratio in Ausnahmefällen und gegen Ausgleichszahlungen in Betracht gezogen werden".
Nach dieser Entscheidung bleibt festzuhalten: Teilende Eigentümer sollten sich – nicht nur bei Altbauten – grundsätzlich immer sehr gut überlegen, welche Nutzungen in den einzelnen Räumen der aufzuteilenden Immobilie zulässig sein sollen. Denn die zulässige Nutzung spielt eine wichtige Rolle für die Frage, was unter einer ordnungsmäßigen Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums zu verstehen ist.
Die Autorin Ulrike Gantert ist in der Kanzlei Brillinger Rechtsanwälte in Karlsruhe tätig. Sie ist Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht sowie Schlichterin und Schiedsrichterin für Baustreitigkeiten.
BGH zu Sanierungspflichten einer WEG: . In: Legal Tribune Online, 04.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28475 (abgerufen am: 07.12.2024 )
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