In NRW steht der grüne Justizminister massiv unter Druck. Ihm wird die Entmachtung einer erfolgreichen Ermittlerin im Cum-Ex-Skandal vorgeworfen. Außerdem soll er in das Verfahren um die Besetzung des OVG NRW unzulässig eingegriffen haben.
LTO: Herr Minister, in Ihrer Amtszeit gab es auch einmal ruhigere Phasen. Derzeit stehen Sie wegen zwei Sachverhalten in der Kritik: Zum einen wegen der Besetzung der Spitze des OVG-NRW. Zum anderen wegen der Aufspaltung der für den Cum-Ex-Skandal bei der Generalstaatsanwaltschaft Köln zuständigen Abteilung. Wie sehr belasten Sie beide Vorgänge?
Dr. Benjamin Limbach: Mit dem Wechsel in die Politik war mir klar, dass es auch unbequeme Zeiten geben wird. Jeder Minister, jede Ministerin trägt große Verantwortung und muss Entscheidungen fällen, die viele Menschen betreffen. Wer nicht handelt, kann nichts verändern. Beide Entscheidungen in den angesprochenen Sachverhalten habe ich nach sorgfältiger Prüfung getroffen. In einer Demokratie gehört Kritik an solchen Entscheidungen dazu. Die angesprochenen Angelegenheiten nehme ich sehr ernst.
"Habe Besetzungsvorschlag nicht angehalten"
Im Fall der Besetzung der Stelle des OVG-Präsidenten:innen Postens hat das VG Münster das Verfahren gestoppt und Ihnen eine "manipulative Verfahrensgestaltung" vorgeworfen. Gergen den Beschluss des VG haben Sie Beschwerde eingelegt. Warum liegt das VG falsch?
An den Vorwürfen ist nichts dran. Ich habe den Besetzungsvorschlag nicht angehalten, um irgendeine Bewerbung zu ermöglichen. Ich werde dazu auch am Donnerstag im Rechtsausschuss berichten.
Im Übrigen wird der Beschluss des VG Münster derzeit noch durch meine Fachabteilung ausgewertet und die Ergebnisse dieser Prüfung werden der Beschwerdebegründung zugrunde gelegt. Ich kann aber bereits zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass wir bei mir im Haus einige Rechtsfragen – etwa auch die der Überbeurteilungskompetenz – anders sehen. Unabhängig davon werden wir eine spätere rechtskräftige Entscheidung selbstverständlich respektieren und umsetzen.
Sie sprachen es bereits an: An diesem Donnerstag müssen Sie die Vorwürfe in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses ausräumen. Wird Ihnen das gelingen? Und handelt es sich nur um ein durchsichtiges, politisch motiviertes Manöver der Opposition?
Ich kann nachvollziehen, dass das Parlament angesichts des Beschlusses des VG Münster Fragen hat. Im Rechtsausschuss werde ich den Abgeordneten Rede und Antwort stehen.
Verfügen Sie in dieser Sache über die Rückendeckung Ihres CDU-Koalitionspartners?
Ja.
"Habe Vorschlag des Kölner OStA unterstützt"
Kommen wir zum Cum-Ex-Skandal: Es heißt, die Chefin der Abteilung H der Generalstaatsanwaltschaft Köln, Anne Brorhilker, habe bisher effektiv gearbeitet. Die ersten wegweisenden und inzwischen rechtskräftigen Urteile des größten deutschen Steuerskandals beruhen vor allem auf ihren Anklagen. Sie wollen die Abteilung nun aufspalten. Kritiker befürchten, dies könnte zu einer Schwächung bei der Verfolgung des Steuerskandals führen. Warum wird es dazu Ihrer Meinung nach nicht kommen?
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln hat die Schaffung einer weiteren Cum-Ex-Abteilung bei der Staatsanwaltschaft Köln vorgeschlagen, um die Verfahren noch schneller und effektiver führen zu können. Diesen Vorschlag habe ich unterstützt.
Frau Brorhilker bleibt als Hauptabteilungsleiterin für die Bearbeitung von Cum-Ex-Verfahren an einer entscheidenden Stelle zuständig und eine bedeutende Kraft in der Bearbeitung der Cum-Ex-Verfahren. Ihre Arbeit und die des gesamten Teams in Köln erkenne ich mit großem Respekt an. Ich habe mich bereits im Frühjahr vor Ort davon überzeugen können.
Wir prüfen laufend, ob und wo weitere Unterstützung der Bearbeitung der Cum-Ex-Verfahren erforderlich ist, auch im staatsanwaltschaftlichen Bereich.
"Mit Cum-Ex-Aufklärer Schick telefoniert"
Ihr Parteifreund, der Leiter der Organisation Finanzwende, langjähriger Grünen-MdB und hartnäckige Cum-Ex-Aufklärer Gerhard Schick hat Ihr Vorgehen massiv kritisiert. Bei Cum-Ex-Bankern würden die Sektkorken knallen, wird er in der Süddeutschen Zeitung zitiert. Schick kann man ja nun wirklich kein Interesse an einer politischen Schwächung Ihrer Person unterstellen.
Ich habe großen Respekt vor Gerhard Schick und seiner Arbeit, insbesondere bei der Aufklärung des Cum-Ex-Skandals und seinem Einsatz für die Bekämpfung der Finanzkriminalität.
Wir beide haben dasselbe Ziel: Drahtzieher und Verantwortliche der Cum-Ex-Straftaten, die den Staat und seine Bürger:innen um Millionen betrogen haben, müssen sich vor Gericht verantworten. Wir müssen die Täter zur Rechenschaft ziehen und die unrechtmäßig angeeigneten Steuergelder zurückholen.
Werden Sie das Gespräch mit Herrn Schick suchen, um ihm Ihre Sicht der Dinge zu erläutern?
Genau darüber haben wir in der letzten Woche miteinander telefoniert.
Herr Minister, wir bedanken uns für das Gespräch.
Dr. Benjamin Limbach (Bündnis 90/Die Grünen) ist seit 29. Juni 2022 Minister der Justiz von Nordrhein-Westfalen. Zuvor war der 54-jährige u.a. Präsident der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung sowie Direktor der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen und Leiter des Ausbildungszentrums der NRW-Justiz. Er ist der Sohn der 2016 verstorbenen, ehemaligen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach.
Hinweis: Auf Wunsch des NRW-Justizministeriums wurde das Interview mit Herrn Limbach schriftlich geführt.
Exklusiv-Interview mit NRW-Justizminister Limbach: . In: Legal Tribune Online, 05.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52848 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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