"Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden." - Oder doch nicht? Weil eine andere Klausel dazu im Widerspruch stand, hält der BGH die AGB des Zentralverbands des Kfz-Gewerbes insoweit für unwirksam. Diese liegen vielen Kaufverträgen vor allem über Gebrauchtwagen zugrunde. Ein AGB-Check von Christian Wolf und Tim Brockmann.
Die klagende Käuferin erwarb beim beklagten Autohändler einen gebrauchten Pkw, an welchem aufgrund von Produktionsfehlern Korrosionsschäden auftraten. Mit ihrer Klage verlangt sie die (Netto-)Kosten für eine Beseitigung dieser Schäden.
Dem Kaufvertrag liegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des beklagten Händlers zugrunde, die der "Unverbindlichen Empfehlung des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. (ZDK)" entsprechen. Diese lauten auszugsweise:
VI. Sachmangel
1. Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.
[…]
5. Abschnitt VI Sachmangel gilt nicht für Ansprüche auf Schadensersatz. Für diese Ansprüche gilt Abschnitt VII Haftung.
VII. Haftung
1. Hat der Verkäufer aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen für einen Schaden aufzukommen, der leicht fahrlässig verursacht wurde, so haftet der Verkäufer beschränkt:
Die Haftung besteht nur bei Verletzung vertragswesentlicher Pflichten, etwa solche, die der Kaufvertrag dem Verkäufer nach seinem Inhalt und Zweck gerade auferlegen will oder deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Kaufvertrages überhaupt er ermöglicht und auf deren Einhaltung der Käufer regelmäßig vertraut. Diese Haftung ist auf den bei Vertragsschluss vorhersehbaren typischen Schaden begrenzt.
[…]
2. Unabhängig von einem Verschulden des Verkäufers bleibt eine etwaige Haftung des Verkäufers bei arglistigem Verschweigen eines Mangels, aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos und nach dem Produkthaftungsgesetz unberührt.
[…]
5. Die Haftungsbegrenzungen dieses Abschnitts gelten nicht bei Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit.
Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Verkürzung der sonst zweijährigen gesetzlichen Verjährungsfrist auf ein Jahr für die Ansprüche des Käufers wirksam ist. Ist sie nicht, urteilte der u.a. für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat am Mittwoch. Die AGB konnten die gesetzliche Rechtslage also nicht zu Gunsten des Verkäufers ändern, die Käuferin bekommt daher ihre Reparaturkosten ersetzt (BGH, Urt. v. 29.04.2015, Az. VIII ZR 104/14).
Wie verständlich müssen AGB sein?
Anders als die Vorinstanz gehen die Karlsruher Richter dabei nicht den Weg über die Auslegung, an die sich, sofern Lücken bleiben, die Zweifelsregel anschließen würde. Gemäß § 305c Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gehen Zweifel bei der Auslegung von AGB nämlich zu Lasten von deren Verwender (in dubio contra proferentem).
Zur Anwendung dieser Zweifelsregel kommt es aber erst gar nicht, wenn eine oder mehrere Klauseln schon gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB verstoßen. Es besagt, dass Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und verständlich in den AGB niedergelegt werden müssen. Hierbei sind die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Vertragspartners zu berücksichtigen.
Eine Klausel, die für einen juristisch nicht vorgebildeten Verbraucher unverständlich ist und ihn bei Anwendung benachteiligen würde, ist also unwirksam. Verbraucher sollen davor geschützt werden, AGB zuzustimmen, die sie nicht verstehen und so Nachteile einzubüßen, die sie nicht absehen können.Unter dem Gesichtspunkt dieser Anforderung der Transparenz und Verständlichkeit, welche an die Verständlichkeit von AGB aus der Sicht des Verbrauchers zu stellen ist, verwirft der BGH die vorformulierten Regelungen des Zentralverbands Deutscher Kfz-Gewerbe.
2/2: Zwei Klauseln, zwei Verjährungsfristen = widersprüchlich
Die Klauseln sind nämlich widersprüchlich und damit intransparent, so der Senat. Nach Abschnitt VI (Sachmangel) Nr. 1 Satz 1 sollten Ansprüche wegen Sachmängeln nach einem Jahr verjähren. Danach darf der Verkäufer die Nacherfüllung wegen eines Sachmangels verweigern, so dass auch für einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Nacherfüllungspflicht nach einem Jahr kein Raum mehr wäre.
Andererseits, so der BGH, ergibt sich aus den Regelungen der Abschnitte VI (Sachmangel) Nr. 5 und VII (Haftung), dass für sämtliche Schadensersatzansprüche die Verjährungsfrist nicht verkürzt ist und damit die gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren gelten soll.
Für sich genommen regelt Abschnitt VII (Haftung) aber gar keine zeitliche Beschränkung der Schadensersatzhaftung bei Sachmängeln, sondern beschränkt die Haftung des Verkäufers – zulässigerweise – nur gegenständlich Die Einschränkungen des Abschnitts VI (Sachmangel) aber, und damit auch die Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr, sollen auch nicht greifen, so will es Abschnitt VI (Sachmangel) Nr. 5. Danach würde dann die gesetzliche Regelung des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB gelten: Der Anspruch würde erst nach zwei Jahren verjähren.
Welche Regelung auf Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung der Pflicht zur Nacherfüllung bei Vorliegen eines Sachmangels gelten soll, bleibt unklar. Einerseits gilt Abschnitt VI (Sachmangel) Nr. 1, weil es sich um einen Sachmangel handelt, andererseits Abschnitt VI (Sachmangel) Nr. 5, weil sich daraus ein Schadensersatzanspruch ableitet. Abschnitt VII (Haftung), der eigentlich gelten soll, schweigt aber zur zeitlichen Haftungsbeschränkung.
Widersprüchlich = intransparent = unwirksam
Die AGB geben somit - aus der maßgeblichen Sicht des Kunden - keine eindeutige Antwort darauf, binnen welcher Frist er vom Verkäufer Schadensersatz wegen Verletzung einer Nacherfüllungspflicht bei Sachmangelhaftigkeit der Kaufsache verlangen kann, befand der Kaufrechts-Senat.
Das reichte den Richtern, um sie für insoweit unwirksam zu erklären: "Ein durchschnittlicher, juristisch nicht vorgebildeter Kunde kann den widersprüchlichen AGB nämlich nicht entnehmen, ob er Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung der Pflicht des Verkäufers zur Nacherfüllung bereits nach einem Jahr oder aber erst nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist von zwei Jahren nicht mehr geltend machen kann".
Nicht nur die Entscheidungen der Vorinstanzen zeigen, dass man zu diesem Ergebnis auf mehreren Wegen hätte kommen können. Vorformulierte Klauselwerke können, dessen muss sich jeder Verwender bewusst sein, Meinungsverschiedenheiten hervorrufen. Unabhängig davon, dass am Ende verschiedene juristische Adressaten unterschiedliche Wege gehen können, um AGB zu beurteilen, sollte kein Muster, egal ob frei im Internet verfügbar oder aus einem teuren Formularhandbuch, einfach übernommen werden.
Es gilt, immer die speziellen Bedürfnisse des Verwenders und seiner Kunden im Auge zu haben. Eine selbst durchgeführte Verständnis- und Schlüssigkeitskontrolle aus der Sicht von Kunde und Verwender ist durch nichts zu ersetzen. Auch nicht durch eine Unverbindliche Empfehlung des Zentralverbandes des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes e.V.
Der Autor Professor Dr. Christian Wolf ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Zivilprozessrecht an der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover, Tim Brockmann ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand.
Professor Dr. Christian Wolf und Tim Brockmann, BGH kippt AGB-Klausel des Kfz-Gewerbes: Kurze Verjährung beim Gebrauchtwagenkauf unwirksam . In: Legal Tribune Online, 29.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15397/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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