Netzbetreiber müssen die Förderung nach EEG zurückverlangen, wenn Anlagenbetreiber gegen Meldepflichten verstoßen. Das hat der BGH gestern entschieden und damit eine Präzedenz für viele noch laufende Verfahren gesetzt. Von Daniel Breuer.
Netzbetreiber haben einen Anspruch auf Rückzahlung von Einspeisevergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), wenn die Betreiber entsprechender Anlagen die vorgeschriebene Meldung bei der Bundesnetzagentur unterlassen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch und bestätigte damit die Urteile der Vorinstanzen (Urt. v. 05.07.2017, Az. VIII ZR 147/16).
Der vom Netzbetreiber verklagte Landwirt betreibt auf seinem Grundstück eine Photovoltaik-Dachanlage, die er im Frühjahr 2012 in Betrieb nahm. Entgegen seiner Angaben auf dem Melde-Formblatt des Netzbetreibers meldete er die Anlage aber nicht wie gesetzlich vorgeschrieben bei der Bundesnetzagentur an, sondern holte die Meldung erst im November 2014 nach. Daraufhin forderte der Netzbetreiber vom Landwirt EEG-Förderung in Höhe von 45.538,55 Euro zurück.
Rein dogmatisch ist es das erwartete Ergebnis: Der beklagte Anlagenbetreiber hat zwar sämtliche Register gezogen. Am Ende steht jedoch eine Entscheidung des Wortlauts.
Steigende Anforderungen an EEG-Anlagen-Betreiber
Wer seit nach dem 31. Dezember 2011 eine EEG-Anlage in Deutschland in Betrieb nimmt, muss dies nicht nur mit dem Netzbetreiber abstimmen, sondern gemeinsam mit einer Vielzahl weiterer Angaben auch der Bundesnetzagentur beziehungsweise dem Anlagenregister und künftig dem Marktstammdatenregister melden. Dies ist gesetzlich eindeutig wie sinnvoll, um die gewünschte Transparenz zu erlangen und den Ausbau und die Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland ermitteln zu können.
Wie der BGH nun wenig überraschend – und wie schon die Vorinstanzen – feststellt, greifen die gesetzlichen Sanktionen, wenn die gesetzlichen Pflichten nicht eingehalten werden. Soweit, so eindeutig. Bemerkenswert sind hingegen folgende Feststellungen der Gerichte:
Ein Verstoß gegen Meldepflichten führt nach dem hinreichend eindeutigen Wortlaut nicht lediglich zu einer Aussetzung der Fälligkeit, sondern zu einer vorübergehenden, für den Zeitraum der Nichtmeldung jedoch endgültigen Verringerung der EEG-Förderung. Eine Heilung durch Nachmeldung ist nur für die Zukunft möglich.
EEG-Förderung vor Missbrauch schützen
Losgelöst von der Frage einer konkreten Pflichtverletzung des Netzbetreibers nahm die Berufungsinstanz ein "Aufrechnungsverbot kraft Natur der Sache" an. Zwischen Ansprüchen aus individueller Pflichtverletzung und den Rückforderungsansprüchen könne keine Aufrechnungslage bestehen. Bereicherungsrechtliche Gegenansprüche des Anlagenbetreibers aufgrund der Überlassung "kostenlosen" Stroms scheiden nach Auffassung der Berufungsinstanz bereits aufgrund der gesetzlichen Sanktion aus.
Eine Rückforderung steht nach zutreffender Ansicht nun auch des BGH nicht unter dem Vorbehalt einer vorgelagerten Rückforderung durch den Übertragungsnetzbetreiber. Zwar sind die vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland für die gesamte Abwicklung und Umlage der Kosten der EEG-Förderung verantwortlich und nach dem EEG ebenso verpflichtet, gegenüber den Verteilnetzbetreibern zu Unrecht erstattete EEG-Förderung zurückzuverlangen. Jedoch würde die von dem beklagten Anlagenbetreiber verlangte vorherige Rückforderung durch den Übertragungsnetzbetreiber als Vo-raussetzung einer Rückforderung im Verhältnis Verteilnetzbetreiber zu Anlagenbetreiber – auch nach Würdigung des BGH – eindeutig dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen, im Rahmen der Rückforderungsfristen alles zu unternehmen, um die EEG-Umlage zu entlasten.
Zu der in den Vorinstanzen uneinheitlich entschiedenen dogmatischen Einordnung der spezialgesetzlichen Rückforderungsvorschriften des EEG zum allgemeinen Bereicherungsrecht scheint der BGH - wie bereits die Berufungsinstanz - von einem Vorrang des EEG auszugehen.
2/2: Äußerung zu umstrittenem Umfang der Netzbetreiberpflichten
Der BGH scheint sich nun ausdrücklich darauf festzulegen, dass "eine diesbezügliche Aufklärungspflicht des Netzbetreibers grundsätzlich nicht" besteht. Vielmehr obliege es ausschließlich dem Anlagenbetreiber, "sich über die geltende Rechtslage und die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Förderung nach dem EEG zu informieren".
Es bleibt abzuwarten, ob sich der BGH in den Urteilsgründen näher als die Pressemitteilung der spannenden wie umstrittenen Frage zuwendet, ob und in welchem Umfang Netzbetreiber im Vorfeld und im Verlauf der Auszahlung von EEG-Vergütung verpflichtet sind, die Förderfähigkeit der eingespeisten Strommengen zu prüfen. Die Berufungsinstanz hatte insoweit noch hervorgehoben: "Da gesetzliche Regelungen fehlen, müssen der Umfang der Hinweispflichten [des Netzbetreibers, Anm. des Autors] und der etwaige Verantwortungsbeitrag des Anlagenbetreibers nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt werden."
Der Netzbetreiber hatte im vorliegenden Fall jedenfalls nach Auffassung der vorinstanzlichen Gerichte hinreichend über die gesetzliche Sanktion aufgeklärt und nach nicht nachvollziehbarer Auffassung der Berufungsinstanz auch dadurch hinreichend geprüft, indem er sich "auf dem Formblatt die Voraussetzungen für Bestehen und Höhe der Vergütungspflicht abgefragt und sich hat bestätigen lassen".
Dies greift im Hinblick auf die Prüfungspflicht aber zu kurz.
Angesichts der wichtigen Rolle der Netzbetreiber als "Sachverwalter" des EEG-Kontos wären eine eindeutige Pflichtzuordnung und eine tatsächliche Überprüfung im Einzelfall zu begrüßen. Zwar adressiert das EEG vornehmlich Pflichten der Anlagenbetreiber. Dem Gesetzeszweck, der eine Rückforderungspflicht schließlich nur für maximal drei Abrechnungsjahre ermöglicht, wird ohne Prüfungspflichten nicht genüge getan.
Anwendungspraxis und gesetzgeberische Wankelmütigkeit sind Teile des Problems
Die Feststellung, dass der Betrieb einer EEG-Anlage ein Gewerbebetrieb ist und die Anlagenbetreiber für diesen endverantwortlich sind, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ursachen für die Viel-zahl der Gesetzesverstöße auch andernorts zu finden sind.
In Deutschland kümmern sich nahezu 900 Netzbetreiber um die Abwicklung der EEG-Vergütung, in aller Regel jedoch als "durchlaufender Posten". Die Anwendungspraxis bei der Anlagenerfassung, Prüfung der Förderfähigkeit und Abrechnung kann dabei nicht im Ansatz als einheitlich bezeichnet werden. Die Netzbetreiber werden ihrer treuhänderischen Sachwalterstellung regelmäßig nicht gerecht, insbesondere auch bei der Handhabung von Netzengpässen und Maßnahmen des Einspeisemanagements.
Der Gesetzgeber trägt recht wenig zur Lösung bei. Die Halbwertszeit der EEG-Vorschriften ist sehr gering. Die Komplexität und Unübersichtlichkeit der Fördervoraussetzungen, Register- und Melde-pflichten und Sanktionsvorschriften steigt mit jeder Novelle konstant an. Aktuelle Beispiele sind die Entwicklung der Eigenversorgungsregelungen und die Unklarheiten bei der Überprüfung der Fernsteuerbarkeit.
Achtsamkeit der Anlagenbetreiber, regelmäßige Prüfpflichten der Netzbetreiber, konsequente Einforderung durch die Bundesnetzagentur und eine servicegetriebene Unterstützung durch die Direktvermarkter könnten weitere Urteile dieser Art verhindern.
Dr. Daniel Breuer ist Rechtsanwalt und Counsel der internationalen Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke und auf das Recht der Erneuerbaren Energien spezialisiert. Er ist Mitglied im Juristischen Beirat des Bundesverbands WindEnergie (BWE).
Dr. Daniel Breuer, BGH bestätigt Rückforderung von EEG-Vergütung: Enttäuschung für die Erneuerbaren-Branche . In: Legal Tribune Online, 06.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23386/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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